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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

„Dann wird man Ihnen ein Entweder – oder stellen und Sie werden sich fügen. Sie haben ihn ja nicht gehen wollen, den einsamen, stolzen Weg, den so viele große Männer gegangen sind, die nichts hatten als ihr Talent und den Glauben an sich selbst. Ich,“ hier brach es wie leidenschaftliche Begeisterung aus den Augen des Mädchens, „ich habe mir immer gedacht, schon das Ringen und Streben müsse ein Glück sein, ein größeres vielleicht als einst das erreichte Ziel. So emporzusteigen aus der Tiefe, mit jedem Schritt, den man vorwärts thut, mit jedem Hinderniß, das man überwindet, die eigene Kraft wachsen zu sehen und endlich droben zu stehen auf der freien Höhe, im Gefühl des selbsterrungenen Sieges. Ich habe das ja so oft gefühlt, wenn ich einen Alpengipfel erstieg, und ich hätte mich nicht emportragen lassen von fremder Hand, um keinen Preis!“

Sie stand vor ihm, fortgerissen von der Erregung des Augenblicks, wieder ganz das freie wilde Kind der Berge, das er einst gefunden hatte an den Abhängen des Wolkenstein, mit den wehenden Locken, stürmisch in der Liebe wie im Haß. Er hatte vereint mit ihr dem Sturme Trotz geboten, er hörte noch ihr übermüthig jubelndes Lachen, mitten in dem Wettergraus, und es war ihm, als sei er damals glücklich gewesen, grenzenlos glücklich, und seitdem niemals wieder!

„Und hätten Sie den Mann lieben können, der so emporsteigt?“ sagte er endlich, aber es lag eine verhaltene Qual in seiner Stimme. „Wären Sie ihm zur Seite geblieben in Mühe und Gefahr, im Sturze vielleicht? Antworten Sie, Erna – ich muß es wissen!“

Erna bebte leise zusammen, aber der Strahl in ihrem Auge erlosch, es ging wie ein Eishauch über ihr Antlitz und eisig klang auch ihre Erwiderung: „Wozu die Frage? Sie kommt zu spät! Ich weiß nur eins: den Mann, der seine Liebe verleugnete und zertrat, um des Geldes willen, das ihm mit der Hand einer Anderen winkte, der es vorzog, sich seine Zukunft zu erkaufen, weil er nicht den Muth hatte, sie zu erkämpfen, den hätte ich nie geliebt – niemals!“

Sie athmete tief auf, als werfe sie mit dem Worte eine Last von sich, und wandte ihm den Rücken. Greif begann plötzlich unruhig zu werden und richtete spürend den Kopf nach dem Walde, er witterte bereits die Zurückkehrenden, deren Tritte den anderen beiden noch unhörbar waren, aber seine Herrin verstand ihn.

„Sie kommen?“ fragte sie halblaut. „Wir wollen Ihnen entgegen gehen, Greif!“

Langsam schritt sie über die Grashalde, auf der schwer und schimmernd der Nachtthau lag. Wolfgang machte keinen Versuch, sie zurückzuhalten, er verharrte regungslos auf seinem Platze. Das letzte der Bergfeuer sank soeben zusammen, einige Minuten schimmerte es noch auf der Höhe wie ein matter verlöschender Stern, dann verschwand es.

Der Wolkenstein war dagegen völlig klar geworden, das Gewölk, das ihn zuletzt nur noch wie ein schimmernder Nebelduft umgab, schien zu zerfließen und zu zerrinnen in den Mondesstrahlen; klar und leuchtend stand der eisgekrönte Gipfel da. Sie hatte sich entschleiert, die stolze Herrscherin des Gebirges, und thronte nun dort oben in ihrer geisterhaften Schönheit und über ihrem Reiche lag die schweigende geheimnißvolle Mittsommernacht, mit ihrem Geisterweben, wo die versunkenen Schätze heraufsteigen aus der Tiefe und aus Erlösung harren – die uralte, heilige Sonnwendnacht!

(Fortsetzung folgt.)




Deutsche Städtebilder.
Dresden.
Von Dr. Franz Koppel-Ellfeld.       Mit Illustrationen von Olof Winkler.

Umgebung Dresdens den Loschwitzer Bergen zu.

Berühmtheiten müssen sich’s gefallen lassen, immer aufs neue abkonterfeit und besprochen zu werden, heute en face, morgen im Profil; es giebt stets etwas anderes zu loben und zu tadeln. Dresden ist eine Berühmtheit unter den Städten; es ist eine Perle, die im 18. Jahrhundert ihre reiche Rokokofassung erhielt. Noch heute läßt der erste Ueberblick den Fremden erkennen, daß die Natur und August der Starke das Meiste, ja fast alles für Dresden gethan haben; August der Starke und sein Sohn, der in des Vaters Fußstapfen trat. Links der Elbe erhob sich die wunderbare Kuppel der Frauenkirche und der Zwinger wuchs wie ein Märchen aus dem Boden, die Bildwerke Corradinis und Permosers füllten den Großen Garten, dem rechten Ufer gab damals schon das Japanische Palais den eigenartigen Abschluß, die Ritterakademie und das Blockhaus an der alten Brücke schlossen das Uferbild. Die reizvolle katholische Hofkirche und die großartigen Gartenanlagen des Grafen Brühl auf der Festungsterrasse vervollständigten die weltbekannte Vignette, die man das malerische Monogramm von Dresden nennen könnte. Unsere Hauptansicht (S. 584 und S. 585) zeigt diese Vignette von der Albertbrücke aus. Diese Brücke wurde erst vor zehn Jahren dem Verkehr übergeben, aber sie hat rasch zur Entstehung neuer aus Palastreihen sich zusammensetzender Straßen und Aveunen auf beiden Ufern geführt; auch die imposante Terrassenuferstraße mit dem vorliegenden breiten Quai naht ihrer Vollendung; sie wird einen prächtigen Abschluß am Fuß des Belvedere erhalten, wenn erst in einigen Jahren die neue Ringstraße dort, wo jetzt dem alten Elbberg mit seinen Baracken noch eine kurze Galgenfrist gewährt ist, auf die vierte Elbbrücke mündet und zu den projektiven großartigen Staatsgebäuden und Straßenanlagen der Neustadt hinüberführt. Unsere Abbildung zeigt also die altberühmte Vignette Dresdens, wie sie bald nicht mehr sein wird.

Schon ist der Doublettensaal und das charakteristische Café Torneamenti von der Terrasse verschwunden; die neue Welt, die dort erstehen soll, ist zwar noch mit Brettern vernagelt, aber schon sieht der fertiggestellte Umbau des Zeughauses der Terrasse von der Stadtseite aus so zu sagen über die Achsel; bald werden die Kunstakademie und das Kunstausstellungsgebäude sich erheben. Das war das rasch sich zu unvergänglicher Schönheit entfaltende Dresden, von welchem Loen im Jahr 1718 geschrieben hat: „Es schien zu meiner Zeit ein recht bezaubertes Land, welches sogar die Träume der alten Poeten übertraf. Hier giebt es immer

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_587.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)