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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

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Das Eulenhaus.
Hinterlassener Roman von E. Marlitt.      Vollendet von W. Heimburg.
(Fortsetzung.)

In wenig Sekunden hatte sich die bewegte Schar um die Tische gruppirt; ein breiter glitzernder Strom von Jugend, Schönheit und Pracht quoll aus der Halle, wo die Herzogin unter einem Purpurbaldachin an der Tafel neben ihrem jungen Kavalier präsidirte, bis in den Garten hinaus. Man saß auf den teppichbelegten Treppenstufen im bläulichen Mondlicht, unter den Linden im röthlichen Schein der Laternen, und dazu die schwüle duftige Sommernacht, die weiche Musik.

Der Herzog wandte sich mit Claudine dem Garten zu und deutete auf das Dunkel der Linden. „Es ist schwül hier in der Halle,“ erklärte er. Auf den Stufen der Treppe blieb er stehen und blickte in das von peinvoller Verwirrung unsagbar liebliche Mädchengesicht.

„Um Gotteswillen, gnädiges Fräulein, “ sagte er erschreckt und mitleidig, „was glauben Sie –? Ich bin weder ein Räuber noch ein Bettler, und – Sie haben mein Wort. Mißgönnen Sie mir doch diese harmlose Freude nicht!“

Sie ging mechanisch neben ihm die Treppe hinunter zu einem der kleinen Tische unter den Linden, der nur vier Kouverts trug. Ihre lange rosa Schleppe lag noch im silbernen Mondlicht auf dem Rasen, ihren Aufenthalt verrathend, sie selbst stand im Dunkeln hinter ihrem Stuhle, hoch aufgerichtet jetzt.

„Eh!“ rief der Herzog plötzlich, „Gerold, hier ist noch Platz!“

Der Baron war mit seiner Dame, der jungen harmlosen Frau des Landraths von N., die Stufen herabgeschritten; es lag eine qualvolle Unruhe über seinem Wesen. Er kam im völligen Sturmschritt auf den Tisch des Herzogs zu; die niedliche Frau an seiner Seite, in perlendurchwirkter grüner Gaze mit Wasserrosen im Haar, vermochte kaum ihm zu folgen.

„Hoheit haben befohlen,“ sprach er.

Es war, als hole er tief Athem, während er seiner Dame den Stuhl hielt, als sie Platz nahm. Und er winkte dem Diener, der die Platte mit Speisen trug.

Der kleinen Prinzeß war Herr von Palmer durch das Los zugefallen. Sie saß in der Halle an der Tafel Ihrer Hoheit, ebenso Prinzessin Thekla. Die Herzogin konnte von ihrem Platz aus den Tisch erblicken, an dem ihr Gemahl soupirte; die Gestalten der vier Personen waren wie in ein Rembrandtsches clair-obscur getaucht. Sie ergriff verschiedentlich den Champagnerkelch und trank dem Herzog zu. Baron Lothar erhob sich einmal, trat auf die Treppe und brachte das Hoch auf die Hoheiten aus. Der Herzog ließ die Damen leben. Die Augen der Prinzeß Helene hingen mit wahrhaft dämonischem Ausdruck an jenem Tisch dort unten im Garten; man schien sehr heiter dort, das sonore Lachen des Herzogs scholl deutlich in ihr Ohr. Zuweilen wandte sie das bleiche Gesicht mit den funkelnden Augen nach


Thüringer Bauernfrau.
Nach dem Oelgemälde von Prof. Anton Weber.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_277.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2021)