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verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Ansicht von Mittenwald mit dem Blick auf den Wetterstein.
Originalzeichnung von R. Püttner.


Verfolgen wir unsere Spur weiter, so stoßen wir auf ein hübsches Gedicht von H. Döring mit dem Titel „Der Briefträger“, das mit den Worten beginnt:

„Ein jeder Stand hat seinen Frieden,
Ein jeder Stand hat seine Last!
Mich stellt der alte Spruch zufrieden,
Der völlig auf mein Aemtchen paßt.“

In diesem Gedichte finden wir eine treffende Schilderung von dem Leben und Treiben unseres Postboten, wie es sein Los ist, stets im Freien zu hausen, wie er durch Schnee und Regen und heiße Sommersgluthen dahin eilen muß, wohin ihn seine Bestellungen führen, wo unruhige Erwartung seiner harrt und ungeduldige Herzen seiner Ankunft entgegen schlagen.

Aber er ist sich auch bewußt, daß er überall ein willkommener Gast ist; denn

„Es späh’n nach mir viel Augensterne,
Die Hoffnung wächst, die Furcht entweicht,
Wenn aus dem Fenster in der Ferne
Mein Gelb und Roth dem Blick sich zeigt.“

Er freut sich darüber, daß er mit seiner Botschaft das Dunkel über tausend Dinge zu lichten, der Trennung Schmerz zu mildern im Stande ist und daß er, mit Gold in der Hand, dem Uebel des Trübsinns rasch ein Gegengift zu bieten weiß. Aber Eines will ihm nicht behagen, es betrübt ihn,

„Daß oft der Freund aus meinen Händen
Des Freundes Todeslos empfängt.“

Dann zögert sein Fuß, starr blickt das Auge auf das schwarze Siegel, das er zitternd in der Hand hält, und er betet zu dem Herrn der Heerscharen:

„Laß mich, o Gott, doch ja recht selten
Ein solcher Trauerbote sein.“

Ein anderes Gedicht von Nikolaus Becker zeigt uns den treuen Boten als Opfer seines mühevollen Berufes. Fröhliche Landbewohner kehren von der Kirchweihe zurück und finden ihn in einer Schneewehe, vom Todesschlummer umfangen. Um die Schultern hängt seine Ledertasche und nicht weit von ihm liegt sein treuer Begleiter, der Knotenstock, der ihn stützte, wenn er ermüdet von des Tages Last und Hitze den Heimweg antrat. Sein Dienst ist aus; er wird seinen Herrn nicht mehr begleiten. Die Tasche ist leer; denn die Botschaften, welche ihr Träger zu überbringen hatte, sind wohl bestellt. Nur einen Brief noch hält die starre Hand fest an das stille Herz gepreßt; es ist der Brief, den die Liebste an ihn selber geschrieben hat. Zwar sind die Worte fehlerhaft geschrieben und die Schriftzüge sind steif und ungeschickt, aber die Liebe spricht aus ihnen und die Treue, die über das Grab hinaus seiner wehmuthsvoll gedenken wird. Sie haben ihn getröstet, diese liebevollen Worte, und haben stillen Frieden über ihn gebracht, daß er daliegt wie in erquickenden Schlummer versunken. Have pia anima! Er wird hienieden nimmermehr erwachen.

„Grabt ihm ein Grab, daß, wenn vom Hausgesinde,
Vom Küchenherde sie verstohlen schleicht,
Zur Stunde, wo des Tages Strahl verbleicht,
Die Stätte sie für ihre Thränen finde.

Grabt ihm ein Grab! Sein Recht begehrt der Todte:
Die fromme Pflicht, so ihr an ihm gethan,
Er nimmt sie mit auf seiner neuen Bahn
Zum Himmel auf, ein leicht beschwingter Bote.“

Ich habe dem Ernste des Lebens sein Recht gegeben, und der geneigte Leser wird mir erlauben, daß ich zum Schlusse den Humor das Wort ergreifen lasse, der in der postalischen Poesie ein gern gesehener und ständiger Gast ist und auch den bescheidenen Postboten nicht unberücksichtigt gelassen hat. Da ist die Geschichte von dem „oll Postmeister Müller“ und seinem Postboten Johann, die uns Fritz Reuter in launigen Versen erzählt. Auf die Frage des Postmeisters, ob Johann unter

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1888, Seite 684. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_684.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)