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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

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Die Alpenfee.
Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Nun, Herr Oberingenieur, Sie haben Ihre neue Stellung also bereits angetreten? Sie ist schwierig und verantwortungsreich, zumal für einen Mann in Ihren Jahren, aber ich hoffe, daß Sie ihr trotzdem gewachsen sind.“

Der junge Mann, an den Präsident Nordheim diese Worte richtete, verbeugte sich ehrfurchtsvoll, aber keineswegs demüthig, als er entgegnete.

„Ich bin mir vollkommen bewußt, daß ich diese Auszeichnung erst noch zu verdienen habe; ich verdanke sie so überhaupt nur Ihrem energischen Eintreten für mich, Herr Präsident.“

„Ja es stand Ihnen mancherlei entgegen,“ sagte Nordheim. „Vor allem Ihre Jugend, die den maßgebenden Persönlichkeiten als ein Hinderniß galt, um so mehr, als ältere und erfahrene Bewerber da waren, die ihre Zurückweisung nun selbstverständlich als eine Kränkung ansehen; endlich erhob sich noch eine Opposition gegen mein persönliches Eingreifen zu Ihren Gunsten. Ich brauche Ihnen wohl nicht erst zu sagen, daß Sie mit all diesen Dingen rechnen müssen; man wird Ihnen Ihre Stellung nicht gerade leicht machen.“

„Ich bin darauf gefaßt,“ erwiderte Elmhorst ruhig; „aber ich werde vor der Feindseligkeit meiner Herren Kollegen auch nicht einen Schritt weichen. Ihnen, Herr Präsident, habe ich meinen Dank bisher nur in Worten abstatten können; ich hoffe zuversichtlich, es dereinst noch mit der That zu thun.“

Die Antwort schien dem Präsidenten zu gefallen und wohlwollender, als es sonst seine Art war, winkte er seinem Günstlinge, Platz zu nehmen. Elmhorst galt bereits dafür in den betreffenden Kreisen, die da wußten, was eine solche Gunst bedeutete.

Der junge Oberingenieur, der bei diesem offiziellen Besuche selbstverständlich den Gesellschaftsanzug trug, war eine äußerst gewinnende Erscheinung, hoch und schlank, mit energischen, regelmäßigen Zügen, denen die leicht gebräunte Farbe und der dunkle Vollbart etwas entschieden Männliches gaben. Das reiche dunkle Haar ließ zurückfallend eine hohe schöne Stirn frei, die auf ungewöhnliche Intelligenz deutete, und auch die Augen wären schön gewesen, wenn sie nicht so unglaublich kalt und nüchtern geblickt hätten. Diese Augen konnten scharf beobachten, vielleicht auch aufblitzen in Stolz und Energie, aber aufflammen in heller Begeisterung, in irgend einer der heißen Regungen des Menschenherzens konnten sie schwerlich: es barg sich kein Jugendfeuer in ihren dunklen Tiefen. Die Haltung war einfach und angemessen; sie wahrte die volle Ehrfurcht vor dem hochgestellten Manne, aber es lag keine Unterwürfigkeit darin.

„Ich bin nicht gerade sehr befriedigt von dem, was ich hier sehe,“ nahm Nordheim wieder das Wort. „Die Herren lassen sich Zeit mit den Vorarbeiten und ich zweifle, ob wir den Bau im nächsten Jahre beginnen können. Es ist kein Zug, keine Energie in der




Hildegundis. Nach dem Oelgemälde von Conrad Kiesel.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 409. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_409.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)