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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Blätter und Blüthen.

Am Todestage Theodor Körners. Zum fünfundsiebzigsten Male war am 26. August d. J. der Todestag Theodor Körners, des schwung- und gluthvollsten Dichters der Befreiungskriege, wiedergekehrt und an seinem eichenbeschatteten Grabe bei Wöbbelin wurde an diesem Tage des edlen Todten in erhebender Feier gedacht.

Eine sonnige Jugend hatte dem Dichter gelächelt, in Wien hatte er eine Stellung gefunden, die ihm zusagte, sein Dichtergenius wurde von glänzenden Erfolgen gekrönt, das Glück der Liebe erblühte ihm an der Seite einer liebreizenden Braut – die reiche Gegenwart verhieß eine noch reichere Zukunft: da brach im deutschen Vaterland die Sehnsucht nach Befreiung von der Fremdherrschaft gewaltsam sich Bahn, wie ein Mann erhob sich das Volk, und seine besten und edelsten Söhne eilten zu den Fahnen. Nichts vermochte jetzt Theodor Körner mehr in Wien zu fesseln, er verließ sein Glück und seine Liebe und gesellte fortan der Leyer das blutige Schwert. Und zu welcher Größe erhob sich nun der Dichter! Der ganze ideale, freudige, todverachtende Geist der großen Zeit fand in seinen Liedern den reinsten, markigsten, erhebendsten Ausdruck.

„Zerbrich die Pflugschar, laß den Meißel fallen,
Die Leyer still, den Webstuhl ruhig stehn!
Verlasse deine Höfe, deine Hallen: –
Vor Dessen Antlitz deine Fahnen wallen,
Er will sein Volk in Waffenrüstung seh’n.
Denn einen großen Altar sollst du bauen
In seiner Freiheit ew’gem Morgenroth;
Mit deinem Schwert sollst du die Steine hauen,
Der Tempel gründe sich auf Heldentod!“

so mahnte er beredt, begeistert und nur eine Parole gab es für ihn: fallen oder siegen!

„Das Leben gilt nichts, wo die Freiheit fällt.
Was giebt uns die weite unendliche Welt
     Für des Vaterlands heiligen Boden? –
Frei woll’n wir das Vaterland wiedersehn,
Oder frei zu den glücklichen Vätern gehn!
     Ja! glücklich und frei sind die Todten.

Drum heule, du Sturm, drum brause, du Meer,
Drum zitt’re, du Erdreich, um uns her;
     Ihr sollt uns die Seele nicht zügeln!
Die Erde kann neben uns untergehn;
Wir woll’n als freie Männer bestehn
Und den Bund mit dem Blute besiegeln.“

Und mit seinem „Blute besiegelt“ hat der Held und Sänger die Freiheit des Vaterlandes in der That! Er sah die Braut nicht wieder, die er in Wien verlassen, nicht die theuren Eltern, die klagende Schwester, die dem Gram um ihn nach kaum zwei Jahren erlag und an seiner Seite zur ewigen Ruhe gebettet ward; doch ob auch die tückische feindliche Kugel den Mund des Sängers für immer verstummen machte: unvergänglich lebt er fort in seinen Liedern, und seine Mahnung:

„Doch stehst du dann, mein Volk, bekränzt vom Glücke,
In deiner Vorzeit heil’gem Siegerglanz:
Vergiß die treuen Todten nicht und schmücke
Auch unsre Urne mit dem Eichenkranz!“

ist nicht vergebens gesprochen. Das Grab des edlen Todten von Wöbbelin wird von treuer Hand gepflegt und mit den größten und edelsten Söhnen des Vaterlandes hat Theodor Körner einen dauernden Platz gefunden im Herzen des dankbaren deutschen Volkes.

* *     

Der Athmungstuhl. (Mit Abbildungen.) Es ist kein Folterinstrument, welches unsere beiden obenstehenden Abbildungen wiedergeben. Dieser Stuhl ist nicht das Produkt des finstern Mittelalters, sondern entstanden in unserm humanen Jahrhundert. Demgemäß soll er auch Leidenden Linderung bringen.

Die Beschwerden der Athemnoth, welche das Lungenemphysem und das Asthma mit sich bringen, sind zu allgemein bekannt, als daß wir sie zu schildern brauchen. Ebenso bekannt ist es, daß die inneren Heilmittel in den allermeisten Fällen keine Hilfe gegen diese Beschwerden bringen. Man hatte in der letzten Zeit versucht, durch einen vom Arzte oder vom Gehilfen desselben auf den Brustkorb ausgeübten Händedruck die Ausathmung zu erleichtern, und diese Methode erwies sich günstig. Leider war mit ihr der Uebelstand verbanden, daß die Kraft keines Menschen ausreichte, diese sogenannte manuelle Behandlung des Brustkorbes länger als eine Viertelstunde bis höchstens eine halbe Stunde fortzusetzen und daß, wenn der Anfall plötzlich, namentlich in der Nacht, eintrat, der Gehilfe nicht gegenwärtig war. Außerdem konnte der Händedruck den Athembewegungen des Kranken nicht genau angepaßt werden.

Allen diesen Uebelständen, oder wenigstens dem größten Theil derselben, wird durch den Athmungsstuhl abgeholfen. Nachdem sich der Kranke bei eintretender Athemnoth in den Stuhl gesetzt, werden die Bänder eingehakt und schließen nun den Brustkorb und die Schultern ein. Die beiden Hebelarme sind möglichst weit zurückgestellt. Der Kranke erfaßt nun die Hebelarme mit seinen Händen und holt tief Athem (vgl. Fig. 1). Athmet er aus, so zieht er die Hebelarme zusammen, bis er die aus Fig. 2 angedeutete Stellung erreicht. Durch diese Bewegung der Hebelarme wirkt der Mechanismus des Stuhles derart, daß die Bänder auf den Brustkorb den gewünschten Druck ausüben und die Ausathmung erleichtern und verstärken. Beim weiteren Einathmen werden die Hebelarme vom Kranken wieder auseinander gestreckt und dann beim Ausathmen wieder angezogen – eine gewiß sehr einfache Thätigkeit.

     Fig. 1.  Fig. 2.
Der Athmungsstuhl.

Prof. Dr. M. J. Roßbach in Jena hat den Stuhl in die wissenschaftliche Welt durch einen Vortrag auf dem VI. Kongreß für innere Medizin in Wiesbaden eingeführt; er ist aber nicht der Erfinder desselben. Der Stuhl ist gewissermaßen ein Werk der Selbsthilfe eines hochgradigen Emphysematikers. Prof. Roßbach berichtet darüber folgendes:

„Einer meiner Kranken, Herr Bergmeister[WS 1] Zoberbier aus Gera bei Elgersburg, hatte sich auf meinen Rath wegen hochgradigen Emphysems mit gutem Erfolge durch seine Frau manuell den Brustkorb komprimiren lassen, wurde aber in der Fortsetzung dieses Verfahrens durch eine Erkrankung der letzteren gestört. Er nahm sich daher vor, einen eigenen Apparat zu konstruiren, mit Hilfe dessen er ohne Beistand mittelst seiner eigenen Arme im Stande wäre, seinen Brustkorb rhythmisch bei jeder Ausathmung zu komprimiren. Derselbe gelang über Erwarten gut; ich habe ihn ein halbes Jahr lang auf meiner Klinik geprüft, auf Grund der gesammelten Erfahrungen nach mehreren Richtungen hin durch Herrn Zoberbier verbessern lassen und stelle ihn nunmehr in dieser verbesserten Gestalt vor.“

Dieser Stuhl wird fabrikmäßig hergestellt und ist durch Julius Zoberbier in Gera bei Elgersburg zu beziehen. Möge er recht vielen Leidensgenossen des Erfinders Linderung bringen! Wir möchten nur allen, die sich ihn anschaffen wollen, den Rath geben, die ersten Sitzungen in Gegenwart ihres Hausarztes vorzunehmen, damit die Regelung des Druckes unter sachverständiger Aufsicht geschehe; denn auch ein gutes Werkzeug stiftet Schaden in Händen, die damit nicht umzugehen wissen.

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Die Weiber von Schorndorf. Es war anfangs Dezember 1688, als der französische General Mélac zu Ehren seines allerchristlichsten Königs Ludwigs XIV. ohne Kriegsrecht mit seinen Mordbrennerhorden auch nach Württemberg vorgedrungen war und das wehrlose Land besetzte. Um Stuttgart vor Brand und Plünderung zu retten, übergab die Vormundschaftsregierung daselbst die festen Städte, welche die Franzosen begehrten. Nur Schorndorf im Remsthal, damals ebenfalls mit Wall und Graben befestigt und eine der bedeutendsten Städte des Herzogtums Württemberg, war noch übrig, und um die Franzosen auf ihr drohendes Verlangen auch in den Besitz dieser Stadt zu setzen und damit von ihren schamlosen Gewalttätigkeiten im Lande abzuhalten, begaben sich im Auftrage der Stuttgarter Regierung ein paar Beamte dorthin, welche mit dem Gemeinderath wegen Uebergabe der Stadt an die schrecklichen Bedränger unter milden Bedingungen verhandeln sollten Der wackere Kommandant von Schorndorf, Oberst Günther Krumhar, zeigte sich, obwohl er über keine nennenswerte Truppenmacht verfügte, durchaus abgeneigt, zu einem so schmählichen Handel die Hand zu bieten; aber Bürgermeister und Räthe erwiesen sich einem solchen Abkommen zugänglicher, wenn es ihnen Hab und Gut sichern würde und da ja doch ein längerer Widerstand der Stadt gegen die französische Macht nicht möglich ohne Hilfe von den entfernten Reichstruppen erschien, bei einer Erstürmung aber der Feind schonungslos gegen die Einwohnerschaft verfahren wäre.

Als die Frau Bürgermeisterin witterte, daß ihr Ehegemahl als Oberhaupt der Stadt für einen heroischen Entschluß in dieser Noth nicht fähig sein werde, faßte sie mit ihrem heißeren Blut selber einen solchen und ließ flugs, derweil der wohlweise Rath am 14. Dezember morgens mit den Stuttgarter Herren im Stadthaussaal verhandelte, in aller Heimlichkeit andere, ihr als muthig bekannte Nachbarinnen und Gevatterinnen zu sich laden. Sofort und ohne viel weibliches Gerede wurde da beschlossen, alle Weiber der Gemeinde aufzubieten, um vor das Rathhaus zu ziehen und mit schonungsloser Energie zu verhindern, daß die schwachmüthige Obrigkeit „einem liederlichen Trüpplein Franzosen“ die Ehre und die Habe, wenn nicht gar auch die Tugend der Weiber von Schorndorf feige und schmählich überliefere.

Blitzschnell wurde dieses Aufgebot verbreitet, und bald war vor dem Hause der Bürgermeisterin eine Menge von erregten Frauen versammelt, zunächst wohl älterer Jahrgänge und desto geeigneter, das große Werk zu unternehmen. Sie waren gleich in Waffen erschienen, mit Ofen-, Heu- und Mistgabeln, Bratspießen, Besenstielen, Kunkeln, Kuchel- und Stallgewehr, Hellebarden sogar und Nachtwächterpartisanen, oder wer es an dergleichen fehlte, die bekam es augenblicks. Die Anna Barbara Walch, die siebenunddreißigjährige „kleine, unansehnliche, aber äußerst tätige, muthvolle, gescheite und dabei angesehene“ Frau Bürgermeisterin übernahm selbstverständlich den Oberbefehl und führte ihre Armee, stramm in Reih und Glied geordnet, zum Rathhause. Dort soll sie vorsichtigerweise erst in den großen Kachelofen des Sitzungszimmers gekrochen sein, um zu horchen, was die Herren berathen, und, als sie sich derart überzeugt, daß ihre schlimme Befürchtung berechtigt sei, zunächst ihren Mann herausgerufen haben, um ihm zu erklären, daß sie ihn mit eigener Hand todtschlagen werde, wenn er sich unterstehe, die Stadt zu übergeben, und gleiches drohte sie dann im Saale allen verrätherisch gesinnten Vätern derselben an. Diese bewegte und höchst interessante Scene ist im Jahrgang 1867 der „Gartenlaube“ (S. 189) von der Meisterhand E. Häberlins in vortrefflicher Weise dargestellt.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Bürgermeister. Vgl. Kleiner Briefkasten 1888/40
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 627. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_627.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)