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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Die Reichshauptstadt beim Tode des Kaisers.

Am achten März.

Düster brach der 8. März 1888 an. Es war, als ob die Natur den Menschen den Schicksalsschlag vorher verkünden wollte, der das deutsche Volk bedrohte.

Unsichtbar schwebte der Todesgenius über dem kaiserlichen Hause in Berlin, um das Maß der Prüfung voll zu machen. Schon seit Tagen wehte dort halbmast die Standarte, als Zeichen der Trauer um den frühzeitig verschiedenen kaiserlichen Enkel Prinz Ludwig von Baden, und jetzt rang dort mit dem Tode der größte Herrscher unserer Zeit, der Heldenkaiser. Und wie die Wagschale des Lebens stieg und sank, so wogten Freude und Trauer durch die Kaiserstadt und die weiten deutschen Lande.

Wer an jenem Tage mit dem Schnellzuge der Hauptstadt des Reiches entgegenstrebte, der konnte jenes Hangen und Bangen, Hoffen und Trauern von Stadt zu Stadt verfolgen. Hier das dunkle Gerücht. „Der Kaiser soll gestorben sein!“ Auf der nächsten Station keine Nachricht; aber dort und dort hat man in allen Kirchen von 8 bis 9 Uhr läuten lassen. Dann wieder: „Es ist nicht wahr; es geht dem Kaiser besser!“

Endlich hält der Zug in der Hauptstadt. Der Kaiser „Er soll leben,“ lautet die Antwort des Bahnbeamten. „Die Todesnachricht ist dementirt worden,“ entgegnet der Droschkenkutscher. Er lebt! jubelt Berlin; sie war falsch, die Nachricht der Extrablätter, welche konfiscirt wurden.

Versuchen wir im nachstehenden jenen düstern Tag in Berlin zu schildern, die Eindrücke wiederzugeben, die schnell auf einander folgten. Ein besonders geräuschvolles und wechselndes Hin und Her entwickelte sich bereits

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_173.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)