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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Blätter und Blüthen.


Nach San Remo. Unter diesem Titel hat die Verlagshandlung von Oesterwitz in Spandau „Grüße deutscher Dichter an unsern Kronprinzen“, den jetzigen Kaiser Friedrich, gesammelt: es sind die namhaftesten deutschen Lyriker, welche dem schwergeprüften Fürsten diese Grüße in die Riviera sandten. Und welche verschiedenartigen Klänge schlägt hier die Begeisterung für ihn an: es finden sich schwerwiegende Bilder aus deutscher und griechischer Mythologie: hier wird er mit dem verwundeten Philoktet verglichen, dem am lemnischen Gestade die Wunde heilt; dort will ihn der tückische Loki verderben. Gerhard von Amyntor beginnt seinen altnordischen Gesang mit den Versen:

„Einst herrschte im nordischen Riesenland
Ein greiser Recke mit mächtiger Hand.
Prinz Edel stand, sein einziger Sohn,
Ein zweiter Baldur, zunächst dem Thron;
Und Vater und Sohn, sie wurden gleich
Geliebt und bewundert im ganzen Reich.
Wo der Greis sich zeigte, da jauchzten im Chor
Die Riesen, man hielt die Kindlein empor;
Der Gruß des Sohnes war Sonnenschein
und schmeichelte sich in die Herzen hinein.“

Darüber ergrimmt Loki im bitteren Neid und sinnt das Verderben des Prinzen Edel. Nachdem er von den Nornen nichts erfahren, was seinen Wünschen entspricht, wendet er sich an ein altes Weib, das ihm Giftkörner giebt, die er dem Prinzen in den Born wirft. Da gesellt sich diesem das Leid, aber in Liebe erglühen alle Herzen für ihn, von Freias Hand gerührt, und Loki erkennt, daß er solcher Liebe nicht zu trotzen vermag, und daß er dem Königssohn nur Heil brachte.

Die meisten dieser Gedichte haben nicht solche epische Breite: sie sind zum großen Theil kurzathmig, leichtgeflügelt. Georg Ebers widmet dem Kronprinzen seine Dichtung „Elifen“:

„Was unter Schmerz beschlossen,
Gesungen und gedacht:
Dem hohen Leidgenossen,
Ihm sei es dargebracht.

Und lässest du, mein Singen,
Am Pfade, den er zieht,
Ein Röslein nur entspringen,
Dann sei gesegnet, Lied!“

In Carmen Sylva’s Gedicht finden sich die folgenden Strophen:

„Dem Güte strahlt aus Augenblau,
Dem jedes Wort wie frischer Thau
Vom Herzen quillt!
Der soll vergehn?
Gott, laß es nicht geschehn!

Die Stirne hoch in Völkerschlacht,
Klaglos der Mund in Schmerzensnacht,
Im Lebenskampf
Soll er voran,
Gott, auf dem heißen Plan.“

Viktor Blüthgen sendet eine Botschaft nach San Remo mit den Schlußversen:

„Blüht, o Veilchen, von San Remo,
Tulpen, Krokus, Hyazinthen –
Frühlingsdüfte, Frühlingskräfte,
Schmeichelt seine Leiden fort!

Nimm den Fluch von dir, ein Giftkelch
Deutschem Kaiserblut zu heißen!
Sühne dich, mach’ ihn genesen,
Sonnenland Italia!“

Felix Dahn richtet an den Prinzen die folgenden Verse:

„Wie schwer Du littest auch in langen Tagen –
Der Schmerz hat eine Goldfrucht Dir getragen:
Auf Deines Glückes sonnenhellen Bahnen,
Die ganze Fülle konntest Du nicht ahnen
Der heißen Liebe, welche, tief bewegt
Von Dank und Hoffnung, treu Dein Volk Dir trägt.
Ja Dank für alles, was Du uns geschaffen,
Im Frieden wie im eh’rnen Werk der Waffen –
Und Hoffnung: denn es ruft Dein Volk Dir Zu,
Rings dunkle Sturmnacht – unser Stern bist Du!
Es muß Dir wohltun, Herr, in aller Pein,
So überwältigend geliebt zu sein.“

Rudolf Baumbach schlägt wie immer mit Glück volkstümliche Klänge an in seinen kurzgeschürzten Strophen. Er läßt dem Kaiser die Kunde bringen, daß der Kronprinz für immer der Stimme hellen Klang verloren habe.

„Der Kaiser spricht ergeben:
Du, Herr, bist über mir.
Laß mir den Sohn am Leben,
Des Thrones künft’ge Zier!

Und bleibt der Fritz auch heiser,
Drum wankt das Reich noch nicht.
Man hört den deutschen Kaiser,
Auch wenn er leise spricht.“

Und so nach ihrer Eigenart feiern unsere Lyriker in mannigfachen Weisen den Kaisersohn. Jetzt aber gehören diese Elegien, die nach San Remo wanderten, bereits der Vergangenheit an, und mit vollerem Klang muß die deutsche Dichtung jetzt in die Saiten greifen, um den in das Vaterland zurückgekehrten Kaiser zu feiern. †      

Ernst Scherenberg’s „Kaiser Wilhelm I.“ Ueber eine weltgeschichtliche Persönlichkeit wie Kaiser Wilhelm steht gewiß eine Reihe von Biographien in Aussicht und der hochgefeierte Kaiser wird auch seinen Ranke finden, der sein Kabinetsbild hineinzeichnet in die geheimsten politischen Bewegungen und Beziehungen des Jahrhunderts und sein Leben darstellt im engsten Zusammenhang mit der ganzen Geschichte der Zeit, deren glanzvollen Mittelpunkt er bildet.

Was aber der Augenblick verlangt, das ist ein mit warmer Begeisterung geschriebenes Lebensbild des gefeierten Monarchen, nach dessen Tod in allen Zonen der Erde die Trauerfahnen wehten, und mit einem solchen erscheint als einer der ersten auf dem Plan Ernst Scherenberg mit seinem Gedenkbuche für das deutsche Volk. „Kaiser Wilhelm I.“ (Leipzig, Ernst Keil’s Nachfolger). Dies eben erschienene Werk, aus dem wir unsern Lesern bereits einige Proben mitgetheilt haben, begleitet den Kaiser von seiner glücklichen Jugendzeit durch seine frühen Leidensjahre, durch die Zeit der Befreiungskriege bis in seine Mannesjahre, bis zur Zeit, wo er Prinz von Preußen, dann Prinzregent geworden, während die vier letzten Abschnitte ihn als König von Preußen, als Oberhaupt des norddeutschen Bundes, als deutschen Bundesfeldherrn und deutschen Kaiser schildern.

Der beliebte Dichter hat es nicht verschmäht, auch mit schwunghaften lyrischen Arabesken die einzelnen Kapitel seiner Lebensbeschreibung auszustatten. Und dieser Schmuck paßt zu dem ganzen Ton des Werkes, das sich an das Volk wendet, aber bei aller Herzenswärme von schwülstigen Auswüchsen durchaus freihält. Schlichte Wahrheitsliebe und verständnißvolle Darstellungsweise machen das Buch zu einem wahren Volksbuche. †      

Eine bevorstehende Wohnungsnoth. In dem Spielzimmer meiner Kinder hängt eine farbige Wandtafel; in bunter Gruppirung ist auf derselben ein halbes Hundert unserer heimischen Vögel naturgetreu abgebildet, und darunter steht die Unterschrift: „Der Schule und dem Hause gewidmet vom Deutschen Vereine zum Schutze der Vogelwelt.“ Ich möchte jener Tafel, welche Prof. A. Döring im Auftrage des genannten Vereins gemalt hat, die weiteste Verbreitung wünschen; denn durch die ständige Betrachtung derselben wird unwillkürlich bei Jung und Alt das Interesse für die Vogelwelt erregt, welche so viele nicht beachten, weil sie dieselbe nicht kennen. Und unsere heimischen Vögel bedürfen in der That einer warmen Theilnahme, einer Förderung ihrer Interessen, die sich in den Rahmen des gesetzlichen Schutzes nicht einfügen und nur durch freiwillige Mitwirkung möglichst vieler Vogelfreunde erreichen läßt. Ich möchte heute nur ein Beispiel anfähren. Die leichtbeschwingten Wesen sind manchen Fährnissen ausgesetzt, die der oberflächliche Beobachter des Thierlebens kaum vermuthet; und wie sonderbar es klingen mag, ein Theil von ihnen leidet sogar empfindlich – an Wohnungsnoth. Dies scheint nicht im Einklang mit der landläufigen Ansicht von der Leichtigkeit, mit der ein Vogel sein Nest baut, zu stehen; es wird uns aber leicht verständlich, wenn wir eine große Abteilung von Vögeln, die Höhlenbrüter, einer besonderen Betrachtung unterwerfen. Zu ihnen zählen sehr nützliche und liebe Geschöpfe, wie die Staare, die Meisen, die Kleiber, die Segler, die grauen Fliegenschnäpper, die Hausrothschwänzchen etc., für die wir bei dem weiten Leserkreise der „Gartenlaube“ ein fürbittendes Wort einlegen möchten.

Früher, wo wir unser Land noch nicht zu so hoher Kultur gebracht hatten, war bei den Höhlenbrütern von Wohnungsnot keine Rede. Die Wälder bargen noch eine Menge alter morscher Baumriesen mit vielen Höhlen und Löchern, alte Weiden spiegelten sich in den Gewässern, alte Birnbäume standen auf den Aeckern und hier und dort wucherten wilde altersgraue Feldhecken. In diesen Trümmern der Pflanzenwelt nistete und siedelte die Vogelbrut mit lautem und frohem Gezwitscher.

Wir haben diese alte Romantik von unsern Wäldern und Feldern entfernt und damit die Höhlenbrüter aus der Nähe menschlicher Wohnungen in entlegene Winkel vertrieben. Um sie wieder heranzulocken, können wir natürlich unsere Wald- und Gartenwirthschaft nicht abändern, aber wir sind wohl im Stande, die Geschädigten durch Anlage neuer billiger Wohnungen zu entschädigen. Dieser Zweck wird durch Aufhängen von Nistkästen erreicht. Die Vogelschutzvereine haben das Interesse für diese Thätigkeit wachgerufen, und instinktiv folgt eine große Zahl der Landsleute dem Vorgang ihrer Nachbarn. Es wäre zu wünschen, daß der Sport des Aufhängens der Nistkästen eine noch größere Ausdehnung annehme, aber dabei muß auch dafür Sorge getragen werden, daß die geringfügige Arbeit zweckmäßig verrichtet wird. Man muß den Gewohnheiten und Bedürfnissen des Vogels gerecht werden, wenn er an unsere Nähe gefesselt werden soll. Hängen wir z. B. Nistkästen auf und verwahren sie nicht genügend mit Dornen, so fallen die Vogel sehr leicht den Katzen und anderen Raubtieren zum Opfer und wir dürfen uns nicht wundern, daß diese schlechten Wohnungen leer stehen bleiben. Bauen wir für die Meisen ein Häuschen und machen darin das Flugloch zu klein, so können wir erleben, daß die Meisen fortbleiben, aber Bienen und Hummeln sich in ihm ansiedeln. Freilich hat nicht jeder, der gern den Vögeln dienen möchte, Zeit und Muße, die Lebensgewohnheiten einzelner Thierarten zu studiren. Aber das braucht er auch nicht. Auch auf diesem Gebiete menschlicher Thätigkeit giebt es eine Arbeitstheilung, und er kann sich bei Naturforschern Rath holen. Theuer ist der Rath keineswegs. Die Gesellschaft von Freunden der Naturwissenschaften in Gera hat z. B. unter dem Titel „Winke betreffend das Aufhängen der Nistkästen für Vögel“ ein Büchlein von Professor Dr. K. Th. Liebe herausgegeben, das für den winzigen Preis von 20 Pfennig von der Verlagsbuchhandlung Theodor Hofmann in Gera zu beziehen ist und in dem die nöthigen Mitteilungen in einer sehr klaren und anziehenden Weise gegeben sind. Wer keine Zeit hat, selbst die Nistkästen, wie sie sein sollen, zu bauen, für den hat

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