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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

trifft und schuldbewußt die Augen niederschlägt, während die Braut, welche mit ihm die Verwandten besuchen gewollt, den Zusammenhang zwar nicht kennt, aber doch sofort ahnt und den Burschen unschlüssig und erschreckt losgelassen hat. Sind schon die Charaktere dieses hochtragischen Stoffes vortrefflich gegriffen, ist besonders die arme Verrathene, die offenbar aus dem Thal auswandern gewollt und hier unter der Last ihres Jammers zusammenbrach, mit erschütternder Wahrheit gegeben, so unterstützt auch die Landschaft, in der sich die Scene abspielt, die Stimmung des Ganzen meisterhaft. Es ist ein düsterer Spätherbsttag, wo der erste Schnee schon auf den Bergen im Hintergrunde gefallen, der auf dem Joch ohnehin immer brausende Wind hat darum kaum eine dürftige Spur von Vegetation mehr übrig gelassen. Das kalte grelle Licht, welches auf die Verlassene fällt, der mit Sturm und Regen drohende Himmel, der sich über ihr wölbt, vollenden den unheimlichen Eindruck des Ganzen, das mit finsterer Schwere auf uns lastet. Dabei hat Schmids Zeichnung immer einen großen Zug, wie sein Kolorit zwingende Stimmung; es ist eine Energie in seiner Darstellung, die alle kleinen Reize erbarmungslos unter den Tisch wirft, nur um die Totalwirkung um so schlagender zu machen. Wie vortrefflich ist nicht das Verwöhnte, Weichliche der reichen Bauerntochter geschildert oder der kalte Egoismus des kräftigen Burschen, der weit mehr Aerger über das unvermuthete Zusammentreffen empfindet als Reue, und dem man die Bauernschlauheit sofort ansieht.


Für den Durst! Was ist das Beste für den Durst? Die Frage wird jetzt oft und an viele herantreten; denn die Hundstage stehen bevor und so windig kühl wie bis jetzt wird der Sommer nicht bleiben; die Hitze wird schon kommen, wird schon erschienen sein, wenn diese Zeilen in die Hand unserer Leser gelangen. Die Frage wird aber alsdann verschiedenartig beantwortet werden.

„Das Beste ist das Wasser!“ ruft einer, der mit griechischen Weisen auf vertrautem Fuße steht und den alten Spruch recitirt. Wir möchten an der Bedeutsamkeit desselben nicht rütteln und so manchem rathen, lieber mehr Wasser als Wein, Bier oder gar – Schnaps zu trinken. Das beste Mittel, um in der heißen Jahreszeit den Durst zu löschen, ist jedoch das Wasser nicht. Durch reichliches Wassertrinken werden die Schweißdrüsen zur erhöhten Thätigkeit angeregt; dies ist nicht angenehm und Schwitzen erzeugt wieder Durst. „Ein Glas Bier!“ ruft ein anderer, und ein Tourist füllt seine „Feldflasche“ mit Rothwein. Sie beide haben ebenso wenig recht wie der Handwerksbursche, der sich sein Gläschen Kornbranntwein lobt. Alkohol ist ein Reizmittel, das die Blutgefäße erschlafft und dessen üble Folgen in der Hitze sich bald bemerkbar machen.

„Ein Glas Limonade!“ ruft eine Dame, und in der That hat sie beinahe das Richtige getroffen. Man muß ja immer bei Frauen anfragen, wenn man sich einen guten Rath holen will. Aber die Dame trinkt süße Limonade und der Zucker schwächt die Wirkung des schönen Getränkes ab; er entwickelt im Körper Wärme und erzeugt wieder Durst.

Das beste für den Durst ist eine schwache Säure, gleichviel welche. Wir geben natürlich Fruchtsäuren den Vorzug und unter ihnen steht obenan die Citronensäure, die ja in fester Form in jeder Apotheke gekauft werden kann. Für die Zeit der sauren Gurke empfehlen wir darum der Beachtung der durstigen Leser auch – saure Limonade.

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Bei dem Dampfhammer. (Mit Illustration S. 525.) In einem seiner reizvollen technischen Feuilletons schildert M. M. v. Weber eine kennzeichnende Scene aus der Erfindungsgeschichte des Dampfhammers. In der größten Schmiedewerkstätte der Welt, bei dem berühmten John Nasmyth zu Patricroft, war im Jahre 1842 – fast gleichzeitig mit einer ähnlichen Konstruktion, die Bourdon und Schneider in Creuzot erdacht hatten – ein freilich noch sehr primitiver Dampfhammer aufgestellt worden, der Embryo eines Dampfhammers, möchte man fast sagen, denn das ganze Ding bestand nur aus einem alten Dampfcylinder, der mit seinem Kolben einen schweren Eisenblock hob und wieder fallen ließ, wenn man dem wirkenden Dampfe das Entweichen gestattete. Es war das Ganze nicht einmal neu, schon James Watt hatte fast sechs Jahrzehnte früher (1784) ein Patent auf dieselbe Idee genommen, aber es war doch thatsächlich der erste Dampfhammer, der wirklich in Betrieb gesetzt wurde, und machte daher ein gewaltiges Aufsehen in England. Da kamen nun eines schönen Tages die Eigenthümer eines großen Eisenwerks, um sich die Konstruktion in der Nähe anzusehen und auch gleich eine Bestellung auf einen Dampfhammer von gewaltigen Dimensionen aufzugeben. Die Herren waren jedoch tüchtige, wohlerfahrene Fachleute und erkannten schnell, daß die Erfindung noch in den Kinderschuhen steckte; das Schmieden ging vor allem zu langsam, das Heben des Kolbens erforderte zu viel Zeit, die Schläge folgten nicht schnell genug aufeinander, so daß das Schmiedestück nicht während der Weißglühhitze, auf deren Ausnutzung es vor allem ankam, vollendet werden konnte. Sie waren daher im Begriff, mit dem Ausdruck des Bedauerns, daß sie ihre Banknoten nicht in Patricroft lassen konnten, wieder abzureisen, als John Nasmyth ausrief: „Legen Sie Ihr Geld nur für uns bei Seite – wir werden es doch noch und zehnmal mehr dazu von Ihnen erhalten.“

Und in überraschend kurzer Zeit formte sich unter den Händen der geistvollen Ingenieure von Patricroft wirklich die Erfindung zu einem vollendeten Ganzen. Vor allem gelang es Robert Wilson, die automatische Steuerung des Hammers zu finden: im Auf- und Niedersteigen öffnet und schließt der riesige Fallblock sich selbst verschiedene Ventile und regelt dadurch den Zustrom des Dampfes, der ihm seine Bewegung verleiht. Bald kam man auch darauf, dem hochgespannten Dampf, der den Fallblock hebt, oberhalb desselben eine zweite Verwendung zu geben; der Dampf mußte hier wie das Pulver auf ein Geschoß wirken und den massigen Block mit verzehnfachter Gewalt auf das Werkstück zurückschleudern. Kaum fünf Monate nach dem ersten Besuch jener Herren wurde das Wort des Meisters zur Wahrheit: der Dampfhammer war der unentbehrlichste Gehilfe der Eisenindustrie geworden.

Seitdem hat das merkwürdige Werkzeug, das vielleicht eine der eigenartigsten Erfindungen des Jahrhunderts des Dampfes ist, zahlreiche und zum Theil sehr ingeniöse Verbesserungen erfahren, ohne daß es darum die charakteristischen Merkmale, die ihm Nasmyth gegeben, verloren hätte. Unsere Zeichnung giebt ein klares Bild der ganzen Konstruktion: ein mächtiges Eisengerüst trägt hoch oben den Dampfcylinder, in welchem der Kolben mit dem gewaltigen Hammerblock, dem „Bär“, sich auf- und niederschiebt; seitwärts auf einer Plattform steht der Schmied, den Griff der „Steuerung“ in der Rechten – so haarscharf vermag er mittelst ihrer nicht nur die Zahl und die Wucht der Schläge, sondern auch die Höhe des Hubes zu bestimmen, daß er eine Nuß aufknacken kann und den Kern nicht zerdrückt. Als Kaiser Wilhelm I. die Kruppschen Werke besuchte, bat man den hohen Herrn, seine Uhr auf den Ambos zu legen: der tausend Centner schwere Block sauste herab und blieb einen Millimeter über dem Uhrglas stehen, ohne dasselbe zu beschädigen.

Ohne den Dampfhammer würde das Schmieden vieler Werkstücke der modernen Industrie ganz unmöglich sein, die gewaltigen Schrauben und Wellen der heutigen Riesendampfer, die großen Panzerplatten, die schweren Gußstahlrohre der Artillerie sind nur durch ihn ausführbar geworden. Während sich die Dimensionen der Dampfhämmer aber auf der einen Seite ins Gigantische gesteigert haben – auf den Eisenwerken in Creuzot befindet sich ein Hammer von 1800 Centnern Bärgewicht und bei Krupp arbeitet ein Hammer von 1000 Centnern Gewicht bei einer Fallhöhe von drei Metern – hat sich neuerdings auch in größeren Schmiedewerkstätten der Dampfhammer, fast möchte man jenen Kolossen gegenüber sagen: en miniature, sein Bürgerrecht verschafft. Der Aufwerfhammer des Amerikaners Bradley vollführt z. B. mit einem kleinen Hammer von 12 bis 100 Kilogramm Gewicht über 200 Schläge in der Minute und eignet sich ganz vorzüglich für den Betrieb in der Werkstätte. So dient auch hier der Dampf seiner großen Kulturmission: der Entlastung der Menschheit von der schweren physischen Arbeit.


Heinrich Semler †. Wiederum hat das afrikanische Klima ein Opfer gefordert: Heinrich Semler, der erst vor etwa drei Monaten in den Dienst der ostafrikanischen Gesellschaft getreten war, ist am Fieber gestorben. Unseren Lesern ist Heinrich Semler kein Fremder. Vor Jahren erschien von ihm ein Artikel über das Alden-Obst – das amerikanische Dörrverfahren, in der „Gartenlaube“. Damals wollte Semler bahnbrechend wirken, die in Amerika gesammelten Erfahrungen den deutschen Obstzüchtern mittheilen und in Deutschland neben der Obstzucht eine Obstindustrie ins Leben rufen. Er hat auch zu diesem Zwecke ein ausgezeichnetes Werk geschrieben über „Die Verwerthung des Obstes“ (Wismar, Hinstorffsche Hofbuchhandlung), welches ein Musterwerk genannt werden darf und welches wir oft und warm empfohlen haben.

Als später Deutschland seine Machtsphäre in fernen Welttheilen erweiterte, als endlich deutsche überseeische Kolonien begründet wurden, überraschte uns Heinrich Semler mit einem Meisterwerke „Die tropische Agrikultur“, welches in ausführlicher zuammenfassender Weise die Kultur sämmtlicher tropischer Gewächse behandelt. Wer dieses Werk gelesen, dem mußte es klar sein, daß Semler wie kaum ein Anderer dazu berufen war, in der schwierigen Frage, wie in Afrika Plantagen zu gründen seien, bahnbrechend zu wirken. Die Deutsch-ostafrikanische Gesellschaft wußte ihn für diese Aufgabe zu gewinnen. Leider konnte er dem Klima nicht trotzen; frühzeitig sank er dahin; ein rüstiger Kämpfer für die Hebung des deutschen Wohlstandes, hat er sich den Dank der Nation verdient. Leicht sei ihm die Erde!

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Ein Sommertag. (Mit Illustration S. 529) Da liegt die spiegelglatte Wasserfläche des Sees vor uns ausgebreitet. Bis an den Horizont hinaus tanzen die goldenen Sonnenlichter darauf, und in der schattigen kleinen Landungsbucht spiegeln sich Bäume und Sträucher so klar in den Fluthen, daß es ist, als tauche der Blick in einen andern, noch duftigeren Wald hinab. Die Dorfkinder haben diese Bucht längst schon als Badeplatz eingeweiht; furchtlos tummeln sich die kühnen kleinen Naturschwimmer hier in den lauen Fluthen. Nur Klaas, das einzige Söhnchen der reichsten jungen Bauersfrau, ist ganz aus der Art geschlagen; er fürchtet sich vor dem Wasser! Vergeblich hält ihm ein freundliches Nachbarkind die helfende Hand entgegen, vergebens verschwendet die Mutter Liebkosungen und Versprechen; er klammert sich fest an ihren Arm und blickt mißtrauisch hinaus nach dem Elemente, das „keine Balken“ hat. Doch vielleicht wird er sich noch dazu herbeilassen, zaghaft mit den dicken Füßchen ein wenig im Wasser zu plätschern, und das ist doch wenigstens ein Anfang; mehr freilich wird heute wohl nicht erreicht werden.


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

L. B. in Krefeld. Wir haben zwar kein Portrait Kaiser Friedrichs wie das Kaiser Wilhelms I. als besondere Beilage gebracht, aber das in Nr. 12 des laufenden Jahrgangs erschienene Bildniß desselben ist ein künstlerisch so fein ausgeführtes, daß es passend auch als Zimmerschmuck Verwendung finden kann.

B. H. in Lübeck. „Kopf weg!“ Dieser Ruf stammt aus einer nach unseren Begriffen wenig anmuthigen Zeit. Sie wissen doch, daß es früher in den Häusern keine sog. Gußsteine gab und die Bürger alles was ihnen beliebte, zum Fenster hinausgießen oder hinauswerfen durften. In vielen Städten bestand diese „Freiheit“ noch im 14. Jahrhundert, nur mußte der Betreffende vorher dreimal „Kopf weg!“ rufen. Arme Passanten!

H. A. in A. Photographien der beiden Bilder „Vom Sturm gejagt“ von Karl Raupp und „Hildegundis“ von Konrad Kiesel (vergl. Nr. 25 dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“) erschienen im Verlage der Photographischen Union in München.


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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_532.jpg&oldid=- (Version vom 18.2.2023)