Seite:Die Gartenlaube (1887) 803.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

„Vogelfreunde“, welche gelochte Kartoffeln und Semmel- und Brotkrumen ausstreuen. Sie ahnen nicht, daß sie unter Umständen ihren Schützlingen einen schlechten Dienst erweisen. Kartoffeln und Brot werden auf dem Erdboden feucht und sauer, und sie erzeugen bei den Vögeln Durchfall – eine für die kleinen Geschöpfe stets sehr gefährliche Krankheit. Entsprechende Samen, gekochtes, nicht gesalzenes Fleisch sind die Speisen, mit welchen man den winterlichen Tisch der Vogelwelt zu beschicken hat.

Aber wir können hier nicht ausführlich auf alle Einzelheiten eingehen. Der aufmerksame Leser wird schon aus dem Vorstehenden ersehen haben, daß die Fütterung der Vögel im Winter besondere Vorkenntnisse erheischt, wenn sie nicht in eine unnütze Spielerei ausarten soll. Diese Vorkenntnisse sind sehr leicht zu erwerben. Im Aufträge der „Gesellschaft von Freunden der Naturwissenschaften“ in Gera ist eine Flugschrift „Futterplätze für Vögel im Winter“ von K. Th. Liebe (Theodor Hofmann, Gera u. Leipzig) erschienen. Sie kostet nur 20 Pfg. und bietet in klarer Weise jedem die nöthige Belehrung darüber, wie er für die kleinen Vögel zu sorgen hat, welche selbst in der harten Winterzeit unsre Heimath nicht verlassen. Wer die Flugschrift aufmerksam gelesen hat, der wird uns für diesen Wink Dank wissen; denn er wird an der Beobachtung des Vogellebens viel Freude haben. Er wird manche angenehme Ueberraschung erleben; er möge nur versuchen, die kecken Goldhähnchen vor sein Fenster zu locken; er wird alsdann mitten im Winter an kalten sonnigen Tagen zu seinem Erstaunen einen munteren kräftigen Gesang vernehmen. Frühlingsfreuden im Winter – die dankbare Vogelwelt vermag sie uns zu bringen! *      




Blätter und Blüthen.

Friedrich Haase als Richelieu. (Mit Illustration S. 793.) Mehr als zehn Jahre sind verflossen, seitdem wir in dieser Zeitschrift ein Lebens- und Charakterbild des hervorragenden Darstellers gaben (Jahrgang 1876, Nr. 40). Nachdem er von der Leipziger Direktion nach Ablauf seines Kontraktes im Jahre 1876 zurückgetreten war, wandte er für einige Wintermonate der Berliner Hofbühne seine künstlerische Thätigkeit zu. Dann widmete er Jahr für Jahr seinen Gastreisen und führte seine Hauptrollen auf den meisten deutschen Bühnen vor. Im Jahre 1882/1883 unternahm er eine große Tournee nach den Vereinigten Staaten Nordamerikas, die ihn bis nach San Francisko führte; überall erntete er Lorbeeren in Fülle. Nach diesem Ausflug in den äußersten Westen schien er das Bedürfniß zu empfinden, für seine Kunst wieder eine sichere Heimstätte zu gewinnen und zugleich seinem Streben nach einer Theaterleitung, wie er sie in Leipzig jahrelang mit Erfolg verwaltet, Genüge zu thun. Als das Deutsche Theater in Berlin begründet wurde, um neben der Hofbühne der vornehmen Kunst noch eine Stätte zu bereiten, gehörte er neben L’Arronge, Dr. Förster, Barnay, Friedmann zu den Societären, welche das neue Unternehmen gemeinsam leiteten; doch schied er schon im März 1884 aus der Societät wieder aus. Seitdem hat Friedrich Haase wieder Gastrollencyklen an den verschiedensten deutschen Bühnen durchgeführt, immer des Beifalls gewiß, der vollendeten Kunstleistungen niemals fehlen wird. Einige seiner Rollen sind anerkannte Kabinetsstücke; wir haben die meisten derselben schon früher besprochen.

In neuester Zeit bevorzugt er eine Rolle, die allerdings zu den interessantesten Aufgaben gehört, wenngleich das Schauspiel, in dessen Mittelpunkt sie steht, nur ausnahmsweise auf den deutschen Bühnen erscheint: den „Richelieu“ in dem gleichnamigen Drama Bulwer’s. Unser Bild zeigt uns, welche vortreffliche Maske der Künstler gewählt hat, eine Maske, die sich mit dem historischen Portrait vollständig deckt.

Bulwer’s „Richelieu“ ist ein Schauspiel, das in hohem Maße interessirt; gleichwohl ist der Eindruck des Stückes kein reiner. Das Komische und Tragische darin ist zu sehr gemischt; es geht nicht, wie bei Shakespeare, das eine neben dem andern in selbständigen Scenen her: beides ist so in einander verschmolzen, daß die Haupthandlung bald nach der einen, bald nach der andern Seite hinüber schillert. Den Inhalt des Stückes bildet eine Verschwörung des Herzogs Gaston von Orleans, deren Leiter Baradas, des Königs Günstling, ist. Das erste Opfer derselben sollte Richelieu sein; dann aber richtete sie sich auch gegen den König Ludwig XIII. Richelieu hat sein Mündel, Julie de Mortemar, an einen tapferen Officier, Chevalier de Mauprat, verheirathet. Diese Julie wird aber auch von dem König und von dem intriganten Baradas geliebt. Mauprat, in der Meinung, daß diese Liebeshändel von Richelieu unterstützt würden, stellt sich an die Spitze der Verschwörer und will den Minister tödten; doch dieser überzeugt ihn, daß er sich geirrt, und Mauprat muß jetzt den Kardinal vor seinen Mitverschworenen schützen, denen er das Märchen von der Ermordung des Kardinals erzählt. Dies verbreitet sich bei Hofe; der König und Alle sind bester Laune; sie fühlen sich von dem Alpdrucke des Mächtigen erlöst. Da erscheint der Kardinal plötzlich, macht das Ansehen der Kirche geltend, als Alles über seinen Fall jubelt, und im letzten Akte gelingt es ihm, die Verschwörer zu entlarven.

Das Drama ist, trotz seiner Schwächen, geistreich und glänzend: Richelieu ist keine Rolle im großen, geschichtlichen Stil, aber wie sie ist, gerade für Friedrich Haase durchaus geschaffen. Sie bietet dem Darsteller, da der Kardinal in den verschiedenartigsten Situationen erscheint, Gelegenheit, eine fast unerschöpfliche Fülle von Nüancen zu entwickeln. Darum ist die Rolle auch ausnehmend beliebt bei englischen Darstellern. Für Friedrich Haase’s künstlerisches Genie ist ein historischer Charakter mit genrehaften Zügen willkommener als einer, der sich nur auf dem Piedestal seiner geschichtlichen Größe, auf einer durch nichts Anekdotisches herabgestimmten dichterischen Höhe hält; sein Richelieu ist eines der vorzüglichsten von seinen ernsten Charakterbildern. In seiner äußern Erscheinung ist er jeder Zoll ein Kardinal. Ueber die ganze Leistung ist eine Fülle von charakteristischen Feinheiten ausgestreut, welche die Kunst der Detailmalerei, die Haase eigen ist, ins vollste Licht setzen.

Friedrich Haase vollführt nach wie vor mit Frische und Rüstigkeit seine künstlerischen Thaten und wird gewiß noch durch manche neue Rolle erfreuen, neben den Charakteren, die unlösbar mit seinem Namen verknüpft sind. †      

Der Justitiabrunnen zu Frankfurt am Main. (Mit Illustration S. 797.) Am 10. Mai dieses Jahres, dem 16. Jahrestage des Frankfurter Friedens, fand in Frankfurt am Main auf dem althistorischen Römerberge die Enthüllung des von dem Frankfurter Bürger Gustav D. Manskopf, Associé der berühmten Weingroßhandlung Manskopf und Söhne, neu hergerichteten Justitiabrunnens statt.

Dieser Brunnen, eines der Wahrzeichen der ehrwürdigen Kaiserstadt, wurde ursprünglich in einfacher Weise – aus Holz und Stein – im Jahre 1543 errichtet, etwa ein halbes Jahrhundert später renovirt und 1611 mit der in Sandstein ausgeführten Justitia geschmückt. Auf den vier Seiten der Brunnensäule befanden sich die Reliefbilder der Justitia, der Caritas, der Spes und der Temperantia. Bekanntlich wurde bei Gelegenheit der Kaiserkrönungen der Brunnen früher als Weinspender benutzt; später wurde zu diesem Zwecke ein besonderer Brunnen errichtet.

Der gegenwärtige Brunnen ist eine getreue Nachahmung des früheren; nur ist die Brunnensäule aus dauerhafterem Material – Bronzeguß – hergestellt, und zwar stammt dieselbe, nach einem Modell des Frankfurter Bildhauers Friedr. Schierholz, aus der Erzgießerei von Prof. Chr. Lenz in Nürnberg. Der Brunnentrog und die Basis der Brunnensäule sind in rothem Mainthalsandstein hergestellt.

Möge der Justitiabrunnen als ein Denkmal patriotischen Bürgersinnes Jahrhunderte lang von der Stadt Frankfurt behütet und erhalten werden!

Kochunterricht für arme Mädchen. Die Leser der „Gartenlaube“ werden sich gewiß einer Reihe von Artikeln und kleineren Mittheilungen erinnern, welche wir auf Grund der Berichte eines Darmstädter Freundes veröffentlicht haben. Da war die Rede von Pfennigsparkassen, von Kochherden für Arbeiterfamilien, von der Volksküche in der Familie und von einem Kampf gegen den Schmutz in Wohnungen kleiner und ärmerer Leute. Es handelte sich dabei durchgängig um recht nachahmenswerthe, vom edlen Geist der Humanität durchdrungene gemeinnützige Bestrebungen.

Heute sind wir wiederum in der Lage, über einen Versuch an demselben Orte zu berichten, der ähnliche Zwecke verfolgt und die größte Beachtung verdient. Er betrifft die ungemein wichtige Frage des richtigen Kochens in der Familie des Arbeiters.

Wer sich ein wenig unter seinen Nächsten umgeschaut hat und für sociale Fragen ein offenes Auge besitzt, der weiß es, daß die Haushaltungskunst einer Arbeiterfrau eine viel schwierigere ist als die einer gutsituirten Frau aus den mittleren Bürgerkreisen; der wird aber auch bei einiger Ueberlegung gefunden haben, daß die Arbeiterfrau meist weniger geübt ihr Amt übernimmt als ihre Schwestern in den besseren Lebenslagen. Selbst wenn sie die sogenannte Vorschule für ihren eigenen Haushalt als Dienstmädchen durchgemacht, hat sie eben nur den auf ein größeres Einkommen zugeschnittenen Haushalt kennen gelernt, nicht aber den des kleinen von der Hand in den Mund lebenden Mannes.

Die Ernährungsfrage spielt in jeder Familie eine wichtige Rolle, in der des Arbeiters aber unstreitig die wichtigste. Sie ruht hier ausschließlich in der Hand der Frau und von ihrem Geschick und ihrer Kenntniß hängt es ab, ob der Mann mit der Kost zufrieden ist und ob die Kinder gedeihen, ja ob bei durchaus günstigen Lohnverhältnissen die Arbeiterfamilie gesundheitsgemäß ernährt wird. Die überwiegende Mehrzahl der Arbeiterfrauen, welche in den Volksküchen erscheint, giebt es unumwunden zu, daß sie zu kochen nicht versteht, und die meisten Frauen fügen mit Bedauern hinzu, daß auch ihre Töchter es nicht lernen werden, weil sie schon in früher Jugend in Fabriken oder nach anderem Erwerb gehen müssen. Man könnte darauf erwiedern, daß wir Koch- und Haushaltungsschulen in Hülle und Fülle besitzen; das ist wahr, aber alle diese Schulen sind für höhere Verhältnisse zugeschnitten und arbeiten für Ansprüche, mit welchen der Arbeiter nicht gut rechnen kann. Für den Arbeiter wird in gemeinnützigen Volksküchen gekocht; aber diese rechnen mit Masseneinkäufen, mit Massenverkäufen und oft mit Zuschüssen wohlthätiger Stiftungen. Die Volksküche ist ein großer Segen; es wird aber durch sie gerade das umgangen, was uns als Ideal vorschwebt, die Schaffung eines traulichen Familienheims für die Arbeiter, das stärkere Fesseln derselben an den Familienherd. Dieses Ideal schwebt auch den Veranstaltern des von uns Eingangs erwähnten Darmstädter Versuches vor. Sie haben sich die Aufgabe gestellt, sogenannte arme Mädchen darin zu unterrichten, wie sie für ihre Eltern und für die von ihnen selbst zu gründende Familie die Speisen nahrhaft, wohlschmeckend, wohlfeil und in angenehmer Abwechselung herstellen sollen. Nach reiflicher Ueberlegung ist man in Darmstadt zu dem vielleicht auf den ersten Blick befremdenden Entschlusse gelangt, diesen Unterricht noch in das letzte Jahr des schulpflichtigen Alters zu verlegen. Man mag dagegen einwenden, daß in diesem Alter die Mädchen noch zu unerfahren sind; aber wenn man bedenkt, daß die dreizehn-und vierzehnjährigen Mädchen in verschiedenen schwierigeren Arbeiten, im Sticken und Hemdenähen unterrichtet werden, wenn man beachtet, daß wir gerade das fürs ganze Leben am besten behalten, was wir in so früher Jugend gelernt – dann dürfte auch die Besorgniß schwinden, daß die einfache Kochkunst, um die es sich hier handelt, für so junge Mädchen etwas Unerreichbares darstelle.

Man hat darum den Versuch in Darmstadt gewagt. Es besteht dort seit etwa 60 Jahren eine Privatanstalt für Unterricht armer Schulmädchen in Handarbeiten. Gegründet und fortgeführt von vortrefflichen Frauen, war diese Anstalt stets ungemein beliebt, und ihr einziger Mangel war genügender Raum, um der stets wachsenden Anzahl von Anmeldungen entsprechen zu können. Heute ist dem Mangel abgeholfen und die Anstalt

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1887). Leipzig: Ernst Keil, 1887, Seite 803. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1887)_803.jpg&oldid=- (Version vom 22.11.2023)