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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Blätter und Blüthen.

Die Urania. In Berlin wird demnächst ein eigenartiges Institut ins Leben gerufen werden, das im edelsten Sinne der allgemeinen Aufklärung weitester Kreise in allen naturwissenschaftlich interessanten Dingen dienen soll. Was die große Natur Wunderbares, Seltenes, Großartiges aufweist, sei es in den letzten Tiefen des dämmernden Weltgebäudes oder im Umkreise unserer irdischen Planetenwelt, vom Größesten und Gewaltigsten bis zum unsichtbar Kleinsten, soll in diesem Institute, das den Namen „Urania“ führen wird, theils in Natur oder, wo der Gegenstand solches verbietet, in naturgetreuen bildlichen Darstellungen, die in großem Maßstabe unter der Leitung kompetenter Fachmänner auszuführen sind, dem unmittelbar anschaulichen Verständniß des Laienpublikums vorgeführt werden. Diesem Zwecke wird zunächst eine mit großen Instrumenten reich ausgerüstete Sternwarte gewidmet sein, so jedoch, daß zugleich dafür gesorgt wird, die Wunder des Himmels auch bei ungünstigem Wetter in naturwahren Nachbildungen und leuchtenden Projektionen der Betrachtung darbieten zu können. Ein anderer Raum wird die Welt des Kleinsten in einer Anzahl guter Mikroskope zeigen; dann werden hier die interessantesten physikalischen Erscheinungen in brillanten Experimenten vorgeführt. In dieser Abtheilung des Unternehmens sollen auch die besten Werke unserer modernen Präcisionsmechanik ausgestellt werden, nachdem sie vorher nach streng wissenschaftlichen Methoden auf ihre Güte geprüft worden sind.

Als dritte Abtheilung wird sich dem Unternehmen ein „wissenschaftliches Theater“ anschließen, in welchem seltene oder unseren Blicken überhaupt unzugängliche Naturerscheinungen und -Scenerien in effektvollen dekorativen Darstellungen an uns vorüberziehen werden, wie z. B. Sonnenfinsternisse, die in ihrem ganzen Verlaufe durch die Kunst der Theatertechnik uns auf der Bühne so erscheinen, als ob wir wirklich Zeugen eines dieser seltenen und durch die Ungunst des Wetters leider so oft unserer Betrachtung gänzlich entzogenen Himmelsereignisse wären. Auch durch die dunklen wundererfüllten Zeitalter vorsündfluthlicher Schöpfungen werden wir dort im Geiste wandern können. Von allen ähnlichen früher dargebotenen Versuchen verschieden wird dieses Unternehmen namentlich dadurch werden, daß eine Anzahl hervorragendster Berliner Gelehrten es durch ihren wissenschaftlichen Rath unterstützen werden und daß es gediegene Belehrung zugleich im großen Stile einer gewissermaßen musischen Darstellung bieten soll. Die „Gesellschaft Urania“ wird auch gleichzeitig eine illustrirte populäre Monatsschrift unter dem Titel „Himmel und Erde“ herausgeben. Das Unternehmen wird auf das Thatkräftigste von der königlich preußischen Staatsregierung unterstützt, welche derselben die Überweisung eines Bauplatzes in sehr geeigneter Gegend zu den genannten Zwecken in nahe Aussicht gestellt hat, während eine Vereinigung von Naturfreunden im Begriffe ist, sich unter der gesetzlichen Form einer Aktiengesellschaft zur Finanzirung des Unternehmens zu konstituiren. Demselben ist in Anbetracht der hohen Wichtigkeit der Verbreitung gediegener naturwissenschaftlicher Erkenntnisse in unserm Jahrhunderte, das bereits längst den Namen eines eminent naturwissenschaftlichen trägt, der beste Erfolg zu wünschen, der ihm bei der ungemein starken Anziehungskraft, welche die Wunder der Natur auf alle Kreise der Bevölkerung auszuüben vermögen, auch ohne allen Zweifel sicher ist.


Das Löffelbegraben.

Das Bataillonsexerciren.


Auf dem Pic von Teneriffa. Den Erinnerungen und Auszeichnungen des Grafen Adolf Friedrich v. Schack „Ein halbes Jahrhundert“ (Stuttgart und Leipzig), die an stimmungsvollen und glänzend kolorirten Landschaftsbildern reich sind, entnehmen wir eine Schilderung des Pics von Teneriffa und der Besteigung desselben, die mit größerer Leichtigkeit bewerkstelligt werden kann, als diejenige gleich hoher, nördlicher gelegener Gebirgsspitzen; denn diese sind das ganze Jahr hindurch mit großen Gletschermassen und Schneefeldern überdeckt. Gleichwohl gilt die Besteigung des Donnerbergs auch den Führern für ein schwieriges Unternehmen. Nachdem die mittlere Bergzone mit ihren Lorbeer-, Kastanien- und Aepfelbäumen passirt war, ging es über Lavatrümmer weiter aufwärts, und die Retamapflanze, ein dem Pic von Teneriffa eigenthümliches Gewächs, überwucherte den Boden; hier und da flog ein kleiner Schmetterling um ihre Blüthen. Zwischen erstarrten Lavaströmen und Steinblöcken stieg der Reisende höher bergan; immer schwieriger wurde der Pfad wegen des zackigen, ringsum aufgethürmten Gesteins. Auf der Alta Vista, in einer Höhe von 10 000 Fuß, verbrachte Schack die Nacht, um mit größerer Sicherheit vor Tagesanbrach den Gipfel zu erreichen. Und in der That gelang es ihm, oben anzukommen, vor Sonnenaufgang, als noch die Nacht mit ihren Myriaden Sternen auf ihn niederschaute. „Da sah ich unten einen matten Dämmerungsschein um die Ränder der Erde spielen, die Finsterniß zerbrach nach und nach in sich selbst, blasse Strahlen zuckten durch sie hin. Noch vermochte mein Auge in der Tiefe Insel und Meer nicht zu unterscheiden; plötzlich jedoch gewahrte ich im Zwielicht neben mir einen Riesenberg, dessen Gipfel gleich hoch war wie die Spitze, auf der ich stand. Lange starrte ich nach dieser gigantischen Felsmasse und fragte sodann den Führer, welcher Berg dieses sei, da Teneriffa doch nur einen Pic habe; Cristoval aber wußte keine Antwort zu geben und blickte sprachlos nach derselben Seite wie ich hin. Allmählich dann schienen die Umrisse des Riesenbergs minder scharf zu werden; seine Wände und Zacken stürzten ein, und erst jetzt ward mir klar, der Pic habe auf eine leichte Schicht von Dünsten sein Spiegelbild geworfen; es sei eine Erscheinung gewesen wie die Fata Morgana oder das Brockengespenst. Nun brachen die Flammengeister mächtig über den Erdball herauf; der Mond ward bleicher, die letzten Sterne sanken wie blinkende Tropfen in die Wogen des steigenden Lichtes. Unten ringsum wurde der Ocean in seiner grenzenlosen Ausdehnung sichtbar; der Pic schien wie eine Klippe unmittelbar aus ihm aufzuragen; denn die Insel zu meinen Füßen verschwand beinahe. Wie ich den Blick in die Tiefe sandte, glaubte ich die Rundung der Erdkugel gewahren zu können; denn das Meer erhob sich zu allen Seiten gleich der Wölbung einer Kuppel nach der Insel zu. Erst jetzt, wo es heller und heller wurde, erkannte ich die Eilande Palma, Gran Canaria, Lanzarote und viele andere kleine Inseln; sie wurden von der Fluth des wachsenden Lichtes wie umhergewirbelt. Alles schien nur noch zu kreisen und zu wogen ... Erst da die Sonne völlig über dem Horizont stand, konnte ich ruhiger das ungeheure Bild in mich aufnehmen. Über dem Abgrund lagen einzelne Wolkenschichten, die, vom Frühglanz vergoldet, durch ihre Spalten einen Blick in das Meer hinab gewährten. Ein bleicher Streifen in fernster Ferne, aber durch das Sehrohr wohl


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 19. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_019.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2021)