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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

den ernsten Gedanken hat, sie in Verwendung zu nehmen, ist eine ununterbrochene Kette, und sowohl die Antilope von den Gletschern des Atlas, wie der Alligator vom Saume des Mississippi muß seine Haut zur Herstellung des Portemonnaie zu Markte tragen.

Aber eine neue Frage drängt sich nun heran: wo hebt man sein Portemonnaie auf? Die Sitte unserer knappanliegenden Gewandung läßt nur Taschen zu, welche ein solides Portemonnaie bald durchzureiben das Bestreben hat. Je voller gespickt, desto schneller geht dies vor sich. Das Portemonnaie ist unzerreißbar – die Tasche leider nicht. Ueberall geniert es. Seit vielen Jahren experimentire ich, in welcher Tasche ich es am besten unterbringe, und bin noch zu keinem andern Ergebniß gelangt, als daß ich wegen jedes Nickels alle meine zwölf Seiten-, Innen-und Außentaschen – so viel hat mancher Herr im Ueberzieher zu seiner Verfügung – durchstöbere, ehe ich an die richtige gelange. Noch schlimmer sind aber die Damen dran. Ich habe eine unbegrenzte Verehrung für alles, was das weibliche Geschlecht angeht. Ich finde ihre extremsten Moden entzückend, aber wenn ich die krampfhaften Anstrengungen sehe, welche eine Dame in vollem Staat machen muß, um zu ihrer Tasche zu gelangen, dann kann ich mich des ketzerischen Gedankens nicht entschlagen, daß hier eine Verbesserung nicht undenkbar wäre. Ich wohnte einmal einer meist aus Damen bestehenden Trauerversammlung bei und ich bin wahrhaftig kein frivoler Mensch, aber als die Rede zu ihrer wirksamsten Stelle kam und sämmtliche Damen sich wie gothische Figuren zu krümmen und zu schlängeln begannen, um durch Mantel und Oberkleid nach den Taschentüchern zu greifen, da hätte ich Mühe, den der Situation angemessenen Ernst zu bewahren. In Anbetracht dieser Schwierigkeit stecken die Damen ihr Geldtäschchen gewöhnlich in den Muff oder tragen es in der Hand, was mir gar nicht gefallen will. Das Händchen, in welchem die Geschicke der Männer ruhen, sollte nicht zu solchem Dienste mißbraucht werden. Ich fände statt dessen viel hübscher die Einführung des Grethchentäschchens, das sich so graziös an den Gürtel schmiegt und aus dem sich so mildthätig spenden läßt. Aber die äußeren Taschen sind, bei Männern und Frauen, nach innen getreten, wie in dem neuen Haushalt der große behäbige Eichenschrank sich unsichtbar in die Wand geschoben hat.

Und wir brauchen diese Wandschränke in unseren Kleidern. Es ist beinah tragisch, was ein Herr comme il faut heutzutage alles zu tragen hat. Wir wollen einmal zählen:

1) seine Brieftasche, 2) ein Visitenkartenetui, 3) Bürstchen und Kamm, 4) Haus- und Sekretärschlüssel, 5) sein Taschentuch, 6) eine Zeitung, in der Pferdebahn zu lesen, 7) ein Taschenmesser, 8) ein Handspiegelchen, 9) eine Cigarrentasche, 10) sein Pferdebahnbillet, 11), 12), 13) was er zufällig zu sich gesteckt hat.

Ist er aber auf der Reise, so kommen wir auf das Doppelte. Da treten hinzu: der Bädeker, das Taschenteleskop, ein Trinkbecher, eine Hausapotheke, ein Eßbesteck, ein Pedometer, ein Migränestift, ein Skizzenbuch, ein Gummikragen, ein Schreib-und ein Nähnecessaire – und da hätten wir bald die Hauptsache vergessen – das Portemonnaie.

Wenn ein alter Weiser die Worte sprechen konnte: omnia mea mecum porto, so ist es damals eben noch keine Kunst gewesen, „seine ganze Habe bei sich zu tragen.“ Das Leben stellte noch nicht die Ansprüche an den Bürger wie unsere Zeit, und dabei hatte die Toga Falten so weit, daß sie „Krieg und Frieden“ unter ihnen verbergen konnten.

Bis heute scheint mir das Problem noch nicht völlig gelöst, wie man am sichersten und bequemsten sein Geld bei sich führe. Vielleicht wird das Bedürfniß einmal ein Geschlecht züchten, welches den Beutelthieren ähnlich zum Tragen seines Schatzes besondere Muskelvorrichtungen auf die Welt bringt. Dann will ich mich gern zufrieden geben.




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Vom Nordpol bis zum Aequator.
Populäre Vorträge aus dem Nachlaß von Alfred Edmund Brehm.
Die innerafrikanische Steppe und ihre Plagen.
(Schluß.)

Unfreundlich, eintönig und wechsellos erscheint die Steppe dem, welcher sie zum ersten Male betritt. Eine weite, oft unabsehbare Ebene liegt vor dem Auge; nur ausnahmsweise erheben sich aus ihr hier und da einzelne Bergkegel, noch seltener einigen letztere sich zu Gebirgszügen. Oefter reihen sich wellenförmig niedere Hügel an flach eingesenkte Thäler; zuweilen verschlingen sie sich zu wundersamen, netz- oder maschenartig verlaufenden Höhenzügen, welche zwischen ihnen eingetiefte Kessel einschließen oder umgeben, in denen während der Regenzeit Lachen, Teiche und Seen entstehen, wogegen während des Winters der lettige Boden durch Tausende von Spalten zerklüftet wird. In den tiefsten und längsten Niederungen findet sich an Stelle jener stehenden Gewässer ein „Chôr“ oder Regenfluß, das ist ein Wasserbette, welches ebenfalls nur während des Frühlings theilweise, unter besonders günstigen Umständen auch wohl und dann binnen wenigen Stunden bis zum Rande gefüllt wird und nunmehr nicht allein strömt, sondern wie eine bewegliche Mauer rauschend und donnernd zur Tiefe braust, keineswegs immer aber in einen wirklichen Fluß mündet. Mit alleiniger Ausnahme solcher Wasserbecken deckt überall eine verhältnißmäßig reiche Pflanzenwelt den Boden. Gräser verschiedenster Art, von niederen, auf dem Boden kriechenden Pflänzlein an bis zu übermannshohen getreideartigen Halmengräsern, bilden den Hauptbestandtheil der Pflanzen der Steppe; Bäume und Sträucher, insbesondere verschiedene Mimosen, Adansonien, Dompalmen, Christusdornen und andere verdichten sich hier und da, zumal an den Ufern der erwähnten Gewässer, zu Hainen oder Waldsäumen, sind übrigens aber so spärlich zwischen den weite Flächen gleichmäßig überziehenden Gräsern eingesprengt, daß sie sich nur an wenigen Stellen zu einem dürr bestandenen Walde einen. Nirgends zeigen diese Bäume die Ueppigkeit des Wachsthums wie in den wirklichen Stromthälern, welche den Segen des Frühlings bewahren durften, sind vielmehr oft krüppelhaft, mindestens niedrig und ihre Kronen sperrig, und bloß ausnahmsweise klettert eine Schlingpflanze zu ihren Wipfeln empor. Sie alle leiden unter der Strenge des langen, glühenden Winters, welcher ihnen kaum gestattet, das eigene Dasein zu fristen, und fast alle Schmarotzerpflanzen von ihnen abhält, wogegen die Gräser in dem wenn auch kurzen, so doch wasserreichen Frühlings üppig aufschießen, blühen und Samen reifen lassen, somit alle Bedingungen zu fröhlichem Gedeihen vorfinden. Gerade sie aber tragen wesentlich dazu bei, der Steppe das Gepräge der Eintönigkeit aufzudrücken; denn sie gleichen, so niedrig sie sind, viele Gegensätze aus und wirken insbesondere auch durch die Gleichmäßigkeit ihrer Färbung ermüdend.

Nicht einmal der Mensch ist im Stande, Abwechslung in dieses ewige Einerlei zu bringen, weil seine Felder, welche er mitten im Graswalde anlegt, von fern gesehen diesem so gleichen, daß man Getreide und Gras nicht von einander unterscheiden kann, und die runden, kegelförmig bedachten Hütten, welche er mit schwachem Pfahlwerke stützt und mit Steppengras überkleidet, mindestens während der Zeit der Dürre, so wenig von der umgebenden Fläche sich abheben, daß man schon sehr nahe gekommen sein muß, wenn man sie wahrnehmen soll. Einzig und allein die Jahreszeiten verändern das sonst so gleichmäßige Bild, ohne ihm jedoch viel von seiner Eintönigkeit zu nehmen.

Unfreundlich ist auch der Empfang, welchen die Steppe dem Wanderer bereitet. Auf hohem Kamele sitzend, reitet man durch das Gefilde. Irgend ein Wild verlockt zur Jagd und verleitet, in den Graswald einzudringen. Da erfährt man, daß zwischen den anscheinend so glatten Gräsern Pflanzen wachsen, welche sich noch weit furchtbarer machen als die Dornen der Mimosen. Auf dem Boden wuchert die „Tarba“, deren Samenkapseln so scharf sind, daß sie die Sohle leichter Reitstiefeln durchschneiden; über ihn erhebt sich, der „Essek“, dessen Kletten sich in alle Kleiderstoffe fast unlösbar einfilzen; noch etwas höher strebt der „Askanit“ empor, unter den drei genannten die furchtbarste Pflanze, weil seine feinen Stacheln bei der geringsten Berührung

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 747. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_747.jpg&oldid=- (Version vom 24.3.2018)