Seite:Die Gartenlaube (1888) 674.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Und Käthchen nahm es übel, daß der Vetter noch von einer andern Schönheit sprach als von der ihrigen. „Fama?“ wiederholte sie verdrießlich. „Die kann das gar nicht wissen; denn sie ist nicht hier gewesen.“

„Aber sie erzählt doch auch,“ schmeichelte Achatius, „man könne ein Rosenblatt auf Eure Wange legen und selbiges nicht von ihr unterscheiden.“

„Liebwerther Vetter,“ unterbrach ihn Frau von Tautenburg ärgerlich, „es ziemt sich nicht, die Ohren eines unschuldigen Kindes mit Zuckergeschwätz zu füllen. Laßt Euch das von einer aufrichtigen Frau gesagt sein. Erzählt uns lieber etwas Neues aus Weimar. Daß Euer Herzog Wilhelm mit seiner sanften Gemahlin Eleonore glücklich lebt, ist uns bekannt. Aber denkt denn keiner Eurer drei jüngeren Prinzen daran, sich zu verheirathen?“

Sie sah ihn forschend von der anderen Seite an.

„Großehrenreiche Frau!“ erwiderte Achatius. „Es ziemt uns nicht, den Schleier der Zukunft zu lüften.“

Und schelmisch lächelnd fuhr er fort:

„Laßt auch Ihr Euch das von einem aufrichtigen Mann gesagt sein. – Der Schwan ist fürtrefflich gebraten.“

Er kieferte säuberlich ein Knöchlein ab und legte es auf seinen Tellerrand.

Käthchen schaute ihm schier ehrfürchtig zu. Dann blickte sie finster auf den Junker Utz, der nach seinem redlichen Tagewerk tüchtig aß, ein Schwadrament auf seinem Teller anrichtete und, altem Brauch gemäß, die Knochen unter den Tisch warf.

Dazwischen rief er ihr zu. „Jungfrau Katharine, versteht Ihr auch, solchen Mostrich zu bereiten? Lernt es ja! Er ist gut auf den Trunk gewürzt. Mir geht nichts darüber.“

Sie vermochte vor Erbosung nur höhnisch aufzulachen.

Dem Schloßhauptmann verging alles höfische Sinniren; er schenkte eiligst wieder ein.

„Trinket aus, liebe Freunde, auf daß wir der Kanne endlich auf den Grund kommen.“

Utz leerte gehorsam seinen Deckelkrug. Er hielt es für Gastespflicht, dem guten Trunk Ehre anzuthun. Aber angesichts des fremden Hofmeisters schmeckte ihm der Rheinfall wie Schlehenwein.

Welch eine verdammte Art zu lächeln hatte der Kerl, daß man immer nur die Spitzen der weißen Zähne zwischen den rothen Lippen sah! Und warum hing die Käthe also mit den Augen an dem Zierbengel? Er, der wackere Junker Utz, bekam nichts von ihr zu sehen als die blonden Löckchen im Nacken. Daß doch ein Donnerwetter drein schlüge!

Je grimmigere Blicke er zu dem Pärlein hinüberschoß, desto muthwilliger wurde Achatius.

„Holde Herzensbezwingerin,“ flötete er, „lasset Euch erweichen! Schenket mir das roth- und weißgestreifte Schleiflein, daß ich es als Favor allezeit bei mir führen kann.“

Mit gewandter Hand löste er die Schleife von Käthens Kragen und befestigte sie auf seinem Wams nächst dem Herzen mit einer Spendel.

Käthchen strahlte vor Glück.

Utz schlug mit der Faust, in der er das Messer hielt, auf den Tisch. „Was ist das für ein alamoder Unrath?“

Achatius richtete sich auf. Seine Augen blitzten den Junker an. Aber er besann sich, machte ihm nur eine spöttische Verbeugung und erklärte herablassend: „ Ein Andenken an die Dame, welche wir adoriren. So trug Herzog Christian von Braunschweig allezeit den Handschuh der Pfalzgräfin Elisabeth am Hut.“

„Ich erachte ihn für einen Frauenknecht,“ schrie Utz, dem die Ader auf der Stirn schwoll.

Der Schloßhauptmann wischte sich den Angstschweiß ab.

„Nu, nu!“ begütigte er nach beiden Seiten hin, „er war ein vollkommener Kavalier und tapfrer Held, Gott hab’ ihn selig. Aber Ihr werdet müde sein, Vetter,“ wandte er sich an Achatius, „und wir wollen Euch nicht um Eure Nachtruhe bringen.“

„Ein Kavalier wird nie müde,“ versicherte dieser.

Die Hausfrau hob jedoch eiligst die Tafel auf. „Euren Nachttrunk, Vetter, werde ich Euch in Euer Losament schicken. Hole die Postille, Käthe; es wird Zeit zum Abendsegen.“

Utz wischte sich mit dem Aermel den Mund ab.

Achatius tupfte mit einem Zipfel des Tischtuches an die Lippen. „Möget Ihr sanft in Morpheus’ Armen ruhen!“ sprach er, sich sittig vor den Frauen neigend.

Der Junker wollte Einspruch erheben gegen diesen Wunsch, unter welchem er eine abermalige Unziemlichkeit witterte; aber der Schloßhauptmann klopfte ihm auf die Schulter, drückte ihm seinen Hut in die Hand und sagte: „Ich begleite Euch ein Stücklein Weges. Dann muß ich noch bei der Frau Herzogin den Hofmeister anmelden.“

(Fortsetzung folgt.)




Allerlei Nahrung.
Gastronomisch-naturwissenschaftliche Plaudereien. Von Carl Vogt.
VI. Was da kreucht.

Es ist ein schon seit langem bekannter Satz, daß die Summe des organischen Lebens in den Polarländern wohl ebenso groß ist wie in den gemäßigten und heißen Zonen, daß aber die Wärme die Mannigfaltigkeit der Formen entwickelt, während in den kälteren Zonen größere Einförmigkeit herrscht. Weder auf den südlichen Kontinenten noch in den südlichen Meeren begegnet man solchen nach Tausenden und Millionen zählenden Herden und Schwärmen von Säugethieren, Vögeln und Fischen, wie man sie in nordischen Gegenden anzutreffen gewohnt ist; aber diese Ansammlungen gehören meist nur einer Art von Thieren an. In den südlichen Gegenden kommen solche Herden nur selten vor, obgleich man einige Krokodile in amerikanischen Strömen oder Antilopen in Südafrika anführen könnte; die Arten kämpfen hier ihren Kampf um das Leben mehr vereinzelt, nicht in Massen geschart.

Nirgends treten diese Gegensätze schärfer hervor als in dem Speisezettel der verschiedenen Völkerschaften. Ich lese in einem in der Londoner Anthropologischen Gesellschaft gehaltenen Vortrage über die Feuerländer: „Die See liefert ihnen ihre Hauptnahrung, die aus Muscheln, Fischen, Vögeln und ihren Eiern, Seehunden, Meerschweinen und anderen Walthieren, überhaupt aus allem besteht, was sie bekommen können. Das Guanaco existirt nur in einzelnen Strichen des Landes, sie jagen es dort im Winter mit Hunden auf dem Schnee. Wenn sie übrige Zeit haben, rösten oder braten sie die Muscheln ganz, die andere Nahrung nur halb; sind sie aber beeilt, so essen sie Fische und Fleisch roh. Das Oel, Fett und der Speck der Seehunde und Meerschweine werden von den Leibern abgeschnitten und selbst dann gegessen, wenn sie schon faul sind. Sie haben wenig oder gar keine vegetabilische Nahrung.“

Man braucht nur statt des Guanaco das Renthier zu setzen, so ist es genau der Speisezettel der Eskimos, wie er vor dem häufigen Verkehr mit den Europäern und den von ihnen gebrachten Konserven war. Seehunde und Fische, Fische und Seehunde und zur Abwechselung einige Seevögel und einige Muscheln.

Betrachte man dagegen die reiche Abwechselung des Tisches eines Botokuden, der etwa auf derselben Stufe der Civilisation steht wie der Polarländer, wie dieser alles verzehrt, was er ergattern kann, und sich auch nicht mehr Mühe mit der Zubereitung der Speisen giebt. Abgesehen von der Unzahl der verschiedenen Früchte, Beeren und Knollen der Gewächse, von den eßbaren Kräutern und Blättern, welchen der Polarländer höchstens das Löffelkraut entgegen zu setzen hat, steht dem Botokuden sozusagen das ganze Thierreich in allen seinen mannigfaltigen Formen zur Verfügung. Statt des einen Renthieres oder Guanacos ein halbes Dutzend Hirscharten und dazu fast alle Ordnungen der Säugethiere, Affen, große Fledermäuse, Nagethiere von den kleinen Mäusen bis zu den großen Wasserschweinen, Faulthiere, Tapire, Ameisenfresser, Gürtelthiere – wer zählt und nennt sie alle, die zum Theil, wie die Wasserschweine und Tapire unseren Wildschweinen, die Agutis unseren Hasen nichts nachgeben sollen. Ein in seiner Rückenschale gebratenes Gürtelthier, ein Tatu, sol nach der Versicherung von Autoritäten, welchen ich vollen Glauben

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 674. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_674.jpg&oldid=- (Version vom 6.6.2018)