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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Blätter und Blüthen.

Rudolf Falb. Unsere Leser wird es gewiß interessiren, das Porträt Falbs kennen zu lernen, welcher durch seine Erdbebentheorie die allgemeine Aufmerksamkeit aus sich gelenkt hat und der in einem Artikel (vergl. S. 244) dieser Nummer seine Ansichten auch vor den Lesern der „Gartenlaube“ erörtert. Wir fügen dem Porträt noch einige biographische Daten bei. Rudolf Falb wurde am 13. April 1838 zu Obdach in Steiermark geboren; er studirte in Graz Theologie und wirkte zwei Jahre als katholischer Geistlicher. Später wandte er sich anderen Studien zu, namentlich der Mathematik, Physik und Astronomie. Im Jahre 1868 gründete er die populäre astronomische Zeitschrift „Sirius“ und veröffentlichte im Jahre 1870 seine „Grundzüge zu einer Theorie der Erdbeben und Vulkanausbrüche“. Nach einem längeren Aufenthalt in Wien, wo er am Polytechnikum Geologie studirte, begab sich Falb auf Reisen und widmete sich namentlich in Südamerika vulkanischen und archäologischen Forschungen. Die Resultate der letzteren legte er in den Werken „Das Land der Inka in seiner Bedeutung für die Urgeschichte der Sprache und der Schrift“ und „Die Andessprachen“ nieder. Abgesehen von seiner Erdbebentheorie ist Falb auch durch seine Ansichten über den Einfluß des Mondes auf die Witterung bekannt geworden. „Wetterbriefe“ und „Das Wetter und der Mond“ sind die Titel zweier Schriften, in welchen er diese Fragen behandelt hat. Falb, der in den siebziger Jahren zur protestantischen Kirche übergetreten war, lebt augenblicklich mit seiner Familie in Leipzig. Zur Verbreitung seiner Anschauungen hat er auch sehr viel durch die volksthümlichen Vorträge beigetragen, die er in vielen Städten gehalten hat.

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Rudolf Falb.

Die Benediktinerabtei Alpirsbach. (Mit Illustration S. 245) Weit oben an dem nördlichsten Quellstrang der Kinzig liegt in tiefer Waldeinsamkeit, umgeben von schönen grünen Hügeln, aus denen rundliche Granitfelsen vorschauen, und durchrauscht von dem forellenreichen klaren Bergwasser des noch jungen Flüßchens die merkwürdige ehemalige Benediktinerabtei Alpirsbach, eine Stiftung der Hohenzollern.

Rotmann von Hausen, Adalbert von Zollern und Graf Alwig von Sulz beschlossen, hier auf eigenem Grund und Boden ein Kloster für Mönche zu bauen, die der Regel des heiligen Benedikt folgten. Um das Jahr 1100 stand schon die große Klosterkirche, die heute noch steht. Die ursprüngliche Anlage ist fast noch unberührt erhalten. Es ist eine große dreischiffige Säulenbasilika mit Vorhalle, Querschiff und drei halbrunden, jetzt gothisch veränderten Chören im Osten. Am Ostende des nördlichen Seitenschiffes steht ein hoher Thurm, so daß, von Osten her gesehen, die Kirche einen höchst malerischen Anblick bietet. Ueberwältigend aber ist der Eindruck, wenn man durch die mit weiten lichten Rundbögen sich öffnende einfach gehaltene Vorhalle hineintritt in das Innere: schwere, starke, mit den Schäften je aus einem Buntsandsteinblock gearbeitete Säulen tragen auf ihren Würfelknäufen die Rundbögen, auf denen das gegen 70 Fuß hoch aufsteigende, 30 Fuß breite Mittelschiff ruht. Die Nebenschiffe sind halb so hoch und halb so breit. Flache Holzbalkendecken überspannen alle Räume; aus mäßig großen Rundbogenfenstern strömt eine Fülle von Licht, besonders ins Hochschiff. Die Schlichtheit aller Formen läßt den Einklang der Verhältnisse ganz klar erkennen. Dazu kommt noch der mildrothe Ton des Schwarzwaldsandsteines in den unteren, eine stil- und maßvolle Bemalung in den oberen Theilen.

An die Langseite der Kirche stößt südlich das längst verlassene Kloster, halbverfallen und theilweise in Privathänden - aber reizend ziehen sich noch die mit reichen Netzgewölben überspannten Hallen des großen spätgothischen Kreuzgangs hin; auch der Kapitelsaal, aus der Zeit der Gründung stammend, ist noch erhalten. Oben läuft in Schutt und Trümmern das ehemalige Dorment mit den früheren Zellen der Mönche hin. Hart an der Kirche steht die große Sakristei, ein prächtiges Werk aus dem Beginn des 13. Jahrhunderts, mit herrlich schlanken Säulenbündeln, auf denen kelchförmige Blätterkapitäle die stolzen Rippenkreuzgewölbe tragen.

Die Geschichte des Klosters weicht nicht ab von der gewöhnlichen der anderen. Erst große Blüthe, dann meist ein merkliches Sinken, besonders im 15. Jahrhundert.

Im Herbst 1885 wurde mir das hohe Glück zu Theil, den damaligen Kronprinzen des Deutschen Reichs, jetzigen Kaiser, auf seinem Gang durch die Hallen der von seinen Ahnen gegründeten Abtei zu begleiten.

An das Hauptportal im Westen, das noch durch die alte, mit Metallornamenten beschlagene Thür verschlossen wird, ließ der Kronprinz eine Leiter anlegen und stieg hinauf zu dem so merkwürdigen Relief, das sich im großen halbrunden Bogenfelde, über dem eigentlichen Eingang, befindet und in die Zeit der Gründung zurückreicht. Man sieht hier Christus als Weltheiland jugendlich dargestellt; er sitzt in dem mandelförmigen Heiligenschein auf dem Regenbogen, segnend mit der Rechten, in der andern Hand das Buch des Evangeliums auf das Knie stützend. Zwei herschwebende Engel mit langen Flügeln halten den großen Heiligenschein. Unten knieen zwei kleinere Gestalten: links vom Beschauer ein Mann in Klostertracht, rechts eine Frau in der Laientracht damaliger Zeit. Jener Mann ist wahrscheinlich Adalbert von Zollern, der Hauptstifter der Abtei, die Frau seine Gemahlin. Urkundlich ist bezeugt, daß Adalbert schon im Jahre 1101 im Kloster Alpirsbach Mönch geworden ist, ohne Zweifel nach dem Tode seiner Gemahlin.

Die Arbeit dieses Reliefs zeichnet sich aus durch feine zarte Ausführung, die Bewegungen der Gestalten sind ernst und feierlich, die Gewänder ganz fein gefältelt, das Ganze trefflich in den halbrunden Rahmen hineingepaßt. Eine andere, aber viel rohere Bildhauerarbeit, jetzt in der nahen Stadt Freudenstadt, ein alterthümlicher Taufstein mit Figuren, soll gleichfalls aus dem Kloster stammen. Es sind Darstellungen, die noch an die heidnische Zeit der Deutschen gemahnen.

Eduard Paulus. 


Selig entschlafen. (Mit Illustration S. 252 und 253.) Den Lesern unseres Blattes ist aus vielen Zeichnungen das hervorragende Talent Wilhelm Krays bekannt. Wir bringen hier sein Gedenkblatt auf den Tod des Kaisers Wilhelm zum Abdruck, welches in der Verlagsanstalt von Bruckmann in München erschienen ist. Es athmet den idealen Schwung, durch den sich die Bilder des gefeierten Künstlers auszeichnen. Der Kaiser, von Hermelin und langer Sammetdecke umhüllt, die Hände gefaltet, ruht auf seinem Ruhekissen; die anmuthigen Engel tragen ihn der himmlischen Heimath zu, aus der ein Sonnenstrahl herniederfällt und die Gruppe verklärt, die dem Künstler vorzüglich gelungen ist und in deren Darstellung er seine ganze Eigenart bewähren konnte.[1]

 


Die deutsch-ostafrikanische Gesellschaft hat den zehn Kilometer breiten Küstenstreifen vor dem deutschen Gebiete jetzt gewonnen, welcher im Londoner Vertrage noch dem Sultan von Sansibar vorbehalten war, jetzt aber durch einen Vertrag mit diesem an die Gesellschaft übergegangen ist, und zwar noch unter günstigeren Bedingungen als diejenigen sind, welche die Engländer für ihre weiter nördlich gelegenen Küstenstriche erreicht haben. Der Vertrag ist auf 50 Jahre abgeschlossen, kann aber auch dann nur mit Zustimmung beider Kontrahenten gekündigt werden. Die deutsche Kolonie hat damit einen sehr wichtigen Erwerb gemacht, denn der Besitz der Seeküste ist für sie eine Lebensfrage. Bisher hatte sie nur zwei Freihäfen, Pangani und Dar-es-Salaam, in denen sie das Zollrecht besaß, doch diese waren bei weitem nicht ausreichend für die Bedürfnisse der Aus- und Einfuhr und der Sultan konnte den Karawanenverkehr nach dem Innern bei Zwistigkeiten mit den Deutschen über andere Hafenplätze leiten, so daß das Zollrecht in jenen ganz werthlos wurde; jetzt besitzt sie dasselbe in zwölf Häfen, welche den Verkehr vermitteln. Uebrigens wollen jetzt die Engländer von Mombas aus durch das Gebiet des Kilimandscharo eine Eisenbahn nach dem Binnensee, dem Viktoria Njansa, bauen und zwar wahrscheinlich südlich um das Hochgebirge herum, so daß die Bahn auch durch deutsches Gebiet führen und die deutsche Gesellschaft Anteil haben würde an den Zolleinnahmen der Bahn. Nach diesen neuesten Mittheilungen, welche Dr. Peters bei seiner setzigen Anwesenheit in Deutschland gemacht hat, sind für das Gedeihen unserer Kolonie in Ostafrika die erfreulichsten Aussichten vorhanden.

 


Der Harzer Kanarienvogel. Die Reinzucht von Thieren hat erstaunliche Resultate erzielt. Glänzenden Erfolg weisen die Andreasberger Kanarienvogelzüchter durch standhafte Reinzucht des sogenannten Harzer Kanariensängers auf. Es ist sehr interessant, diese durch langen Zeitraum mit mühevoller Sorgfalt aufs feinste herausgebildeten Leistungen des Vogels zu studiren. Wir erwähnen in der demnächst scheinenden zweiten Auflage unserer „Thiere der Heimath“, welche C. F. Deikers Meisterhand mit Aquarellen geziert hat, daß der Harzer Kanarienhahn ersten Ranges berufen sei, mit der Nachtigall um den Rang zu streiten, wobei wir natürlich eingedenk bleiben des urwüchsigen Schlags des

  1. Das Kunstblatt ist in fünf verschiedenen Größen zum Preise von 1 bis 12 Mark in jeder Kunst- und Buchhandlung vorräthig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 259. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_259.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)