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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

elften den Normannen entgegengetreten. Innerhalb dieser Formation standen die Kämpfenden nach Geschlechtern und Familien geordnet; die vorderste Stelle aber, die Spitze, die Firste, war dem Tapfersten und Stärksten vorbehalten. Wahrscheinlich ist aus dieser Thatsache der Name „Fürst“ hervorgegangen.

In der Natur stellte sich unseren Vorfahren die Kegelgestalt unmittelbar in den emporragenden Bergen dar, wie sie ja auch noch gegenwärtig als Kegel bezeichnet werden. Hier war daher eine vornehmliche Stätte ihrer Götterverehrung, und zwar besonders der des Thor. Auch hier war der Ehrenplatz die Firste, hier war die Stelle, wo die Opfer gebracht wurden.

Aber auch in ihren Bauten zeigt sich das Bestreben der Deutschen, die Kegelform äußerlich darzustellen. Es tritt das nicht nur in ihren Grabdenkmälern hervor, von denen die sogenannten Kegelgräber, in Form von Kugelausschnitten oder ovalen Kegeln aufgeschüttet, unbestritten germanischen Ursprungs sind, sondern auch vor allem in ihrem Hausbau. Es ist das mächtige, schroff ansteigende Dach, was von den ältesten Zeiten her das deutsche Haus charakterisiert hat. Die Firste, das Ende der beiden vorderen gewaltigen Balken, krönte das Haus, hier wurden die Kopfskelette geopferter Pferde aufgehängt, eine Sitte, welche sich in manchen Gegenden noch insofern erhalten hat, als hier die Giebelbalken vielfach in geschnitzte Pferdeköpfe auslaufen.

Die hier dargebotene Arbeit kann nur den Anspruch einer lückenhaften Skizze machen, aber ihr Zweck würde erreicht sein, wenn es ihr gelänge, die Anregung dazu zu geben, das Material zur Geschichte der deutschen Kegelei, des nationalsten unserer Spiele, wie es in der Ueberlieferung, Sitte und Litteratur erhalten ist, zu sammeln, damit auf diese Weise einmal eine erschöpfende Darstellung des Themas ermöglicht werde.

M. Zeisiger.     




Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.
Die Alpenfee.
Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Das war für Deine Ohren nun allerdings nicht bestimmt,“ sagte Nordheim mit voller Schärfe zu seiner Tochter. „Ich begreife nicht, wie Du Dich so lange verborgen halten konntest, da Du doch hörtest, daß von Geschäftsangelegenheiten die Rede war. Jetzt bist Du Zeugin eines Erpressungsversuches geworden, der an Deinem Vater gemacht wurde, und den ich vielleicht nachdrücklicher hätte zurückweisen sollen. Aber solche kühne Betrüger können auch dem besten Manne gefährlich werden. Die Welt ist nur zu sehr geneigt, an Lügen zu glauben, und wer wie ich fortwährend in großen Unternehmungen steckt, bei denen das Vertrauen des Publikums die Hauptsache ist, darf sich selbst einer bloßen Verdächtigung nicht aussetzen. Eher kauft man sich mit irgend einer Summe los von diesen Menschen, die von solchen Erpressungen leben – doch davon verstehst Du nichts! Geh auf Dein Zimmer und ich bitte mir aus, daß Du das meinige nicht wieder heimlich betrittst.“

Die Worte hatten nicht die gewünschte Wirkung; Alice stand noch immer unbeweglich, sie antwortete nicht, regte sich nicht, und dies starre Schweigen schien den Präsidenten noch mehr zu reizen.

„Hast Du nicht gehört?“ wiederholte er. „Ich wünsche allein zu sein und im übrigen erwarte ich, daß von dem, was Du hier erlauscht hast, kein Wort über Deine Lippen kommt – jetzt geh!“

Anstatt zu gehorchen, trat Alice langsam näher und sagte leise, aber in einem seltsamen nervendurchzitternden Tone:

„Papa – ich habe mit Dir zu sprechen.“

„Worüber? Doch nicht etwa über jenen Erpressungsversuch?“ fragte Nordheim schroff „Ich habe Dir ja erklärt, wie die Sache zusammenhängt, und Du wirst doch hoffentlich nicht einem Betrüger Glauben schenken.“

„Der Mann war kein Betrüger!“ entgegnete das junge Mädchen, in demselben bebenden, gepreßten Tone wie vorhin.

„Nicht?“ fuhr der Präsident auf. „Und was bin ich denn in Deinen Augen?“

Keine Antwort, nur jener starre, angstvolle Blick, der unverwandt auf dem Gesichte des Vaters haftete. Es lag keine Frage mehr darin, sondern eine Verurtheilung und Nordheim vermochte ihn nicht zu ertragen. Er war seinem Ankläger mit eiserner Stirn entgegengetreten, vor den Augen seines Kindes schlug er die seinigen nieder.

Alice schien nach Athem zu ringen; anfangs versagte ihr die Stimme, aber sie gewann mehr und mehr an Festigkeit, während sie weiter sprach.

„Ich kam hierher, um Dir ein Geständniß zu machen, Papa, Dir etwas zu sagen, was Dich vielleicht erzürnt hätte – davon ist jetzt keine Rede mehr! Ich habe nur noch eine Frage an Dich. Wirst Du dem – dem Doktor Reinsfeld die Genugthuung geben, die von Dir verlangt wurde?“

„Ich werde mich hüten! Es bleibt bei meinem letzten Worte.“

„Nun, dann gebe ich sie ihm – an Deiner Stelle!“

„Alice, bist Du von Sinnen?“ fuhr der Präsident tödlich erschrocken auf, aber sie fuhr unbeirrt fort.

„Er braucht das Eingeständniß freilich nicht mehr, denn er kennt die Wahrheit, muß sie längst gekannt haben. Jetzt weiß ich, warum er auf einmal so verändert war, warum er mich immer so traurig mitleidig ansah und nie verrathen wollte, was ihn drückte. Er weiß alles! Und doch hat er mir nur Güte und Mitleid gezeigt, hat alles aufgeboten, mir die Gesundheit zurückzugeben, mir, der Tochter des Mannes , der –“ sie brach ab, sie konnte den Satz nicht vollenden.

Nordheim machte keinen Versuch mehr, den Empörten zu spielen, denn er sah, daß Alice sich nicht täuschen ließ, und er sah auch ein, daß er es aufgeben müsse, sie mit Härte einzuschüchtern. Sie hatte einen geradezu unsinnigen Entschluß gefaßt, der ihm verderblich werden konnte; er mußte sich ihr Schweigen sichern, um jeden Preis.

„Ich bin auch überzeugt, daß Doktor Reinsfeld der Sache fern steht,“ sagte er ruhiger; „daß er vernünftig genug ist, das Lächerliche solcher Drohungen einzusehen. Was aber Deinen tollen Einfall betrifft, mit ihm darüber zu sprechen, so will ich annehmen, daß es Dir damit nicht Ernst war. Was geht diese Angelegenheit denn Dich an?“

Das junge Mädchen richtete sich empor, mit einem unendlich herben Ausdruck, den die kindlichen Züge bis dahin nie gekannt hatten.

„Dich sollte es freilich mehr angehen, Papa! Du wußtest ja, daß der Doktor in unserer Nähe wohnte, daß er sich Tag für Tag abmühte in armseligen undankbaren Verhältnissen, und hast es nicht einmal versucht, gut zu machen, was seinem Vater geschehen ist! Das Leben und die Menschen sind so hart mit ihm umgegangen, als verwaistes Kind ist er in die Welt hinausgestoßen worden, in seiner Studienzeit hat er gedarbt, gehungert vielleicht – und Du hast Millionen verdient mit jenem Gelde, hast Dir Paläste gebaut und in der Fülle des Reichthums gelebt. Thue wenigstens, was Gronau von Dir verlangt, Papa, Du mußt es thun – oder ich versuche es selbst!“

„Alice!“ rief Nordheim, schwankend zwischen Zorn und grenzenlosem Erstaunen darüber, daß seine Tochter, dies weiche, willenlose Geschöpf, das nie auch nur einen Widerspruch gewagt hatte, ihn jetzt förmlich zur Rede stellte. „Hast Du denn keine Ahnung von der Tragweite der Sache? Willst Du Deinen Vater in die Hand seines ärgsten Feindes geben, der –“

„Benno Reinsfeld ist Dein Feind nicht!“ unterbrach ihn Alice. „Wenn er es wäre, dann würde er das Geheimniß längst benutzt haben, um etwas ganz anderes von Dir zu erzwingen, als was Gronau verlangte – denn er liebt mich!“

„Reinsfeld – Dich?“

„Ja – ich weiß es, wenn er es mir auch nie gestanden hat. Ich bin ja die Braut eines anderen, und er, der alles von Dir erreichen konnte, wenn er forderte und drohte, er geht von hier, ohne ein Wort der Drohung, ohne auch nur Rechenschaft von Dir zu fordern, weil er mir das Furchtbare ersparen wollte,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Leipzig: Ernst Keil, 1888, Seite 751. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_751.jpg&oldid=- (Version vom 17.1.2018)