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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

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Die Alpenfee.
Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Elmhorst war in ein Gespräch mit Veit Gronau gekommen, der ihm wie den übrigen als „Sekretär“ vorgestellt worden war und der, seinem Grundsatze getreu, daß die Anwesenheit der Damen eine Ehre, aber kein Vergnügen sei, sich möglichst von ihnen entfernt hielt. Sie sprachen natürlich auch über die Sammlungen, und Wolfgang sagte, auf den Neger und den Malayen deutend, die auf den Wink ihres Herrn bald dies und bald jenes zur näheren Betrachtung herbeiholten:

„Herr Waltenberg scheint selbst in seiner nächsten Umgebung das Fremdartige zu lieben. Er holt sich seine Dienerschaft aus allen Zonen, und auch Sie, Herr Sekretär, scheinen trotz Ihres Namens und Ihrer deutschen Aussprache ein halber Ausländer zu sein.“

„Ganz recht,“ bestätigte Gronau. „Ich bin fünfundzwanzig Jahre da draußen gewesen und glaubte überhaupt nicht, daß ich es wieder sehen würde, das alte Europa. Ich bin in Australien zu Herrn Waltenberg gestoßen; den Schwarzen da, den Said, haben wir von einer Vergnügungstour durch Afrika mitgebracht und den Djelma erst im vorletzten Jahre in Ceylon aufgefischt; deshalb ist er auch noch so dumm. Jetzt fehlt uns nur noch ein bezopfter Chinese und ein Kannibale von den Südseeinseln, dann ist die Menagerie vollständig.“

„Ueber den Geschmack läßt sich nicht streiten,“ sagte Elmhorst achselzuckend. „Ich fürchte nur, Herr Waltenberg entfremdet sich in all seien Gewohnheiten so vollständig seinem Geburtslande, daß es ihm schließlich unmöglich wird, hier zu leben.“

„Das fällt uns auch gar nicht ein,“ versicherte Veit mit derber Aufrichtigkeit. „Das fehlte noch, daß wir uns wieder einspinnen in das alte biedere Philisterleben, der Herr und ich! Wir gehen so bald als möglich wieder auf und davon.“

Wolfgangs Brust hob sich bei den letzten Worten unwillkürlich unter einem tiefen erleichternden Athemzuge.

„Sie scheinen sich nicht viel aus Ihrem Vaterlande zu machen?“ warf er hin.

„Gar nichts mache ich mir daraus! Man muß über die nationalen Vorurtheile erhaben sein, sagt Herr Waltenberg, und da hat er recht. Er hat mir eine ganze Predigt darüber gehalten, als ich auf der Rückreise mit dem amerikanischen Prahlhans zusammengerieth, der sich unterstand, auf Deutschland zu schimpfen.“

„Und da kamen Sie in Streit mit ihm?“

„Eigentlich nicht, ich schlug ihm nur die Nase entzwei,“ sagte Veit kaltblütig. „Zum Streite kam es gar nicht, denn er lag gleich am Boden. Natürlich stand er wieder auf und lief wüthend zu dem Kapitän, um Genugthuung zu fordern, worauf der Herr Kapitän unangenehm wurde. Aber da bekam er deutsche Grobheit zu hören. Schließlich mischte sich Herr Waltenberg ein und zahlte dem Manne mit der blutigen Nase ein Schmerzensgeld und ich war fortan eine ungeheure Respektsperson auf dem ganzen Schiffe. Es hat keiner wieder ein Wort gegen Deutschland gesagt – ich hätte es auch keinem rathen wollen!“ „Nun, ich hatte Mühe genug, die Sache auszugleichen“ sagte


Blumenweihe zu Mariae Himmelfahrt.
Originalzeichnung von J. R. Wehle.

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 533. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_533.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)