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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

That ein imposantes. Als der Kaiser in das Boot stieg, welches ihn nach der Raddampferjacht „Hohenzollern“ übersetzen sollte, erschütterte plötzlich der gewaltige Donner der salutirenden Geschütze die Luft, und von Bord wie von den Raaen jedes einzelnen Schiffes, welches das Kaiserboot passirte, erbrauste ein dreifaches seemännisches Hurrah. Bereits um 11½ Uhr warf sich die Jacht „Hohenzollern“, den Kaiser an Bord, von der Boje los und setzte sich in Bewegung, gefolgt von den beiden Divisionen der Torpedoflottille, zwölf schwarzen Schichaubooten, welche bis dahin in der Wyker Bucht verborgen gelegen hatten und nun gleich unheimlichen Seeteufeln heransausten, um der kaiserlichen Jacht das Geleit bis zu dem draußen wartenden Geschwader zu geben. Bei der Hafenbefestigung von Friedrichsort wurde die Flotte nochmals salutirt – dann ging’s hinaus aufs offene Meer, in rascher Fahrt dem Ziele entgegen.

Heute wissen wir, daß die Fahrt eine glückliche war, da bereits am Nachmittage des 19. Juli das deutsche Geschwader in Kronstadt einlief und Kaiser und Kaiser sich begrüßten, in Freundschaft und – hoffen wir’s! – zu dauerndem Frieden.

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Blumenweihe zu Mariae Himmelfahrt. (Mit Illustration S. 533). Unser Bild stellt eine Scene dar, wie sie sich am 15. August zu Mariae Himmelfahrt, einem hohen Feiertage der Katholiken, vornehmlich im bayerischen Schwabenlande, aber auch in anderen Gegenden abspielt. Die Kinder, meist Mädchen in Festtagskleidung, sind von nah und fern herbeigeeilt, um vor der Mutter Gottes zu „prangen“. Die kleinen Hände können die mächtigen Blumensträuße kaum umfassen, denen auch die Früchte des Feldes beigebunden sind, um an ihnen die segenspendende Weihe der Kirche vollziehen zu lassen und sie als Talismane gegen alle erdenklichen Fährlichkeiten nach Hause zurückzutragen. Vor dem Altar vollzieht der Priester die Segnung, indem er aus dem von einem Chorknaben gehaltenen Becken geweihtes Wasser um sich sprengt. Ueber der ornatgeschmückten Gestalt des Geistlichen glimmt mit mattem Schein die „ewige Lampe“ und zu beiden Seiten des Hochaltars fällt das volle Sonnenlicht ein und durchbricht siegreich wie ein Gruß von oben die duftenden Wollen, welche dem silbernen Weihrauchfasse entsteigen und über die ganze stimmungsvolle Gruppe dahinziehen.

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Der Lehrlingshort in München. Ueberall in Deutschland sind, nach dem in München gegebenen Beispiel, Knabenhorte entstanden, deren segensreiche Wirkungen sich bereits deutlich fühlbar machen. Nun ist in der bayerischen Hauptstadt ein weiterer Schritt gethan worden, um die jungen Lehrlinge ebenso vor dem sittlichen Verderben zu bewahren wie früher die Schulknaben, und der durch edeldenkende Männer gegründete Lehrlingshort verdient, in den weitesten Kreisen dringend zur Nachahmung empfohlen zu werden, denn in ihm finden die jungen Leute für den Sonntag Nachmittag einen gemüthlichen Aufenthalt, Geselligkeit und geistige Anregung, also mit einem Wort: Bewahrung vor den elenden Sonntagsvergnügen der Großstadt, welche so viele Arbeiter schon in der ersten Jugend dem moralischen Ruin zuführen.

Die Mittel sind auch hier, wie beim Knabenhort, die allereinfachsten: ein geräumiges helles Lokal nahe den Isarauen, ein Stück Brot und ein Glas Bier um die Vesperzeit. Aber hierher, wie in den Knabenhort, drängen sich die armen Jungen, um in dem Winters gut geheizten und beleuchteten Raume, unter den Augen „ihres Herrn Raths Jung“, den alle wie einen Vater lieben, im herzlichen Verkehr mit ihm und seinen Gehilfen so frohe Stunden zu verleben, wie ihre glücklicher situirten Altersgenossen in der eigenen Familie. Eine stattliche Bibliothek von Reisewerken, Unterhaltungsblättern und Jugendschriften beglückt die „Leseratzen“, die mit aufgestützten Köpfen dasitzen, taub gegen alles, was rings umher vorgeht; andere bemächtigen sich der Dominos, Schachbretter und Schachspiele, der Zeichenstifte etc. Um 5 Uhr aber wird alles bei Seite gelegt, denn da hält entweder Herr Rath Jung oder ein Lehrer der vielen hiesigen Schulen oder ein sonstiger Freund der Anstalt dem jungen Auditorium einen seinen Fassungskräften angemessenen Vortrag, der mit gespannter, lautloser Aufmerksamkeit aufgenommen wird. Bei meinem neulichen Besuche erklärte den Knaben eben ein junger Militärbeamter ihre künftige Dienstpflicht, indem er ihnen bewies, wie die Forderungen von Gehorsam, Pünktlichkeit und Reinlichkeit nicht eine Plage, sondern ein Gewinn fürs Leben seien. An einem späteren Sonntag wurde „Die Glocke“ von Schiller vorgelesen und erklärt, aber immer auf die Gemüthswirkung berechnet, indem alles von den Leitern der Anstalt vermieden wird, was die Lehrlinge geistig zu sehr heraufschrauben und mit ihrem Stand unzufrieden machen könnte.

Dafür ist der Pflege des Talentes, welches in allen Ständen beglückend wirkt, ein weiter Spielraum gelassen. Es wurden am späteren Abend oberbayerische Gedichte v. Stieler und Kobell deklamirt und mit schallender Heiterkeit aufgenommen, dann kam die Musik an die Reihe, und nun verklärten sich die Gesichter. Bücher und Spiele wurden freiwillig bei Seite gelegt, und mit wahrer Andacht hörten alle den Vorträgen ihrer Kameraden zu. Der oberbayerische Stamm ist sehr musikbegabt; viele Bauernburschen spielen Zither, ohne eine Note zu kennen; so genügte auch hier, nachdem die Instrumente angeschafft waren, eine billige Unterweisung, um das größte Vergnügen zu verursachen. Ein lustiger Tanz, von einem Schlosser- und einem Drechslerlehrling auf zwei Zithern flott gespielt, fand rauschenden Beifall, dann holte ein kleiner Kaminfeger seine Geige, ein Schriftsetzer die Klarinette, und dazu akkompagnirte auf der Guitarre der junge Lehrer einer hiesigen Schule, welcher nach sechs überlasteten Wochentagen aus edelster Menschenfreundlichkeit seine Erholungszeit dem Lehrlingshort widmet!

Es braucht kein weiteres Wort, um ein solches Unternehmen anzupreisen; jeder kann sich selbst sagen, vor welchen Gefahren bewahrt, um welche Güter bereichert die jungen Menschen abends um acht Uhr das ihnen so liebe Erholungslokal verlassen, mit der frohen Aussicht, nach abgethaner Arbeitswoche wiederkehren zu dürfen.

Jeder aber sollte auch trachten, in seinem Kreise, in seiner Stadt einen ähnlichen Lehrlingshort gründen zu helfen, denn es ist unzweifelhaft, daß nur solche Anstalten vermögen, die socialen Mißstände an der Wurzel anzugreifen. Dazu beizutragen ist patriotische Pflicht – die dankbaren und glücklichen Gesichter der armen Jungen zu betrachten aber ein so großes Vergnügen, daß darin allein schon reichliche Vergeltung für alle aufgewandten Opfer liegt.

R. A.     


Ein einfaches Mittel, die Temperatur des nächsten Tages voraus zu bestimmen, wurde schon vor längerer Zeit von Dr. A. Troska angegeben. Neuerdings veröffentlicht derselbe in der „Naturwissenschaftlichen Wochenschrift“ eine verbesserte und vereinfachte Regel. Dieselbe lautet: „Die Temperatur, welche das feuchte Thermometer eine Stunde vor Sonnenuntergang im Freien und im Schatten anzeigt, ist, wenn man von Abweichungen bis zu 1° C. als unerheblich absieht, in 80% aller Fälle gleich derjenigen Temperatur, welche dasselbe Thermometer trocken um 8 Uhr des nächsten Vormittags im Schatten zeigen wird.“ Danach braucht man nur sein Thermometer eine Stunde vor Sonnenuntergang mit einem in reinem Wasser getränkten kleinen Lappen von Mousselin, Tüll oder feiner Leinewand an der Quecksilberkugel einfach, aber anschließend zu umwickeln und den Lappen mit etwas Bindfaden daran festzuschnüren. Hierauf wird das Instrument im Freien und im Schatten ausgehängt, und die Temperatur, die es anzeigt, ist die mittlere Temperatur des nächsten Tages. Auf 20% falscher Prophezeiungen muß man sich allerdings auch bei diesem Wetterpropheten gefaßt machen.

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Klage- und Trostlieder deutscher Dichter. Der Tod unserer Kaiser Wilhelm I. und Friedrich III. hat natürlich eine Reihe von Gedichten hervorgerufen, von denen einige der hervorragendsten unter dem Titel „Dichterstimmen aus Deutschlands Trauertagen“ (9. März, 15. Juni 1888) gesammelt worden sind (Dortmund, Th. Garmssche Buchhandlung). Es finden sich unter den Verfassern gefeierte Dichternamen wie G. von Amyntor, Fr. von Bodenstedt, Felix Dahn, Ernst von Wildenbruch, Julius Wolff neben jüngeren Talenten, und da jeder dieser Dichter seine Eigenart nicht verleugnet, so ist alles Eintönige in der kleinen Sammlung vermieden und in den verschiedensten Tonarten ertönen die Klagegesänge, welche ein Echo im Herzen des schwergeprüften deutschen Volkes gefunden haben. Auch die Sänger der „Gartenlaube“ Friedrich Hofmann und C. Hecker sind in der Sammlung vertreten.

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Hieroglyphen.

In dieser Aufgabe stellt jedes Bild den Anfangsbuchstaben seines Namens dar (Nagel = N, Säbel = S u. s. w.). Es sind nur die Konsonanten durch Bilder bezeichnet; werden dieselben aber durch die richtigen Vokale ergänzt, so ergiebt die Lösung eine bekannte Sentenz.


Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Unverzagt in Br. Ihr Kanarienvogel leidet an Milben oder Vogelläufen, und zwar in so hohem Grade, daß er nicht allein stellenweise die Federn verloren, sondern sich auch, in seiner Noth, kläglich wie ein junger Vogel gebärde. Ueberdecken Sie seinen Käfig zur Nacht mit einem weißen Leinentuch, so werden Sie an dem letztern die winzigen rothen Blutsauger zahlreich wahrnehmen können. Zur Entfernung des Ungeziefers ist aber das Ausschütteln des Tuchs, an jedem Morgen ins Feuer, doch keineswegs ausreichend; dazu müssen Sie den Vogel einer besonderen Kur unterwerfen. Sie nehmen ihn in die Hand, bepinseln alle Stellen, welche nackt sind, namentlich Hinterkopf, Schultern u. a., mit guter, unverfälschter Insektenpulvertinktur und am nächsten Tage mit verdünntem Glyzerin (1 : 5 Wasser). Dies wiederholen Sie eine ganze Woche hindurch, also jedes Bepinseln drei- bis viermal. Hauptsache ist aber, daß der Käfig gründlich gereinigt, mit heißem Wasser ausgebrüht, dann mit Insektenpulver ausgestäubt, die Schublade mit Papier überdeckt und darüber trockener, sauberer Sand gestreut wird. Auch die Stelle, an welcher der Käfig steht, muß gesäubert, mit heißem Wasser abgescheuert oder wenigstens mit Insektenpulvertinktur bepinselt werden. Am rathsamsten ist es, wenn Sie einen neuen Käfig anschaffen, welcher keine Ritzen und Schlupfwinkel für das Ungeziefer hat. Anleitung dazu, wie ein solcher zweckmäßig eingerichtet sein muß, können Sie in meinem Buche „Der Kanarienvogel“ finden.

Dr. Karl Ruß.     

F. Sch. in München. In dem Artikel über König Ludwig ist nicht gesagt, „daß Griechenland heute noch Bayern 1 800 000 Gulden schulde“, sondern, daß König Ludwig die Summe, so lange er lebte, nicht zurück erhielt. In Ihrem Schreiben bestätigen Sie selbst diese allbekannte Thatsache. Wir unsererseits nehmen aber gern Gelegenheit, Ihre freundliche Notiz zu veröffentlichen, daß es der Energie des Fürsten Bismarck gelang, auf dem Berliner Kongreß 1878 die Zahlung jener alten Schuld beizutreiben, so daß jetzt kein Differenzpunkt zwischen Bayern und Griechenland mehr existirt; daß auch die Griechen Ludwig I. die wohlverdiene Statue errichten wellen und Abgesandte zu seiner Centenarfeier schicken.

K. P. in Freienwalde. Ein anziehendes Lebensbild des Kaisers Friedrich III. ist das in der Verlagshandlung von Ferdinand Hirt in Leipzig unter diesem Titel erschienene von B. Rogge, königl. Hofprediger. Der Ton der Darstellung ist schlicht und warm; zwei Bildnisse des Kaisers und viele andere Abbildungen erläutern den Text.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 548. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_548.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)