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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Blätter und Blüthen.

Zwei Denkmale deutscher Dichter. (Mit Illustrationen.) Den zahlreichen Denkmalen, welche das deutsche Volk seinen Dichtern gesetzt hat, haben sich wieder zwei neue gesellt, das eine in Neiße (Schlesien) und das andere zu Plauen im Vogtlande. Beide gelten echten Poeten, welche sich sowohl als Lyriker, wie als Erzähler und Dramatiker einen Ruf erworben haben: das Denkmal zu Neiße dem Dichter der allbekannten Lieder „In einem kühlen Grunde“, „Wem Gott will rechte Gunst erweisen“, „O Thäler weit, o Höhen“, „Wer hat dich, du schöner Wald“ etc.: Joseph Freiherrn von Eichendorff (1788 bis 1857), und dasjenige zu Plauen Julius Mosen (1803 bis 1867), dessen „Andreas Hofer“, „Die letzten Zehn vom vierten Regiment“, „Der Trompeter an der Katzbach“ u. a. wahre Volksthümlichkeit erlangt haben.

Das Denkmal Eichendorffs in Neiße sollte bereits am 10. März, dem Tage der hundertsten Wiederkehr des Geburtstages des Dichters, enthüllt werden. Als aber am Tage vorher der erste deutsche Kaiser die Augen im Tode schloß, wurde die Enthüllung bis Anfang Mai verschoben und ging dann in schlichter würdiger Feier vor sich.

Das Eichendorff-Denkmal in Neiße.
Nach einer Photographie von Ernst Jentsch in Neiße.

Es befindet sich in der Friedrichstadt auf dem von Linden und Akazien beschatteten Eichendorff-Platz. Im Hintergrunde auf unserem Bilde sieht man das Sterbehaus des Dichters, an welchem schon seit 1861 eine einfache Gedenktafel sich befindet. Nur wenige Schritte vom Denkmal aus – und wir sind auf dem Friedhof St. Jerusalem, woselbst Eichendorff neben seiner Gemahlin bestattet liegt.

Das Denkmal, welches mit einem zierlichen Eisengitter eingefriedigt ist, besteht aus zwei Staffeln von schlesischem Granit, worauf sich ein viereckiges, nach oben sich verjüngendes Postament erhebt. Dasselbe besteht aus geschliffenem und poliertem Syenit aus dem Fichtelgebirge und ist auf der Vorderseite mit allegorischen Verzierungen von Bronze versehen. Auf einer breiten Volute befindet sich das Eichendorffsche Familienwappen (Ritterharnisch, Freiherrnkrone und Eichenzweig), dahinter erkennt man Schriftrollen, Feder und Sängerharfe. Ein Eichenzweig strebt zur Höhe und umrankt die Inschrift: „Joseph Freih. v. Eichendorff. 1788/1857.“ Die bronzene Büste des Dichters ist nach einem jüngeren Vorbilde vom Breslauer Bildhauer Seeger, einem geborenen Neißer, entworfen und krönt das Postament in schönster Weise.

Die Feier der Denkmalsenthüllung in Plauen, wo Julius Mosen das Gymnasium besucht und den ersten Grund zu seiner Bildung gelegt hatte, fand im Juli dieses Jahres statt. Das Monument erhebt sich auf dem Postplatze an der Bahnhofstraße inmitten der städtischen Anlagen. Der Unterbau desselben besteht aus polirtem rothen Granit, der Sockel aus Syenit, die Büste, in anderthalbfacher Lebensgröße nach einem Entwurfe von Dr. Kietz-Dresden ausgeführt, aus Bronzeguß. Eine besondere Weihe erhielt die Feier in Plauen durch die Anwesenheit mehrerer Angehörigen des Dichters: seines einzigen noch lebenden Sohnes Dr. Reinhard Mosen, eines Bruders und zweier Neffen, und einen erhebenden Eindruck machte es, als von den Stufen des Denkmals der Sohn des Verewigten in kurzen, markigen, bewegten Worten seinen und der Familie Dank zum Ausdruck brachte.

Die ehemalige fürstbischöfliche Residenz und berühmte schlesische Festung Neiße und die schöngelegene Hauptstadt des Vogtlandes mit dem hoch über die Stadt sich erhebenden alten Schlosse Hradschin haben beide in den Denkmälern einen neuen würdigen Schmuck erhalten, der zugleich in schöner Weise von der pietätvollen Dankbarkeit der Bevölkerung für die Söhne ihrer Heimath Zeugniß ablegt.

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Das Mosen-Denkmal in Plauen.
Nach einer Photographie von H. Axtmann in Plauen.

Unglückliche Kinder. „Im Deutschen Reiche giebt es ungefähr 5000 blinde Kinder, etwa 10 000 Kinder sind taubstumm und etwa 10 000 sind schwach- oder blödsinnig. Wieviel Jammer und Herzeleid schließen doch diese trockenen Angaben in sich ein! Sie bedeuten ein Meer von Vater- und Mutterthränen und einen Abgrund von Hilflosigkeit und Hilfsbedürftigkeit, den menschliche Barmherzigkeit nur zum kleinen Theil ausfüllt. Aber die Liebe hört nicht auf. Mit jedem Jahr steigert sie ihre Leistungen und trifft immer neue Veranstaltungen, das Elend dieser unglücklichen Kinder zu lindern und zu mindern.“

Mit diesen beredten Worten beginnt im „Gartenlauben-Kalender“ für 1889 (Verlag von Ernst Keils Nachfolger in Leipzig) ein Artikel über „die Fürsorge für blinde, taubstumme und andere unglückliche Kinder“.

Nicht das Bild des Elends wird in ihm vor unseren Augen entrollt, sondern es werden den Eltern praktische Rathschläge ertheilt, wie sie derartige unglückliche Kinder behandeln sollen. Vor allem aber wird darauf hingewiesen, daß diese nur in bestimmten Erziehungsanstalten sich eine Bildung aneignen können, welche ihnen das Leben erträglich und sie trotz ihrer Gebrechen zu nützlichen Gliedern der menschlichen Gesellschaft macht. Viele Eltern wissen nicht, daß solche Anstalten vielleicht in ihrer nächsten Nähe bestehen, andere haben ganz verfehlte Ansichten über den Geist, in welchem die Anstalten geleitet werden, und unterlassen so die Unterbringung ihrer Kinder in denselben. In ihrer Unwissenheit begehen sie ein schweres Unrecht an den bedauernswerthen Geschöpfen, und so war es ein gewiß verdienstliches Unternehmen der Redaktion des „Gartenlaube-Kalenders“, nicht nur gegen die Unwissenheit und das Vorurtheil durch ein warmes belehrendes Wort anzukämpfen, sondern all und jedem, der es nöthig hat, zu zeigen, wo er in seiner Nähe eine Erziehungsanstalt für taubstumme, blinde oder schwach- und blödsinnige Kinder finden kann. Die übersichtlich geordnete Zusammenstellung der Anstalten umfaßt nicht allein das Deutsche Reich, sondern auch Oesterreich-Ungarn und die Schweiz.

Möchte die gute Absicht, die mit dem Artikel bezweckt ist, aufs beste erreicht werden! Möchten nicht nur die Eltern der unglücklichen Kinder, sondern auch die gesunder ihn lesen! Viele von ihnen dürften sich dann veranlaßt sehen, auch ihrerseits ein Scherflein beizutragen zu dem großen Werke der Nächstenliebe, welches aus den Zeilen des Artikels uns entgegenleuchtet. Fingerzeige, wie das zu thun ist, findet, wer Mittel und Herz zum Geben hat, in dem Artikel selbst.

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Berühmte Namen auf der Tafel. Es giebt auch eine Küchenphantasie. Darunter sind aber nicht etwaige phantastische Anwandlungen der Köchinnen zu verstehen, sondern die Kunst der Köche, Namen für Speisen zu erfinden. Besagen diese Namen nicht, woraus die Speise besteht, so nennt man sie in der Küchensprache Phantasienamen. Das Register solcher Produkte der Küchenphantasie ist ziemlich umfangreich. Wir wollen nur einige hervorheben, bei denen Namen berühmter Personen als Flagge für die Speise benutzt werden. Manchmal sind dabei recht sonderbare Zusammenstellungen zu Stande gekommen. So ist der kriegerische Nelson, der Sieger bei Abukir, auf den Speisekarten mit Lammkoteletten à la Nelson vertreten; Macchiavelli, der Diplomat, durch einen Schweinskopf à la Macchiavelli verewigt. Wer kennt nicht den Sänger der „Göttlichen Komödie“? Auch die Köche haben ihn nicht vergessen, sie bieten uns an: ein Rindsstück à la Dante Alighieri. Chateaubriand, der Dichter der „ Atala“, ist uns gleichfalls bekannt; was bedeutet aber wohl auf der Speisekarte: Chateaubriand naturel, Chateaubriand à la jardinière, Chateaubriand aux truffes? Ja, das sind echte Phantasienamen. Der Dichter-Gourmand Chateaubriand ist hier gleich einer Art Rumpsteak. An die Schwimmkünste Byrons erinnert uns ein Fischgericht: es ist Steinbutte à la Lord Byron. Auch Gambetta, der Redelustige, fehlt nicht in dem Küchenlexikon: grenouilles à la Gambetta heißt das Gericht, welches wir mit „Gambetta-Frösche“ verdeutschen möchten. Die Franzosen beherrschten Jahrhunderte lang die Küche, und so sind auch die Titulaturen der Speisen zumeist dem französischen Ruhmeslexikon entlehnt worden. Deutsche Namen sind auf den Speisekarten seltener; es giebt aber auch solche, wie z. B. „ Fürst-Pückler-Eis“. Neuerdings sind auch bei Festessen die Bezeichnungen „Kaiser-Wilhelm-Suppe“, „Bismarck-Pudding“ oder "Ochsenlende nach Bismarck-Art“ aufgetaucht. Aber sie werden sich schwerlich halten. Wozu auch diese Tafelverherrlichung? Wir müßten dann auch „Moltkebomben“ haben, und diese lassen wir doch lieber unsere Nachbarn kosten und schmecken.

Der theure Wein. (Mit Illustration S. 640 und 641.) Das Bild von B. Vautier führt uns in eine von den Touristen aufgesuchte Dorfschenke in den Schweizer Bergen. Ein mißvergnügter Ferienreisender ist

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 647. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_647.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)