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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

durch solche forcirte Bewegung wiederholt heftigste Anfälle von Uebermüdungssymptomen des Herzens, Athemnoth, ja auch plötzliche Todesfälle eintreten sehen. Welche Art von Bewegung und Arbeit für den Fettleibigen die zweckentsprechende ist, dies vermag nur in jedem einzelnen Falle beurtheilt zu werden.

Der Mahnung, mäßig zu essen und angemessen sich zu bewegen, schließt sich als dritte diätetische Vorschrift die der Enthaltsamkeit bezüglich der Dauer des Schlafens an. Im Schlafe ist der Stoffumsatz herabgesetzt, besonders die Kohlensäureproduktion vermindert und dadurch der Umsatz des Fettes ein geringerer. Eine längere Dauer des Schlafes vermag bei gleichbleibender Nahrung den Ansatz von Fett im Körper wesentlich zu fördern, während umgekehrt Verkürzung der Schlafenszeit den Fettumsatz steigert. Es ist darum gerechtfertigt, den Fettleibigen die Zeit des Schlafes auf täglich sieben Stunden zu beschränken und namentlich das Schlafen am Tage, besonders nach der Mahlzeit strenge zu verbieten. Um diese Neigung zum Schlafe, welche bei manchen Fettleibigen nach dem Essen ganz unüberwindlich scheint, zu bekämpfen, ist es zuweilen räthlich, daß nach jeder Mahlzeit sogleich eine tüchtige Fußtour vorgenommen werde. Das Schlafzimmer soll sehr geräumig und tagsüber sorgfältig gelüftet sein, damit der Fettleibige auch des Nachts eine möglichst sauerstoffreiche Luft einathme.

Hier sei es gleich betont, wie überaus wichtig überhaupt für Fettleibige der Genuß einer reinen, frischen, sauerstoffreichen Luft, besonders also der Aufenthalt in waldiger hochgelegener Gegend ist. Die sauerstoffreiche Luft regt die Lungen zu stärkerer Gymnastik an und befördert dadurch den Stoffumsatz. Die kühle dünne Höhenluft veranlaßt häufigere und ausgiebigere Athemzüge als die dicke, erschlaffende warme Luft der Ebene. Zum Gebrauche einer Luftkur empfehlen sich daher für Fettleibige mittelhoch gelegene Gegenden, welche gegen heftige Winde geschützt sind und gut gepflegte, mannigfache Spazierwege vom ebenen Boden zu den Bergen bieten.

Zu den diätetischen Entfettungsmitteln gehören auch die den Stoffwechsel anregenden Bäder, und zwar besonders die mächtig hautreizenden Bäderarten, mäßig warme (26° R.) Bäder mit Zusatz von Soda oder Kochsalz (2 Kilo auf das Bad), kalte Bäder und Douchen, sowie Dampfbäder und römisch-irische Bäder. Da es erwiesen ist, daß durch wärmeentziehende Maßnahmen eine vermehrte Wärmeproduktion im Körper auf Kosten stickstofffreier Körperbestandtheile, also vorwaltend des Fettes stattfindet, so lege ich ein großes Gewicht auf Durchführung kalter Abreibungen, am liebsten des Abends vor dem Schlafengehen. Am mächtigsten wirkt auf Steigerung der Fettverbrennung die intensive Schweißerregung durch Dampfbäder und heiße Luftbäder. Ich fand durchschnittlich nach solchen Bädern eine Abnahme des Körpergewichtes um 400 Gramm nach jedem Bade. Allein es ist sogleich hinzuzufügen, daß die Anwendung der Dampfbäder und heißen Luftbäder bei Fettleibigkeit die höchste Vorsicht erfordert und nur dort zu gestatten ist, wo die Herzthätigkeit normal von Statten geht und die Blutgefäße noch keine Verknöcherung nachweisen. Im Gegenfalle können schlimme Folgen, zuweilen auch plötzlicher Tod durch Hirnschlagfluß oder Herzlähmung eintreten. Ich muß es als sträflichen Leichtsinn bezeichnen, wenn Fettleibige ohne ärztliche Erlaubniß, wie dies nur allzu oft geschieht, Dampfbäder nehmen.

Die von mir empfohlene diätetische Entfettungsmethode gestaltet sich bei noch kräftigen Fettleibigen im allgemeinen (die Details richten sich, wie bereits erwähnt, nach der Individualität) etwa folgendermaßen.

Früh zeitlich, im Sommer um 5 Uhr, im Winter um 6 Uhr: Trinken von 1 Glas (¼ Liter) kaltem Wasser oder Selterswasser, dann 1 Stunde spazierengehen. Hernach Frühstück: eine Tasse Thee mit Milch ohne Zucker, 50 Gramm Zwieback und 25 Gramm kaltes mageres Fleisch, Schinken Roastbeef oder Kalbfleisch. Kein zweites Frühstück.

Vormittags 2 bis 3 Mal wöchentlich ein Bad von 25° R. mit Zusatz von 2 Kilo Soda, von 15 Minuten Dauer mit nachfolgender kalter Regendouche. Wenn Herz und Gefäße vollkommen gesund sind, 2 bis 3 Mal wöchentlich Dampfbad mit nachfolgender kalter Abreibung.

Mittagsmahlzeit: eine Tasse nicht fetter Fleischbrühe, ein magerer Rinder- oder Kalbsbraten oder Geflügel (200 Gramm) mit Gemüse: Spinat, Blumenkohl, etwas (25 Gramm) Weißbrot, im Sommer frisches Obst, etwas (1 bis 2 Weingläser) leichter Weißwein. Während der Mittagsmahlzeit kein Wasser trinken! Nach dem Essen nicht schlafen!

Nachmittags, um 4 oder 5 Uhr: eine Tasse Thee oder Kaffee mit etwas (20 Gramm) Zwieback.

Abends: Braten, kalt oder warm, 150 bis 200 Gramm, mit Weißgebäck (20 Gramm).

Tag über fleißige Bewegung, im Ganzen steigend bis zu 20 000 oder 25 000 Schritten täglich.

Vor dem Schlafengehen: ein Glas kaltes Wasser (oder Selterswasser) tanken; dann kalte Waschung und Abreibung des ganzen Körpers.

Bei der sachgemäßen Durchführung dieser diätetischen Maßregeln habe ich in außerordentlich zahlreichen Fällen eine allmähliche, aber stetige, langsame, aber dauernde Abnahme des überflüssigen Fettes gesehen, ohne daß der Kräftezustand der betreffenden Personen dabei wesentlich herabgesetzt wurde. Will man eine bedeutendere Abnahme des Körperfettes erzielen und handelt es sich um hochgradige Formen von Fettleibigkeit, so empfiehlt es sich, mit diesen diätetischen Maßnahmen eine mehrwöchentliche Brunnenkur vorzunehmen. Auf solche kombinirte Weise gelingt es oft, die gewünschte Entfettung in kurzer Zeit herbeizuführen und mancher durch die Fettleibigkeit vermochten Lebensbedrohung vorzubeugen.[1]

  1. Der Verfasser hat soeben (bei Enke in Stuttgart) ein vorzügliches Werk „Die Fettleibigkeit“ veröffentlicht, welches seine zahlreichen Erfahrungen über die Fettleibigkeit zusammenfaßt. D. Red.




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Der Student von Salamanca.
Novelle von Rosenthal-Bonin.

Auf der Plaza Mayor der berühmten Universitätsstadt Salamanca hielt Señor Lorenzo Porja einen Tabakladen. Das Geschäft blühte; Don Lorenzo – man nannte ihn nach Landessitte nur bei dem Vornamen – hatte den besten und billigsten Tabak, und das schien den Bürgern und Bürgerinnen von Salamanca natürlich; denn Don Lorenzo kaufte stets baar ein, er war ein reicher Mann und fabrizirte mit einer großen Zahl von Arbeiterinnen seine Cigarros und Papiros, seinen Pfeifen-, Kau- und Schnupftabak selber. Lorenzos Laden wurde stark besucht; ein Dutzend Strohstühle, welche darin umherstanden, war den ganzen Tag von jungen Leuten besetzt, die dort plauderten und rauchten.

War nun auch Lorenzos Laden elegant und gemüthlich, sein Tabak vortrefflich, so beruhte doch die Anziehungskraft des Geschäftes nicht allein auf diesen beiden Eigenschaften.

Eine mindestens ebenso große Anziehungskraft übte Donna Inesilla aus, die Tochter des Ladeninhabers, ein blühendes und lebhaftes Mädchen, das zudem noch in dem Ruf schweren Reichthums stand; denn ihr mütterliches Erbtheil überwog das Vermögen ihres Vaters, welches ihr so auch einst zufallen mußte, um das Doppelte, und das wußte man in Salamanca genau genug.

Eine Schönheit konnte Inesilla nicht genannt werden, namentlich nach spanischen Anschauungen nicht; sie war von kurzem, untersetztem Körperbau, stark, hatte sehr rothe krause Haare, hellblaue Augen und nichts weniger als feine Gesichtszüge; aber ihre siebzehn Jahre, ihr Verstand und guter Humor, dann nicht zum wenigsten ihr Vermögen ließen sie als die wünschenswertheste Partie in ganz Salamanca erscheinen – und wenn Inesilla gewollt hätte, wäre sie seit zwei Jahren schon auch nach hochgesteigerten Ansprüchen gut verheiratet; denn sie erhielt das Jahr wenigstens zwölf Anträge von den beliebtesten Caballeros der ganzen Provinz Leon. Aber Inesilla wollte nicht. Sie plauderte und scherzte mit allen Bekannten ihres Vaters, bediente

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 332. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_332.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)