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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

In den kriegerischen Erwartungen, die er daran zu knüpfen berechtigt war, sah er sich nach der schmählichen Ermordung Stilichos, des bis dahin allmächtigen Reichsregenten, getäuscht und zog nun an der Spitze seiner gothischen, alanischen und hunnischen Heerscharen unaufgehalten bis Rom, um von dort seine neuen Bedingungen vorzuschreiben. Noch war er mit heiliger Scheu vor dem Unterfangen, die Majestät dieser Kaiserstadt zu erniedrigen, erfüllt, als er sich Rom näherte. Aber schon die ersten Tage der Belagerung belehrten ihn, daß er es nicht mehr mit dem stolzen Rom zu thun habe, welches einst Hannibal zu trotzen vermochte.

Längst entartet war das Geschlecht, das sich von dem Kriegsruhm und den gierigen Eroberungen der Legionen gemästet. Verworfene Cäsarenwirthschaft hatte seit vier Jahrhunderten das Ihrige dazu beigetragen, das Volk in Ueppigkeit und Schwelgerei zu entmannen, und schon nach der ersten Belagerung und Einnahme Roms im Jahre 408 war Alarich als König seiner Gothen mitten in diesem faulen Reich der wahre Herrscher, niemand konnte ihm wehren. Er hätte die Schattenherrschaft umstoßen und die seinige dafür aufrichten können, aber er zauderte vor solcher That. Zwar zog er im Jahre 409 abermals vor Rom, das er zwang, den Stadtpräfekten Attalus zum Kaiser auszurufen, der ihn dafür zum Generalissimus des Reichs ernannte. Die halbe Maßregel blieb jedoch ohne Bedeutung, da er bald mit Attalus zerfiel, diesen entthronte und nun im Jahre 410 ein drittes Mal vor Rom rückte, um ihm dasselbe Schicksal zu bereiten, welches es in seiner Machtfülle schonungslos über so viele berühmte Städte bereits verhängt hatte.

Rom zitterte von neuem und sah seinen Untergang voraus, als Alarich mit seinen Barbarenheeren, zu denen noch flüchtiges und rachgieriges Sklavenvolk zu Tausenden gestoßen war, die Riesenstadt wieder umzingelt hielt. Schrecken und Entsetzen herrschten überall. Die Christen, welche in der letzten Zeit, wie im ganzen Reich, so auch in Rom, die unbedingte Oberherrschaft gewonnen hatten, flüchteten sich in die Kirchen und beteten; der trotzige Rest der noch der altrömischen Vielgötterei Anhängenden rief die gestürzten Olympier an; die die Gottesgleichheit Jesu verwerfenden Arianer, die seit einem halben Jahrhundert als Ketzer von der kaiserlicherseits begünstigten römisch-katholischen Kirche verdammt waren, brüteten Verrath an ihren Religionsfeinden und setzten sich heimlich mit Alarich in Verbindung, der mit den Seinigen dem arianischen Christenthum angehörte.

Und nun fiel Rom, so tief und schmählich, wie niemals seit jenem Tage achthundert Jahre zuvor, an dem der Gallierkönig Brennus ihm sein furchtbares vae victis! (Wehe den Besiegten!) ins Gesicht geschleudert hatte. Verwirkt hatte es seine bisher unantastbare Majestät, verfallen war es dem aufstrebenden, kernhaften Barbarenthum, als dessen vornehmster Vertreter Alarich erschien. Etwas wie eine höhere Mission erfüllte denselben hierbei; ein dunkles Bewußtsein seines Genius ging in ihm auf, ein Alexander-Traum umfing ihn. Er wollte das politische, nicht aber das christliche Rom verderben. Dem Gott seiner Religion zu Preis und Ehren zog er wie ein römischer Triumphator auf feurigem Schlachtroß, geschmückt mit goldener Rüstung und die funkelnde Krone auf dem noch in Jugendfälle strahlenden Antlitz, in die prachtvolle Stadt der in Schrecken Gelähmten. Die Angst, die Verzweiflung, den patriotischen Grimm, die bittere Noth, welche in tausend Gestalten auf den Straßen hockten und seinen Zug umgaben, beschwichtigte er mit seinem gnädigen Wort und Zeichen. „Schonung allen, die in den Kirchen sind, das Leben allen, welche zum Christengott beten,“ so verkündigte er und die Geschichte berichtet, wie er die Schätze von Sankt Peter unter seinen persönlichen Schutz nahm.

Bei der Plünderung der Stadt Rom, 410, so erzählt Gregorovius in seiner Geschichte der ewigen Stadt und schildert damit genau die von unserem Künstler im Bilde wiedergegebene wirkungsvolle Scene, fanden die Gothen kostbare Heiligthümer in der Hut einer christlinchen Jungfrau. Darin den Kirchenschatz von Sankt Peter erkennend, gab Alarich den Befehl, die Reliquien und ihre Hüterin nach dem Sankt Peter zu geleiten. Als diese seltsame Schar, die von Edelsteinen funkelnden Weihgeschenke tragend, fortzog, verwandelte sie sich alsbald in eine Procession. Fliehende Christen, Frauen, Kinder, Greise, die sich schutzsuchend herzudrängten, die eben noch leidenschaftlich erregten gothischen Krieger, alle schlossen sich an, und nach der Kirche ziehend, durchbrachen sie das wüste Gelärm der Plünderung durch die feierlichen Töne eines Hymnus und boten ein Gemälde dar, welches die Kirchenväter als einen Triumphzug der christlichen Religion verherrlicht haben.

Nach sechstägiger furchtbarer Plünderung der Stadt brach der Gothenkonig wieder auf und überließ Rom seiner Noth und Schmach. Das beutebeladene Heer mit vielen vornehmen Gefangenen bedeckte in endlos langem bunten Zuge die appische Straße. Alarich zog nach Süden; er wollte nach Sicilien, unklar über das Ziel, welches er erstreben sollte, verwirrten Sinnes über die Fülle seiner Macht, die er nicht zu festigen wußte. Das Glück tödtet auf schwindelerregender Höhe, zu der man über Ruinen gestiegen. Alexander erfuhr es mitten in seinen Entwürfen eines indischen Weltreichs in seinem dreiunddreißigsten Jahre; Alarich in demselben Alter, trunken darüber, jedes Glied des stolzen Römerreichs gleichsam mit Fußen treten zu können. In Unteritalien hielt der Tod ihn auf. Er starb, ehe er das Endziel seines Lebens erkannt. Seine Gothen sicherten, der Sage nach, auf ewig eine Schändung seiner Leiche durch die Römer, indem sie dieselbe im Bette des Busento bei Cosenza begruben und dann die Gefangenen tödteten, welche diese Arbeit verrichten mußten, damit keiner von ihnen das Grab des Glorreichen verrathen könne.

Das Augusta-Hospital des „Vaterländischen Frauenvereins“ in Breslau.

Das Augusta-Hospital des „Vaterländischen Frauenvereins“ in Breslau. Zu den neuesten Schöpfungen der gemeinnützigen Thätigkeit des weitverzweigten „Vaterländischen Frauenvereins“ gehört das nebenstehend abgebildete Hospital. Dasselbe ist am Lehmdamm in gothischem Stil im Rohbau von dem Architekten A. Grau erbaut und enthält außer dem Asyl der Krankenpflegerinnen eine chirurgische Poliklinik, beides unter der bewährten Leitung des Dr. O. Janicke. Es ist in 7 Krankenzimmern Raum für 14 Kranke beiderlei Geschlechts. Sämmtliche Räume sind nach den hygienischen Anforderungen der Neuzeit in Bezug auf Bau und Einrichtung hergestellt, gut ventilirt und stehen in beiden Geschossen in Verbindung mit einer an der Südseite gelegenen Veranda. Auch das Innere entspricht in seiner einfach ernsten gothischen Erscheinung dem Aeußeren des Hauses. Das Sitzungszimmer, wo auf den bemalten Wänden das deutsche Reichswappen und das schlesische Wappen, von reichem Ornament umgeben, dargestellt sind, erhält einen besondern Schmuck durch das Porträt der Kaiserin-Witwe Augusta. Auch an bequemer Einrichtung für das Dienstpersonal fehlt es nicht, ein Aufzug vom untersten bis zum Dachgeschoß erspart den lästigen Transport von Speisen und Wäsche über die Treppe; kaltes und warmes Wasser kann in allen Stockwerken auf dem Flur entnommen werden; auch für kalte und warme Wannenbäder ist in ausreichender Weise gesorgt. Die Ostfaçade ziert eine Sandsteinfigur unter reichem Baldachin, die Charitas mit dem rothen Kreuz in der erhobenen Rechten darstellend; den Giebel ein Wappen mit dem Namenszug A, darüber die Kaiserkrone in reicher Vergoldung. Von der obersten Staffel leuchtet weithin das auf reicher schmiedeeiserner Verzierung befestigte rothe Kreuz.

Das große Grundstück gewährt in seinen durch den Obergärtner J. Schütze hergestellten schönen Gartenanlagen den Kranken Gelegenheit zur Erholung in frischer Luft, so daß allen Bedingungen eines guten Krankenhauses hier Rechnung getragen ist. Ernst berührt den Besucher ein kleiner, von Gebüschen umgebener kapellenartiger Rohbau im Hintergrunde des Gartens, dessen Inneres einen Aufbahrungsraum, eine Todtenkammer und einen Desinfektionsraum enthält; das Sandsteinkreuz des Giebels deutet den ernsten Zweck des kleinen Baues an.

Stimmen gegen Alamode-Unwesen. Es ist bekannt, wie die deutschen Lehr- und Strafdichter seit Brants „Narrenschiff“ ein gut Theil ihrer Angriffe gegen das Nachäffen des Fremden, besonders in der Tracht gegen die Bevorzugung fremder und neuer Stoffe und Moden vor den einheimischen und von den Vätern ererbten gerichtet haben. Die Auffassung dieser Dichter ist gegenüber dem Standpunkte, den die Jetztzeit zu dieser Frage einnimmt, im wesentlichen eine ideale. Sie kämpfen gegen das der Menschenwürde Ungeziemende, wie Brant, wenn er in der Erläuterung des vierten Bildes seines Narrenschiffes, auch auf heutige Albernheiten noch passend, sagt:

„Jetzt lernen Männer Weiberart
Und schmieren sich mit Affenschmalz
Und lassen am entblößten Hals
Viel Ring’ und goldene Ketten seh’n.“

Sie kämpfen vor allem gegen den in der Nachäffung des Fremden sich aussprechenden Mangel an Selbstgefühl und Vaterlandsstolz, wie

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 687. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_687.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)