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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

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Die Alpenfee.
Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Das Haus, welches Präsident Nordheim in der Hauptstadt bewohnte, entsprach mit seiner wahrhaft fürstlichen Einrichtung vollkommen dem Reichthum seines Besitzers. Das große, palastartige Gebäude lag im vornehmsten Theile der Stadt und war von einem der ersten Architekten erbaut worden; die inneren Räume zeigten eine verschwenderische Pracht, und eine zahlreiche Dienerschaft stand zur Verfügung; kurz es fehlte nichts, was ein Haushalt im großen Stile fordert.

An der Spitze dieses Haushaltes stand schon seit Jahren die Baronin Lasberg. Die verwitwete und ganz mittellose Dame, die von einem ihrer hochgestellten Verwandten dem Präsidenten empfohlen war, hatte sehr gern die Stellung im Hause des reichen Emporkömmlings angenommen, der sie unbeschränkt schalten und walten ließ, und Nordheim, so wenig schwach er auch in solchen Punkten war, empfand es doch als eine Annehmlichkeit, daß eine wirklich vornehme Dame seine Gäste empfing und bei seiner Tochter und Nichte Mutterstelle vertrat. Seit drei Jahren lebte auch Erna von Thurgau im Hause des Onkels, der zugleich ihr Vormund war und sie unmittelbar nach dem Tode ihres Vaters zu sich genommen hatte.

In seinem Arbeitszimmer saß der Präsident, im Gespräch mit einem Herrn, der ihm gegenüber Platz genommen hatte. Es war einer der ersten Rechtsanwälte der Stadt und der juristische Vertreter der Bahngesellschaft, an deren Spitze Nordheim stand; er schien jedoch zu den näheren Bekannten des Hauses zu gehören, denn die Unterhaltung hatte einen vertraulichen Anstrich, wenn sie sich auch augenblicklich um geschäftliche Dinge drehte.

„Sie sollten mit Elmhorst persönlich die Sache besprechen,“ sagte der Präsident. „Er kann Ihnen jedenfalls die beste Auskunft darüber geben.“

„Er ist also hier?“ fragte der Rechtsanwalt etwas überrascht.

„Seit gestern, und wird voraussichtlich eine Woche bleiben.“

„Das ist mir lieb; aber unsere Hauptstadt scheint eine besondere Anziehungskraft auf den Herrn Oberingenieur auszuüben; er ist ziemlich oft hier, wie mir scheint.“

„Allerdings, auf meinen Wunsch. Ich lege Werth darauf, über manches eingehender unterrichtet zu werden, als es durch Briefe geschehen kann. Ueberdies nimmt Elmhorst nur dann Urlaub, wenn er sich wirklich entbehrlich weiß; davon können Sie überzeugt sein, Herr Doktor.“

Doktor Gersdorf, ein Mann von etwa vierzig Jahren, eine äußerst stattliche Erscheinung, mit ernsten geistvollen Zügen, schien die Worte anders gemeint zu haben; denn er lächelte ein wenig spöttisch, als er erwiderte:

„Den Pflichteifer des Herrn Elmhorst zweifle ich gewiß nicht an, wir wissen ja alle, daß er darin eher zuviel thut als zu wenig. Die


Hermann Kaulbach.
Nach einem Selbstporträt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 453. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_453.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)