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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Maskeraden, Helden- und Liebesgeschichten, verirrte Ritter, Abenteuer, Wirthschaften, Jagden, Schützen- und Schäferspiele, Kriegs- und Friedensaufzüge, Ceremonien, Grimassen, schöne Raritäten; kurz alles spielt; man sieht zu, man spielt mit, man wird selbst gespielt, ludendo ludimur.“ Und von demselben Dresden, das sich dem Lebemann so verführerisch darstellte, schrieb etwas später der ernste Winckelmann: „ Die reinsten Quellen der Kunst sind geöffnet; glücklich ist, wer sie findet und schmeckt. Diese Quellen suchen, heißt nach Athen reisen, und Dresden wird nunmehr Athen für Künstler.“ Dem Kavalier und vornehmen Abenteurer erschien dasselbe Dresden als das deutsche Versailles und dem sinnigen Poeten wie Herder, däuchte es ein deutsches Florenz. Schrieb er doch in der „Adrastea“:

„Blühe, deutsches Florenz, mit deinen Schätzen der Kunstwelt!
     Stille gesichert sei, Dresden-Olympia, uns!“

Und heute weiß jeder halbwegs Gebildete in allen fünf Welttheilen, daß Dresden gemeint ist, wenn man von „Elbflorenz“ spricht. Nicht das leibliche, das geistige Auge nur konnte diesen Vergleich schaffen. In Beziehung auf ihre eigenartigen äußern Reize können Florenz und Dresden nur mit sich selbst verglichen werden und haben gar keine Aehnlichkeit miteinander. Es ist ein himmelweit verschiedener Blick, der von San Miniato und der von der Brühlschen Terrasse; aber überraschend ist jeder und wohl geeignet, sich dem Beschauer unvergeßlich einzuprägen. Der reizende Bogen des Elbstroms mit seinen zahlreichen Schiffen, den belebten Brücken, den eigenartigen Bauten, den villengeschmückten Gärten und Höhen elbaufwärts über Loschwitz und den Burgberg bis zum Weißen Hirsch und thalwärts bis zu den violettschimmernden steilen Rebenhügeln der Lößnitz, das ist ein Rundbild, auf welchem Architektur und Landschaft, laute großstädtische Pracht und ruhige landschaftliche Schönheit miteinander wetteifern, wie in gleicher harmonischer Vereinigung nicht leicht an irgend einem anderen Punkt der Welt. So stellt es dem Rundschau haltenden Auge im großen und ganzen sich dar; im einzelnen freilich und als Detail betrachtet erscheint manches kleinlich, störend und geradezu häßlich. So das stellenweise noch sehr vernachlässigte Ufer, der Pontonschuppen, fiskalische und andere unansehnliche Gebäudekomplexe auf der Neustädter Seite, so das sogenannte italienische Dörfchen, das spießbürgerliche Hôtel Bellevue, das Finanzministerium und die baufälligen Baracken des Elbbergs aus dem linken Ufer. Ja, die Brühlsche Terrasse selbst rechtfertigt den Weltruf, den sie hat, höchstens als origineller Aussichtspunkt auf Stadt und Land; Gebäude, ihrer würdig und von monumentaler Schönheit, sind unter Lipsius’ Leitung dermalen erst im Bau begriffen, und das weltbekannte Belvedere, das Rendez-vous für alle Welt aus aller Welt, nimmt sich zwar ganz einzig aus, wenn es bei Nacht im Glanz seiner pompösen Beleuchtung weit in das Elbthal hinausstrahlt und, wie es unsere Abbildung zeigt, überdies noch die vom Vollmond beleuchtete Kuppel der Frauenkirche zum Hintergrund hat; bei Tag aber sieht es dafür wie eine richtige Theaterkoulisse nach gar nichts aus und nur die gediegene Fiebigersche Bewirthschaftung und die guten Konzerte der Hauskapelle entschädigen den Fremden einigermaßen für die mit der Vorstellung des Weltrestaurants vom Belvedere meistentheils verbundene Enttäuschung. Welches bunte Bild mag sich übrigens die Phantasie des Fremden von dem im Mittelpunkt des Dresdener Verkehrs liegenden „italienischen Dörfchen“ entwerfen, und wie nüchtern muß ihm dasselbe in Wirklichkeit daneben erscheinen! Unsere Abbildung bemüht sich, auch dieses über Verdienst bekannte und populäre Restaurant von seiner vortheilhaftesten Seite zu zeigen. Auch hier spielt die Kuppel der Frauenkirche wieder eine Hauptrolle am Nachthimmel. Sie erscheint aber nicht bloß immer interessant, sie hat auch eine sehr merkwürdige Baugeschichte. Georg Bähr, ihr Schöpfer, war ein einfaches sächsisches Dorfkind, welches im Jahr 1666 zu Fürstenwalde im Erzgebirge das Licht der Welt erblickte. Er ist nie außer Lands gekommen und hat als des „Raths Zimmermeister“ zu Dresden den genialen Baugedanken, der ihn neben Michel Angelo und Christopher Wren stellt, ganz aus sich selbst geschöpft. Mit der zähen Energie eines Autodidakten hat er den Kampf eines echten Künstlerwollens gegen die fachgenössische Beschränktheit sein Leben lang führen müssen. Im Jahr 1736 schloß der Greis von 70 Jahren die Kuppel; man zweifelte an der Haltbarkeit derselben; der Rath forderte wiederholt Gutachten und specielle Risse für die Laterne. Als dann der hochbetagte Meister durch einen Sturz vom Baugerüst sein Leben einbüßte (26. März 1738), bildete sich die Sage, er habe das Martyrium seines Lebens enden wollen und freiwillig den Tod gesucht. Sein heftigster Gegner war Chiareri, der Erbauer der katholischen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 588. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_588.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)