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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Blätter und Blüthen.


Das königliche Zeughaus („Ruhmeshalle“) in Berlin. (Mit Illustration S. 21.) Unter den Bauten Berlins gilt das königliche Zeughaus als eine der schönsten. Friedrich III., Kurfürst von Brandenburg, legte im Jahre 1695 den Grund, die Ausführung wurde dem Baumeister Nering übertragen, nach dessen Tode Martin Krüger und Schlüter die großartigen Pläne zu weiterer Entwicklung brachten; 1705 wurde das Haus theilweise seiner Bestimmung übergeben, die volle Belegung mit Waffen fand dagegen erst im Jahre 1730 statt. Nach den Befreiungskriegen wurden die Innenräume gelegentlich noch anderweitig verwendet; sie wurden zur Anlage von Geschirrkammern gebraucht und durch Einbauten, Zwischenböden und Scheidewände nicht wenig verunziert.

Da befahl Kaiser Wilhelm am 22. März 1875, dem Landtage eine Gesetzvorlage zur Gewährung von Mitteln zu unterbreiten, um mit diesen das Zeughaus vollständig umzugestalten. Nachdem diese Vorlage am 22. März 1877 Gesetz geworden, unternahm Baurath Hitzig die Neugestaltung des Hauses, das dem Kaiser im Januar 1881 übergeben werden konnte. Jene Vorlage bestimmt in knappen Worten als Zweck des Bauwerkes: „Aufnahme einer Waffensammlung in Verbindung mit einem Schmuckraum, bestimmt zur Ausstellung von Standbildern der Herrscher Preußens, der Standbrustbilder preußischer Feldherrn und zur Herstellung von Wandgemälden, darstellend die bedeutsamsten Vorgänge aus der preußisch-brandenburgischen Geschichte“.

Der Werth der im Zeughause ausgestellten Sammlungen und Kunstwerke aller Art ist ein nach jeder Richtung hin unschätzbarer, hier entrollt die Muse der Geschichte ihre Blätter dem deutschen Volke. Geschütze, Waffen aller Art, Fahnen, Standarten und andere Kriegszeichen erzählen den Lebenden von blutigen Schlachten und Heldenthaten tapferer Kämpfer. Stolzen Blickes schaut die lorbeergekrönte Borussia von R. Begas aus der Mitte des herrlichen überdachten Lichthofes hinüber nach all den Trophäen, die meistens von braven Streitern feindlichen Händen im Gewühl des Kampfes entrissen wurden.

Das Berliner Zeughaus ist schon einmal (vergl. Jahrgang 1881, S. 244) in der „Gartenlaube“ von L. Pietsch geschildert worden; unsere heutige Abbildung versetzt uns in die den Sammlungen des Ingenieurwesens gewidmeten Räume, sie enthalten Pionierhandwerksgeräth, Nachbildungen von Artilleriefuhrwerken, Schlüssel von Festungen, darunter die am 29. Oktober 1870 an König Wilhelm nach Versailles übersandten Schlüssel der eroberten Festung Metz, und zahlreiche Nachbildungen französischer und deutscher Festungswerke und Kampfplätze. Die Besucher auf unserer Zeichnung besichtigen das Schlachtfeld von Königgrätz, auf welchem zwischen Preußen und Oesterreichern soeben der letzte entscheidende Zusammenstoß stattfindet. Von diesem Saale richtet sich der Blick nach dem Lichthofe, in welchem eins von den im letzten Feldzuge eroberten französischen Geschützen sichtbar ist. Ueber der Pforte im Hintergrunde hängt das mit französischen Fahnen umrahmte Oelbild des Anfangs erwähnten Baumeisters Nering.

Der Reiz der Korrespondenz. Unter die bezeichnendsten Merkmale unserer Zeit gehört die große Scheu vor dem Briefschreiben, welche fast allen hervorragenden Geistern gemeinsam ist. Ein bekannter Autor, der zu seinem Vergnügen korrespondirt, dürfte heut zu Tage eine große Seltenheit sein. Wie anders war dies im vorigen Jahrhundert! Rousseau erzählt zur Illustration seiner ungemessenen Schreibelust, daß, als er eines Tages von einem Menschen las, welcher sich manchmal absichtlich von seiner Geliebten entfernte, nur um ihr schreiben zu können, er selbst bei dieser Lektüre, im Innersten getroffen, ausrief. Aber das bin ja ich!

Noch viel komischer für uns klingt aber eine Erzählung der Frau v. Staël, welche von einem Landaufenthalt im Freundeskreise unmittelbar vor ihrer Verbannung 1804 Folgendes berichtet:

„Wir hatten die Erfindung gemacht, uns nach dem Diner an einen grünen Tisch zu setzen und, statt zu plaudern, uns gegenseitig Briefe zu schreiben. Diese vielfachen, veränderlichen tête-à-tête amüsirten uns so herrlich, daß wir kaum das Aufstehen vom Tisch erwarten konnten, wo wir mit einander sprachen, nur um uns wieder schreiben zu können.

Kamen zufällig Fremde, so standen wir deßhalb von der liebgewordenen Gewohnheit nicht ab, sie mußten mitthun, und unsere „kleine Post“, wie wir sie nannten, ging unaufhaltsam ihren Gang weiter.“

Sie erzählt dann, wie sich die geistreiche Gesellschaft an einem zufällig herein gekommenen dicken Landjunker ergötzte, der zu ihrem Treiben große Augen machte und darauf hin von der liebenswürdigen Madame Recamier sofort mit einem graziösen Billett bedacht wurde, dasselbe aber zurückschob, indem er sich verlegen entschuldigte, „bei Licht nichts Geschriebenes lesen zu können“. Die Billetts der so berühmt schönen und bezaubernden Frau standen freilich anderwärts höher im Preise, und die Gesellschaft hatte wohl Ursache, über eine solche Abweisung Thränen zu lachen.

Bekanntlich hat Frau von Staël ihr „Exil“ an den Ufern des Genfer Sees, im Genuß eines großen Vermögens, nur deßhalb so unerträglich gefunden, weil es sie von dem Reiz jener unermüdlichen Pariser Konversation ausschloß, die heute auch den Geistreichsten mehr Last als Vergnügen sein würde. Diese sitzen heute erholungsbedürftig und voll seliger Andacht im Anschauen derselben wundervollen Seeufer verloren, über welche Frau von Staël unmuthig ausrief: „Ach, wie viel schöner war doch der Rinnstein in der Rue du Bac!“ So ändern sich die Zeiten und Menschen in hundert Jahren. –


Eine Liebesbotschaft. (Mit Illustration S. 25) Zu allen Zeiten haben sich solche Botschaften, wenn sie nicht insgeheim überbracht wurden, sondern den ernsten Zweck der Ehe ins Auge faßten, in irgend ein festliches Gewand gekleidet. So war’s wohl auch in den Zeiten des alten Rom. Unser Bild zeigt uns, wie eine schöne Römerin die Huldigungen entgegennimmt, die ein Aegypter, den man im Hintergrunde des Bildes auf seinem Wagen steht, ihr durch seine Sklavin darbringen läßt. Die stolze, schöngeschmückte Patricierin, umgeben von anmuthigen Gefährtinnen, von denen die eine mit größter Spannung der Entscheidung der Freundin entgegensteht, blickt mit vornehmer Ruhe auf die symbolische Botschaft, einen Korb mit Blumen gefüllt, von denen jede eine bestimmte Bedeutung hat. Doch irren wir nicht, wenn wir annehmen, daß sie zur Erwiederung für diesen Korb keinen andern in Bereitschaft hat.

Ueber Teppichgärtnerei. Die zahlreichen Freunde der schönen Gartenkunst machen wir auf ein treffliches, mit zweckentsprechenden und anmuthenden Illustrationen versehenes Werk aufmerksam. „Die Gartenkunst und Gärten sonst und jetzt“ von H. Jäger (Berlin, Paul Parey). Da kann man das Nähere nachlesen über die Geschichte der Gartenkunst, über chinesische und römische Gärten, über Gärten im französischen und englischen Stil. Der letzte Hauptabschnitt ist den europäischen Gärten der Neuzeit gewidmet und enthält eine Menge durch Bilder erläuterte Schilderungen und treffende Bemerkungen. Ueber die Teppichgärten, die neuerdings so beliebt sind, sagt der Verfasser: „Leider hat das Bestreben nach gärtnerischem Schmuck der Umgebung der Wohnung vielfach zu Geschmacksverirrungen geführt, welche sich besonders als künstliche Teppichgärten darstellen. Nicht daß dieselben an sich selbst unschön genannt werden könnten, denn das sind sie nicht, und vor ansehnlichen Gebäuden sind sie meistens sehr wohl angebracht; es ist nur die Art der Ausführung zu tadeln. Man wendet oft allzu künstliche Figuren an, Blumenstücke mit zahllosen Abtheilungen, eigentliche Mosaikblumenbeete, welche nie zur rechten Geltung kommen können, weil das Material der Blumen nicht dazu geeignet ist. Viele jetzige Gärtner wollen aber aus Blumen und Pflanzen unmögliche Formen darstellen. Einfache, symmetrisch geformte und angeordnete Blumenstücke verfehlen nie einen günstigen Eindruck und wirken mehr als künstliche Mosaikblumenbeete. Die Abtheilungen dürfen nie zu klein und in einander geschoben und verschlungen sein, damit die Farben kräftig wirken können. Diese Einfachheit erleichtert auch die Arbeit des Gärtners und wirkt kräftig in der Ferne. Ein Fortschritt in der Teppichgärtnerei ist die Erfindung der plastischen oder Hügelbeete. Aus einem gewöhnlich runden ebenen Beete erheben sich mehr oder weniger die Flügel als schmale abgerundete Stücke so hoch, daß sie das Gefäß der die Mitte bildenden Pflanze decken. Hierbei kommt Alles darauf an, daß die geeigneten niedrigen Pflanzen in harmonirenden Farben gewählt werden. Blühende Pflanzen sind kaum dabei brauchbar. Solche erhabene Beete, in Teppichgärten vertheilt, vermehren die Abwechslung und verhindern die Eintönigkeit. Leider hat die Einführung dieser plastischen Blumenbeete schon zu schlimmen Geschmacklosigkeiten geführt, am meisten in Nordamerika. Im Southpark in Chicago haben die Gärtner Beete angelegt, welche die Köpfe zweier verstorbener Präsidenten darstellen, ferner Pyramiden von zwei Metern Höhe und ähnliche Dinge. Auch die Italiener haben sich arg vergangen. So sieht man in einer Villa am Comosee eine Gruppe von Teppichbeeten, welche einen Vulkan darstellen sollen, dessen Lavaströme von feuerrothen Pflanzen gebildet werden.“

Zenab. (Mit Illustration S. 28.) Eine arabische Primadonna! Sie kann freilich nicht ihren Ruhm in den Zeitungen lesen, wie die europäischen; aber einem Münchener Maler, Alfred Schüler, der eine Studienreise durch Aegypten macht, ist es gelangen, sie in seinem Atelier zu malen, und so kann auch unser deutsches Publikum diese ägyptische Jenny Lind von Angesicht sehen.

Sie heißt eigentlich Senab Hanim, stammt aus Bulak, einer Vorstadt Kairos, und ist die Tochter eines Pantoffelhändlers. Schon als Kind besaß sie eine schöne Silberstimme und wurde zu allen Feierlichkeiten, Festen und Hochzeiten geladen, um die Gäste durch ihren Gesang zu erfreuen. Als sie eines Tages bei einem solchen Feste ihre Lieder sang, hörte sie die Gemahlin des großen Hassanùn Pascha, die schöne und kunstsinnige Faia Hanim, welche in ihrer Equipage an dem Hause vorüberfuhr, in dem die junge Sängerin sang. Sie ließ die damals noch sehr jugendliche Künstlerin durch ihren Eunuchen ins Harem bringen, beschenkte sie reichlich und sandte sie zu der ehemals berühmten, auch in Europa nicht unbekannten Sängerin Almas, damit diese die Stimme des jungen Mädchens kunstgerecht ausbilde. Bald übertraf sie nach dem Urtheil aller Kenner ihre Lehrerin, und damit sie dem Hofe nahe stehe, wurde sie einem Bey, Amin Bey, vermählt; sie mußte eine Jugendliebe dieser Auszeichnung opfern. Oeffentlich singen darf die hochgestellte Dame jetzt nicht mehr und es geht ihr darin wie manchen europäischen Künstlerinnen, doch sie wird mit Ehren überhäuft, bewohnt ein kleines Palais und erhält die kostbarsten Geschenke aus allen Harems. Sie darf selbst den Titel der hohen arabischen Frauen „Hanim“ führen, den Zusatz das Perlenband verdankt sie ihrer Stimme, deren Töne gleichsam ein Band von Perlen bilden. Die Stimme ist nicht stark, aber überaus lieblich und gut geschult.

Der Gesichtssinn eines Hypnotisirten. Als die Wunder des thierischen Magnetismus gegen das Ende des vorigen und im Anfang dieses Jahrhunderts alle Gemüther in Frankreich beschäftigten, setzte bekanntlich die Pariser Akademie einen hohen Preis für denjenigen aus, welcher durch ein Brett sehen könnte. Das Kunststück hat bis auf den heutigen Tag Niemand fertig gebracht. Aber jetzt, wo der Magnetismus unter der neuen Benennung als Hypnotismus seine Auferstehung feiert, entstand das Gerücht, daß einige junge Leute nahe daran wären, den Preis einzustreichen. In Clermont, so hieß es, gebe es einen Magnetiseur, der mit der sogenannten Gedankenübertragung überraschende Wunder vollbringe. Der Mann pflegte sich vor einige hypnotisirte junge Leute zu setzen, nahm ein Buch zur Hand, schlug es derart auf, daß dem Hypnotisirten nur der Rücken des Buches zugewendet war, dachte sich alsdann einige Zahlen oder Worte, und siehe da! die jungen Leute konnten dieselben lesen. Zwei französische Gelehrte, Bergson und Robinet, machten sich in Folge dessen auf den Weg nach Clermont, und es gelang

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 35. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_035.jpg&oldid=- (Version vom 14.3.2024)