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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Blätter und Blüthen.

Die Faschingszeit ist wieder erschienen und mit ihr treten Maskenscherz und Mummenschanz in ihre alten Rechte. Da darf denn auch der bekannte Possenreißer nicht fehlen, der in früheren Zeiten unter dem Namen Hanswurst die Bühne beherrschte, seit seiner Vertreibung von den weltbedeutenden Brettern aber auf Maskenbällen und bei karnevalistischen Aufzügen sein Wesen treibt – freilich mehr unter der aus dem Französischen stammenden Bezeichnung Harlekin. Der volksthümliche Narr Hans Wurst, der einst in keinem deutschen Theaterstücke fehlte so wenig wie noch heut zu Tage auf Marionettenbühnen der urwüchsige Lustigmacher Kaspar, war für das deutsche Volkstheater dasselbe was Jean Potage für die französische, Pickelhäring fur die holländische, Jack Pudding fur die englische und Maccaroni für die italienische Schaubühne waren und der Umstand, daß überall der Name des Lieblingsgerichtes der verschiedenen Nationen dieser grotesk komischen Figur beigelegt wurde, deutet an, daß man mit solchen an sich schon drollig wirkenden Bezeichnungen auch noch diesem wunderlichen Kauz die Eigenschaft der Gefräßigkeit andichten wollte. In Sebastian Brant’s klassischer Satire: „Das Narrenschiff“ kommt in der Ausgabe von 1519 das Wort Hanswurst zuerst vor und nach ihm wendet Luther 1541 in seiner Streitschrift: „Wider Hans Worst“, die bekanntlich gegen den Herzog von Brannschweig gerichtet war, diese Bezeichnung an. Auf die Bühne gelangte diese Gestalt in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts und hielt sich dort länger als zwei Jahrhunderte, zuletzt freilich nur noch ein kärgliches Dasein bei den herumziehenden kleinen Schauspielertruppen fristend.

Nach einem im Archive zu Stolberg am Harze befindlichen Schriftstück soll der Name von einer bereits um die Mitte des 15. Jahrhunderts in dem Dorfe Görsbach bei Nordhausen lebenden Bauernfamilie „Worst“ herrühren, deren Glieder stattliche Höfe besaßen. Graf Heinrich v. Stolberg verkaufte seinen Schafhof an „seinen lieben Getreuen ehrsamen Hans Worst“, Erbangesessenen zu Görsbach, wo derselbe auch das Amt eines Schultheißen bekleidete. Nichtsdestoweniger war die Familie wegen ihrer Grobheit, Großsprecherei und Rauflust in der ganzen Gegend berüchtigt, der vorgenannte Hans Worst aber noch außerdem wegen seiner scharfen Satire und seines beißenden Witzes gefürchtet. Alle diese Eigenschaften finden sich bei dem gleichnamigen Possenreißer der Schaubühne wieder und es ist daher sehr wahrscheinlich, daß der Ahnherr dieser Gestalt kein anderer als dieser Görsbacher Bauer ist.

Mit der Verfeinerung des Geschmackes, mit der angestrebten Veredelung der dramatischen Kunst begann auch der Feldzug gegen diese Bühnengestalt, aber es war nicht leicht, sie vom Platze zu verdrängen; denn noch immer stand sie hoch in der Volksgunst und selbst Lessing trat zum Schatze für sie ein und vertheidigte ihre Existenzberechtigung. Dennoch mußte sie, nicht zum Nachtheile der deutschen Bühne, endlich weichen und in den Cirkus oder zu Seiltänzern flüchten, wo der Hanswurst auch seinen ehrlichen deutschen Namen ablegte und mit dem englischen „Clown“ vertauschte. Die wichtigste Domäne, aus welcher er wohl niemals vertrieben werden wird, ist aber für den Hanswurst der Maskenball, und die lustige Karnevalszeit kann den ausgelassenen, stets zu tollen Späßen aufgelegten volksthümlichen Burschen nicht entbehren.


Der erste Ball. (Mit Illustration S. 81.) Wenn der kleine Herr im Kostüm einige Scheu zeigt, in der ungewohnten Tracht vor den Zuschauern zu erscheinen, so kann siegesgewisser keine Dame, die den Kindernschuhen längst entwachsen ist, den Freuden eines Maskenballes entgegengehen, als dies Rokokodämchen, welche unser Bild uns zeigt, wie sie bereit ist, in die Equipage, deren Schlag von dem Lakaien geöffnet wird, einzusteigen. Die Erwartung der schönen Dinge, die sie dort sehen wird, spiegelt sich auf ihrem Gesichtchen, aber auch die Freude, bei diesem Fest mitzuwirken und in ihrem schmucken Kostüm neben und vielleicht vor den anderen zu glänzen. Die Mutter und der dienstbare Geist, welche die Kleinen ausgerüstet, sind stolz auf ihr Werk und geben ihnen die besten Wünsche mit auf den Weg; das neugierige Publikum aber, unter welchem der Dienstmann und die alte Frau ein besonders lebhaftes Interesse zeigen, begrüßt diese kleinen Masken mit Bewunderung und Vergnügen: denn man ist ja gewöhnt, daß zu den Fahnen des Karnevals die Erwachsenen schwören; aber der Maskenscherz der Kleinen macht immerhin den Eindruck des Ungewohnten und Befremdlichen.

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Rutschpartie. (Mit Illustration S. 72 und 73.) „Hurrah, die Schule ist aus!“ Wie besessen rennt Hans nach Hause, um Fibel und Rechentafel bei Seite zu legen und den kleinen Schlitten hervorzuholen, den ihm der Weihnachtsmann gebracht. Es glückt ihm, ungesehen ins Haus zu kommen und eben so unbemerkt sich wieder zu entfernen. Und nun eilt Hans der prächtigen Schlittenbahn zu, die vor dem Städtchen draußen am Abhange der Landstraße der munteren Jugend zum Tummelplatze dient. Hei, dort geht’s bereits lustig zu. Die Rutschpartie ist in vollem Gange: der Fritz und der Peter, der Paul und Philipp und viele andere Spielkameraden unseres Hans gleiten mit ihren Miniaturschlitten in lustiger Fahrt die steil abfallende Schneebahn hinab, während einige größere Waghälse auf Schlittschuhen ihr Glück versuchen. O weh – da stoßen plötzlich Georg und Karl mit heftigem Anprall zusammen und fallen von den Schlitten herab! Scheltend und heulend kugeln die Beiden im Schnee. August, der in gleicher Richtung hinterher kommt, gewahrt mit Schrecken das Unheil, in das er voraussichtlich auch verstrickt werden wird. Welches Entsetzen malt sich in seinen Blicken und wie gewaltig strengt sich der kleine Knirps an, um seinen Schlitten von der Unglücksstätte abzulenken! Aber es nützt ihm nichts; er entgeht dem Schicksale nicht, ebenfalls von den kleinen Zuschauerinnen, die sich am Rande der Bahn aufgestellt haben und gar strenge Kritik üben, tüchtig ausgelacht zu werden. August ist übrigens noch immer glücklich daran im Vergleich mit dem armen Hans. Eben erst hat dieser zum dritten Male die Schlittenfahrt mitgemacht: da erscheint unversehens die Mutter und holt ihn heim. Sie hat guten Grund dazu, denn er hat ja seine Schulaufgaben noch nicht gemacht; auch kam der kleine Schlingel gestern von der Schlittenbahn mit zerrissenen Höschen nach Hause und die Mutter hatte lange zu arbeiten, um den Schaden wieder auszubessern. Schaut nur, wie traurig sich Hans davon trollt! Es steht ihm nichts Gutes bevor, da die Mutter gar so heftig hinter ihm her schilt. Die Andern lassen sich durch den Zwischenfall nicht stören, obschon wohl Manchem das Herz klopft in banger Besorgniß, daß auch er heimgeholt werden könnte. Im nächsten Augenblick ist diese Sorge aber wieder vergessen und ohne Zaudern wird die köstliche Schlittenfahrt frohen Muthes fortgesetzt. „Just so habe ich es auch getrieben!“ murmelt der Alte, der lächelnd dem munteren Spiel der Jugend zuschaut und dabei seiner eigenen Kindheit gedenkt; „freilich – lang, lang ist’s her,“ setzt er seufzend hinzu.

W. W.     


Professor Oskar Pletsch †. Der ausgezeichnete Kindermaler, der unserem Blatte mehrfach einige seiner in der kleinen und großen Welt epochemachenden Zeichnungen zugewendet, ist leider in seinem Daheim in Niederlößnitz am 12. Januar im siebenundfünfzigsten Lebensjahre gestorben. Wir verweisen auf die Lebensbeschreibung und Würdigung seiner künstlerischen Leistungen, die wir in Nr. 47 des Jahrganges 1884 unseres Blattes brachten. Die Naturwahrheit und Grazie seiner Zeichnungen verbürgen ihnen ein längeres Leben, als vielen jener bunten Jahrmarktsbilder aus dem Leben der Kindheit, die zum Theil blendender wirken, denen aber der feine Duft fehlt, der die Kinderbilder des dahingegangenen Meisters umschwebt.

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Skat-Aufgabe Nr. 2.
Von K. Buhle.
Vorhand und Hinterhand passen. Mittelhand meldet Eichelsolo an und nach dem ersten Stiche:
Vorhand: Mittelhand: Hinterhand:

(c. K.)

(c. Z.)

(tr. Z.)

hat der Gegner in Hinterhand noch folgende Karten:

(tr. K.)

(p. As.)

(p. D.)

(p. 9.)

(p. 8.)

(car. As.)

(car. D.)

(car. 9.)

(car. 8.)

Spielt derselbe jetzt gD (p. As) an, so wird der Spieler Schneider; denn die Gegner erhalten 90 Augen; spielt er dagegen das sD (car. As) an so gewinnt der Spieler und erhalten die Gegner höchstens 56 Augen. Wie sitzen die Karten? Wie ist der Gang des Spieles?


Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 1 auf S. 36:
Der Spieler hatte g7 und e7 gedrückt, die übrigen Karten sind so vertheilt:
Vorhand: sD, eK, eO, e9, e8, gZ, gK, gO, g9, g8.
Hinterhand: sZ, sK, sO, s9, rZ, rK, rO, r9, r8, r7.
Der Gang des Spieles war so:
1. gZ, gD, sZ (—31)
2. rZ, sD, rD (—32)
3. eK, eD, sK (—19.)


Auflösungen zu der kombinirten Damen- und Springer-Augabe auf S. 68:
Mit Rücksicht auf den Raum können wir zu jeder der sub a) bis g) verlangten Positionen nur je 1 Beispiel geben:

a) D a 1, b 7, c 6, g 3. — S d 2.
b) D a 1, b 3, f 8, h 2. — S c 6, e 4.
c) D a 1, b 6, g 8, h 2. — S d 3, e 4, f 5.
d) D c 1, d 4, e 2, g 3. — S a 8, b 7, f 7, f 8.
e) D b 1, e 3, g 4, h 2. — S a 5, a 6, a 8, d 7, f 8.
f) D b 2, d 1, f 4, h 3. — S a 5, a 6, a 7, a 8, e 7, e 8.
g) D b 3, c 1, f 2, g 4. — S a 6, a 8, d 8, e 7, e 8, h 7, h 8.


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)


Th. S. in Berlin. Die auf S. 722 des Jahrganges 1887 der „Gartenlaube“ besprochene Karte des Schlaraffenlandes ist älter als die im Seutter’schen Atlas. Sie dürfte um 1700 entstanden sein und ist wahrscheinlich Nürnberger Ursprungs. Aber auch die Nürnberger Karte ist nicht Original, sondern, wie der Charakter der figürlichen Darstellungen beweist, welche den Titel der Karte umgeben und die anders wie die auf der Seutter’schen Karte sind – Kopie einer niederländischen Karte. Letztere dürfte sich wegen ihrer originellen Idee solchen Beifalles erfreut haben, daß jeder deutsche Landkartenstecher, der dieselbe in die Hand bekam, sie unverweilt und, nach der damaligen Sitte, ohne sich irgend welche Skrupel zu machen, nachstach, da das germanische Museum auch noch ein drittes deutsches Exemplar besitzt, das von dem Nürnberger und Augsburger abweicht und von einer anderen Platte gedruckt ist.

M. N. in Darmstadt. Die betreffenden Mittel gehören gleichfalls zu den schwindelhaften Geheimmitteln.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_084.jpg&oldid=- (Version vom 19.2.2017)