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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

den ihm zur Besorgung übergebenen Briefen auch den abgeliefert habe, „de an

Den Johann Krischan Engel wir,
De bi den Snider[1] Block is in de Lihr[2]“,

antwortet der biedere Merkur auf gut mecklenburgisch:

„Ja Herr. Doch mit den ollen Breiw[3]
Dor gung mi dat tauirst[4] ganz eklich scheiw[5];
De Sak, de was Sihr bisterig[6].
Denn in de Laagerstrat, dor wahnt hei nich,
Un wahnt en Enn’lang wider an den Strand;
Un wahnt nich rechtsch – ne! linker Hand;
Un wahnt ok nich int drüdde Stock, –
Ne! hei wahnt unnen in en Keller!
Sin Meister is nich Snider Block, –
Sin Meister, de heit Snider Teller;
Hei sülwst[7], hei heit[8] nich Krischan Engel, –
Ne, hei heit Ann’meriken[9] Dürten[10] Rist,
Un’t is ok keinen Snider-Bengel –
Ne, Herr, ’ne olle Waschfru is’t.“

Da haben wir zugleich ein Beispiel von der berühmten Findigkeit der deutschen Post.

Und hiermit schließe ich meine anspruchslose Darstellung in der Ueberzeugung, den Beweis geliefert zu haben, daß der deutsche Postbote zu Fuße nicht nur der dichterischen Verherrlichung durchaus würdig ist, sondern auch, daß er seine Sänger gefunden hat, die ihn seinem begünstigteren Berufsgenossen, dem Postillon, ebenbürtig an die Seite gestellt haben. Das, was ich in der vorstehenden Skizze zur Erbringung des Beweises mitgetheilt habe, ist gewiß nur ein geringer Bruchtheil von dem, was zur Verherrlichung und zur Idealisirung jenes bescheidenen Staatsdieners in gebundener Rede gesagt worden ist –

Wer suchen will im wilden Tann,
Manch schönes Stück noch finden kann.

Richard Westphal.     




Freund Box.
Schilderung von Dr. Karl Ruß. Mit Illustration von C. Gerber.

Da sieh’ ihn dir nur an, lieber Leser, den Box, welchen ich im Nachstehenden als ein Wunderthier dir vorführen will. Du schüttelst bedenklich den Kopf und meinst, es sei ein Hund wie alle anderen, ja, dein Nachbar stößt dich mit dem Ellbogen an und flüstert verschmitzt: es ist ein gemeiner Köter von undeutlicher Abkunft. Aber obwohl der Box es allerdings niemals zu einer goldenen oder silbernen Medaille oder auch nur zu einem Ehrendiplom gebracht und überhaupt noch keine Hundeausstellung mit Seiner Anwesenheit geschmückt hat, darf ich es trotzdem unternehmen, dein Interesse für ihn zu erwecken , und ich bitte dich, mir von vornherein zu glauben, daß er sich desselben würdig zeigen wird.

Seitdem wir – gleicherweise jeder gebildete Laie wie der Gelehrte – uns nicht mehr darauf beschränken, bloß den Körperbau und die Lebensweise, Ernährung, Fortpflanzung u. dergl. der Thiere ausschließlich zu ergründen, sondern es als interessant genug und wichtig erachten, unsere Aufmerksamkeit auch den Regungen ihres Seelenlebens zuzuwenden und die Thierwelt in diesem Sinne gleicherweise zum Studium zu machen, zeigen uns die Thiere in unserer unmittelbaren Umgebung eine Mannigfaltigkeit von Erscheinungen, die uns um Staunen und Bewunderung erfüllen, uns aber auch gar viele noch ungelöste Räthsel entgegenstellen.

Züge aus dem Seelenleben der Thiere – das ist nun ein Stichwort geworden, welches einen ungemein fesselnden Reiz für zahlreiche Leute hat. In der That zeigt es sich auch als eine unerschöpfliche Quelle für geistige Anregung, Streben nach Belehrung und damit zu wissenschaftlichem Forschen; aber es birgt auch geradezu seltsame Gefahren. Als ich vor einigen Jahren von der Redaktion der „Gartenlaube“ eine große Anzahl von Zuschriften zur Begutachtung und zum kritischen Sichten empfing, mußte ich mit Bedauern mich davon überzeugen, daß, trotz zahlreicher überaus interessanter Züge von geistiger Regsamkeit der Thiere, doch zur Veröffentlichung nur ungemein wenig brauchbar erschien. Man täuscht sich ja so gern selber und hält unendlich zähe fest am lieben Irrthum. Einfach sachgemäße Auffassung und naturtreue Beobachtung ist bei weitem schwieriger, als man gewöhnlich anzunehmen pflegt, und am allerseltensten dort zu finden, wo noch dazu das volle Verständniß für das Wesen des Thieres fehlt. Während auf der einen Seite die Leicht- und Gerngläubigkeit das Gewinnen stichhaltiger Beobachtungen nur zu schwierig macht, kommt auf der andern die rückhaltlose Abweisung alles dessen, was nicht von vornherein in den Rahmen des Alltäglichen, Erklärlichen gehört, kaum minder schroff zur Geltung. Daher ist’s denn auch gar schwer, Züge aus dem Seelenleben der Thiere nicht bloß wahrheitsgetreu zu erzählen, sondern auch und noch viel mehr, sie den Lesern glaubhaft erscheinen zu lassen. Dennoch soll mich nichts davon abschrecken, ein reichbegabtes Thier, hier den genannten Hund, nach dem wirklichen Leben zu schildern.

An jedem Morgen beim Aufräumen nimmt der Box, ohne eine Aufforderung abzuwarten, die verschiedenen kleinen Teppiche, einen nach dem andern, in den Stuben auf und trägt sie zur Reinigung nach der Küche hinaus, ebenso holt er auf Geheiß die mannigfaltigsten Haushaltssachen, Staub- und Teppichbesen, Staubtuch u. a. herbei. Alle diese Gegenstände, welche er genau kennt und nie mit einander verwechselt, weiß er sich von ihren Plätzen, an denen sie liegen oder hängen, unfehlbar zu verschaffen, im Nothfall in der Weise, daß er durch Hinaufspringen an der Wand sie hinabwirft.

Sobald jemand von den Hausgenossen von einem Ausgange zurückkehrt, bringt Box ganz von selber die Hausschuhe, und niemals wird er die der einzelnen Familienangehörigen verwechseln, sondern er kennt das, was jedem persönlich gehört, genau.

Des Abends zur bestimmten Stunde, um halb acht Uhr, springt er plötzlich von seinem Ruhelager auf, läuft nach der Küche, bellt das Mädchen an, damit sie von der Hausfrau sich Weisungen zum Einholen fürs Abendbrot erbitte, weil er nämlich weiß, daß er dann mit hinaus auf die Straße gelangen kann.

Oft wird er zur Besorgung von Aufträgen hinausgeschickt, so z. B. von der Wohnung aus nach dem mindestens eine Viertelstunde entfernt gelegenen Geschäft. Dann erhält er aber nicht, wie man es bei anderen Hunden zu thun pflegt, einen Korb ins Maul, sondern ein Zettel oder Brief wird ihm am Halsband befestigt, damit er sich gegen etwaige Widersacher und Störenfriede unterwegs wehren kann. Wenn ihm beim Fortgehen gesagt wird, daß eine Antwort nöthig ist, so wartet er geduldig, bis man ihm diese mitgiebt, während er sonst sogleich wieder fortläuft; selbst Geld muß er in dieser Weise zuweilen bringen. Er hält sich dabei unterwegs gar nicht auf, läßt dann alle andern Hunde außer Acht, während er sich doch sonst gern um solchen tummelt. Wenn er keinen Auftrag bekommen, so treibt er sich auch wohl längere Zeit auf der Straße umher, und da bleiben Raufereien um seinesgleichen natürlich nicht aus, und Maulkorb, Halsband und Marke gehen bei denselben nur zu oft verloren. In seinen zehn Jahren ist er bereits fünfmal vom Scharfrichterknecht eingefangen und der Maulkorb hat schon einige zwanzig Mal ersetzt werden müssen; Box ist also auch in diesem Sinne ein theurer Hund geworden.

Eine seltsame Klugheit äußert er in seinem Verständniß für den Sonntag. Während er allmorgendlich pünktlich um ½7 Uhr an die Thür des Schlafzimmers kommt und sich durch Schnüffeln – kratzen darf er nicht – bemerkbar macht, gleichsam um zu wecken, verhält er sich am Sonntag, wohl infolge der Stille, ganz ruhig und wartet geduldig, bis allmählich alle Hausgenossen munter werden. Im Verlauf des ganzen Sonntags pflegt er meistens gar nicht zu fressen, wahrscheinlich weil er befürchtet, daß, während er damit beschäftigt ist, die Familie ausgeht und er so um sein größtes Vergnügen kommt. Genau weiß er, daß am Sonntag das Geschäft geschlossen ist, denn wenn es versucht wird, ihn an diesem Tage dorthin zu schicken, so verweigert er den Gehorsam, was sonst niemals geschieht. Dagegen kommt es wohl vor, daß, wenn die anderen zu Hause bleiben, er hinunter läuft, um auf der Straße den Geschäftsführer zu erwarten und diesen auf einem Ausgange zu begleiten.

Spät des Abends, beim Schlafengehen, wenn jeder sich zur Ruhe begiebt, thut dies auch der Box, aber in der Weise, daß er seine Decke von ihrem bestimmten Platz hervorholt und mit derselben wartet, bis jemand kommt. Dann legt er sich behaglich auf seinem Strohsack zurecht und wird zugedeckt.

Für Lob und Tadel ist er ungemein empfänglich. Bei jeder Dienstleistung, die er verrichtet, erwartet er, daß ihm gedankt und er gelobt werde. Wenn man dies aber vergißt, so kommt es vor, daß er bei der nächsten Gelegenheit die betreffende Dienstleistung stillschweigend verweigert, das heißt also ein Paar Hausschuhe nicht herbeiträgt u. s. w.

Als gesitteter, gleichsam gebildeter Hund hat er für eine gewisse Feinschmeckerei ausgeprägten Hang und nachweislich das vollste Verständniß. So darf ihm nur gesagt werden: Box heute giebt es


  1. Schneider.
  2. Lehre.
  3. Brief.
  4. zuerst.
  5. schief.
  6. verworren.
  7. selbst.
  8. heißt.
  9. Annemarie.
  10. Dorothea.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 685. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_685.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)