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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

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Die Alpenfee.
Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Wolfgang kam seinem Freunde, der in wortloser Verlegenheit vor Alice stand, zu Hilfe und brachte das Gespräch auf den Zweck des Besuches. Er wollte Reinsfeld, der, wie er wußte, am Krankenbette sehr entschieden sein konnte, Gelegenheit geben, sich als Arzt zu zeigen, aber Benno verleugnete heut seine ganze Natur. Er stellte die Fragen so schüchtern und ängstlich, als erbitte er mit jeder Antwort eine unverdiente Gnade, stotterte, wurde roth wie ein junges Mädchen, und was das Schlimmste war, er fühlte selbst, wie unpassend er sich benahm. Das raubte ihm den letzten Rest der Fassung, in völliger Zerknirschung saß er da und richtete einen wehmüthig bittenden Blick auf die junge Dame, als wolle er ihre Verzeihung erstehen, daß er sie überhaupt mit seiner Gegenwart belästige.

War es dieser hilfesuchende Blick oder der trotz aller Verlegenheit doch kindlich treuherzige Ausdruck der blauen Augen, genug, Alice richtete sich plötzlich auf und sagte freundlich und ermuthigend: „Sie werden sich bei Ihrem ersten Besuche schwerlich schon ein Urtheil bilden können, Herr Doktor, aber Sie dürfen überzeugt sein, daß ich dem Freunde meines Verlobten unbedingt vertraue.“

Sie reichte ihm die Hand, die Benno zögernd ergriff. Die schmale weiße Hand lag zart und leicht wie ein Blumenblatt in der seinigen, er blickte so scheu und ehrfurchtsvoll darauf nieder, als könne jede Berührung sie verletzen , und urplötzlich brach er stürmisch aus.

„Ich danke Ihnen, gnädiges Fräulein! O, ich danke Ihnen!“

Frau von Lasberg machte ein Gesicht, als zweifle sie an der Zurechnungsfähigkeit dieses Doktors, der sich stolpernd einführte, im Gespräch nicht zum Reden zu bringen war und sich nun urplötzlich so stürmisch bedankte, obgleich gar kein Grund dazu vorlag. Und diesen Menschen nannte Elmhorst seinen Freund und Alice schien ganz einverstanden damit zu sein! Die alte Tante schüttelte entrüstet das Haupt und bemerkte mit kühler Zurechtweisung:

„Du bist sonst sehr zurückhaltend mit Deinem Vertrauen, liebe Alice.“

„Um so mehr freut es mich, daß sie diesmal eine Ausnahme macht,“ fiel Wolfgang mit einem gewissen Nachdruck ein. „Du wirst es nicht bereuen, Alice. Ich gebe Dir mein Wort darauf, Benno kann sich mit seinen Kenntnissen und Erfahrungen getrost an die Seite manches hochberühmten Kollegen stellen. Ich bin stets im Kriege mit ihm, weil er sie nicht auf einem anderen Felde geltend macht. Schon seit Jahren opfert er sich auf in einer untergeordneten Praxis, und wenn ihm wirklich etwas Besseres geboten wird, dann greift er nicht einmal zu, wie im vorigen Jahre, wo er eine äußerst vortheilhafte Stellung einfach im Stiche ließ.“

„Aber Wolf, Du weißt ja –“ versuchte Reinsfeld einzuwerfen.

„Ja, ich weiß, daß Dein gutes Herz Dir da wieder einen Streich gespielt hat, den Du vielleicht Dein Lebenlang büßen mußt. Weil ein paar Bauernkinder krank lagen, die Du in Behandlung hattest,


Die Kirche zu Hoff in Pommern.
Originalzeichnung von Robert Aßmus.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 565. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_565.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)