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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)


Braun Gold.

Gepriesen sei die Frucht der Reben
Des edlen Weines Feuerkraft;
Doch Ehre sei auch dir gegeben,
Du goldigbrauner Gerstensaft!
Gesenkt in tiefe Kellerruhe,
Von dichter Dämmerung umwebt,
Liegst du wie in verborgner Truhe,
Ein reicher Hort, bis man ihn hebt.

Wenn dich, in blankes Glas gegossen,
Das schaumgekrönt bis an den Rand,
Im Kreise wackrer Trinkgenossen
Die Schenkin reicht mit flinker Hand,
Begrüßt dich frohes Augenleuchten
Und Lob aus manchem durst’gen Mund,
Den deines Schaumes Perlen feuchten
Beim Schaun bis auf des Glases Grund.

Nicht nur am schwülen Sommerabend,
Wo stets ein kühler Trunk gedeiht –
Du bist erquickend auch und labend
Im Herbste und zur Winterzeit.
Und wenn im Lenz die Lerchen singen
Hoch überm Saatgefild im Blau,
Bist du gedeihlich, wie dem Springen
Der Blüthenknospen Morgenthau.

An Tafeln nicht allein und Tischen
Der Reichen schäumt dein brauner Quell;
Er quillt auch, jenen zu erfrischen,
Der nicht des Glückes Pfadgesell,
Der mühend sich vom frühen Morgen
Zur Stunde, bis die Sonne sank,
Bedrückt von manchen Lebenssorgen
Sich schwer verdient den Labetrank.

In Märchenbüchern steht zu lesen
Und ist durch Schilderei’n bekannt,
Zuerst ein König sei’s gewesen,
Der hab’ aus Gerste Malz gebrannt.
Doch wie auch drob das Meinen schwanke,
Ob man’s verneinet, ob bejaht,
Es war ein fürstlicher Gedanke
Und eines Königs würd’ge That.

Die Frucht der Rebe sei gepriesen,
Des edlen Weines Feuerkraft;
Allein auch Ehre dir erwiesen,
Du goldigbrauner Gerstensaft!
Wo echt und lauter deine Welle
Vom Faß in blanke Gläser fließt –
Gesegnet sei des Hauses Schwelle
Und was sein Kellerraum umschließt!

 Feodor Löwe.





Der Kuckuck brütet.

Im Jahre 1873 (vergl. Nr. 25) brachte die „Gartenlaube“ einen interessanten Artikel „Vom Kuckucksei“ aus der Feder Adolf Müllers. Dieser Artikel schließt mit den Worten. „Es kommt vor, daß der Kuckuck ausnahmsweise seine Eier ohne besondere Nestbereitung selbst ausbrütet, die ausgebrüteten Jungen pflegt und großzieht.“ Dieser Satz stützte sich auf eine an Sommer 1868 von dem bewährten Vogelkenner Kießel in St. Johann an der Saar gemachte Beobachtung. In einem Walde bei St. Johann wurde von den dortigen Holzbauern ein weiblicher Kuckuck auf zwei Eiern brütend gefunden. Er hatte beide Eier gezeitigt und die Jungen großgezogen. Obwohl Kießel vier Zeugen für die Richtigkeit seiner Beobachtung anführte, wurde dieselbe doch bestritten und von vielen, unter anderen auch von Brehm, als ein gröblicher Irrthum bezeichnet, der nur durch eine Verwechslung des Kuckucks mit der Nachtschwalbe zu erklären sei.

Heute nach fünfzehn Jahren sind die Brüder Müller in der erfreulichen Lage, einen endgiltigen Beweis für die Richtigkeit der damaligen Behauptung zu bringen. Unser Mitarbeiter Karl Müller schreibt uns Folgendes.

Endlich ist ein großer Theil des mystischen Dunkels im Leben des interessantesten heimischen Vogels, des Kuckucks, wiederum gelichtet worden von meinem Bruder, dem Oberförster Adolf Müller in Krofdorf. Die Reihe unserer reformatorischen Forschungen, welche in unserem Werke „Thiere der Heimath“ enthalten sind, wird demnächst beim Erscheinen der Abtheilung „Vögel“ in der zweiten, kolorirten Auflage dadurch bereichert werden.

Unser Vermuthen, daß der Kuckuck auch selbst brüte, hielten wir in unserem Werke zurück, da die Verantwortung vor der wissenschaftlichen Welt zu groß ist und in unserem Schriftstellerleben das Selbsterfahrene den Ausschlag giebt.

Schon vor drei Jahren wurde bei mir jene Vermuthung in hohem Grade bestärkt, und zwar durch eine Beobachtung in einem Distrikte der „Steinfürst“, welche nahe bei Alsfeld liegt. Ein Kuckucksweibchen strich jedesmal, wenn ich die Hege betrat, die aus jungen Kiefern und Buchenbüschen bestand, auffallenderweise am Boden über das reichlich wuchernde Heidekraut dahin, entschwand wie ein Schatten und kehrte nach längerer Zeit zurück, mich umkreisend und zuweilen dicht an mir vorüberhuschend.

Die ganze Woche hindurch, sobald ich nur abkommen konnte, wachte ich nach, durchsuchte alle Nester der Kleinvögel, Rothkehlchen, Grasmücken, Laubvögel und Zaunkönige, aber nirgends fand ich ein Kuckucksei oder einen jungen Kuckuck. Nun untersuchte ich Schritt für Schritt den Boden aber auch diese Bemühungen blieben ohne Erfolg. Ich stellte mich mit dem Fernglas auf den Beobachtungsstand. Es blieb ruhig, der Kuckuck unsichtbar. Sobald ich aber nachforschte, sah ich den Kuckuck immer wieder in meiner Nähe dicht über die Büsche und Heide streichen. Am sechsten Tage nahm ich ihn nicht mehr wahr, es war der 14. Juni.

Heute gebe ich in lebhafter Erinnerung an die große Wachsamkeit und Besorgniß des Kuckucks der Meinung Raum, daß er an irgend einem Plätzchen gebrütet hatte und selbstpflegender Muttervogel geworden war, nachdem mein Bruder mir die nachstehenden Aufzeichnungen seines treu und pünktlich geführten Tagebuchs übermittelt hat, damit die „Gartenlaube“ das die ganze ornithologisch wissenschaftliche Welt nicht bloß, sondern auch das Laienthum hochinteressirende Ereigniß zuerst veröffentliche.

Doch hören wir die werthvolle, kostbare Entdeckung, wie sie im Laufe der Beobachtung von meinem Bruder stets nach Befund sogleich aufgezeichnet worden ist.

*     *     *

Als ich am Vormittag des 16. Mai d. J. im nordöstlichen Theile des königlichen Waldortes Hohenschied in meinem Dienstbezirke eine junge Pflanzung besichtigte, stand plötzlich aus dem

Gestrüpp ein Kuckuck sehr nahe vor mir auf, den ich sogleich an seiner blassen, bräunlichen Farbe als einen weiblichen Vogel erkannte. Ich entdeckte alsbald nahe der Stelle, wo der Vogel aufflog, in einer ganz flachen Bodenvertiefung drei Eier, welche mir dadurch auffielen, daß sie eine verschiedene Färbung besaßen und das eine gegen die beiden anderen eine merklich geringere Größe hatte. Da ich dieselben als von keinem einheimischen kleineren, in erdständigem Neste brütenden Vogel herrührend erkennen konnte und der Kuckuck mich auch auffallenderweise mehrmals umkreiste, so zog ich mich sogleich in eine nahe Deckung der jungen Hege zurück, um den Vogel näher zu beobachten. Innerhalb weniger Minuten ließ sich derselbe wieder, nahe am Boden hinfliegend, sehen und fußte alsbald nächst der Stelle, an welcher ich die Eier entdeckt hatte. Ich vermuthete, der Kuckuck sei im Begriff, sein Ei zu den gefundenen abzulegen, und wartete mindestens gut dreiviertel Stunden hinter meiner Deckung, ohne daß ich den Vogel sich entfernen sah. Dies sowohl, wie der Umstand, daß keine um ihr Gelege besorgtem Nistvögel in der Nähe sich zeigten, ließ mich stark vermuthen, daß hier ein außerordentlicher Fall obwaltete,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 425. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_425.jpg&oldid=- (Version vom 31.10.2023)