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verschiedene: Die Gartenlaube (1888)

Unsterblichkeit. (Mit Illustration S. 801.) Wir sind im alten, kaiserlichen Rom. Durch den Sonnenglanz der Appischen Straße folgen wir einer jugendlichen schlanken Mädchengestalt, die elastischen Schrittes vor uns herschreitet. In der zierlichen Hand hält sie einen Korb mit Blumen und ein Lämpchen aus rothem Thon; über dem weißen Gewande, das ihr in reichen Falten bis auf die Fersen fällt, trägt sie ein dünnes schwarzes Flortuch. Nun biegt sie von der breiten Straße seitab in einen schmalen, von Oleandersträuchen überschatteten Pfad. Vor einem kleinen, zwischen Marmorsäulen sich öffnenden Pförtchen hemmt sie den elastischen Schritt; hier sitzt auf einem Steine ein dürftig gekleidetes Kind mit einer brennenden Ampel. Die Fremde zündet ihr mitgebrachtes Lämpchen an der Ampel an, läßt eine kleine Münze in die mageren Händchen des Kindes fallen und schreitet durch das Pförtchen. Nach wenigen Schritten kommt sie zu einer steil unter die Erde führenden Treppe und steigt behutsam die Stufen hinab. Wir folgen ihr auch hier und stehen gleich darauf in einem matt von oben herab erleuchteten Raume. Hier sind wir in einem römischen Columbarium, einer jener unterirdischen Hallen, welche in zahllosen Mauernischen die Urnen und Thonkistchen tragen, in welchen die Asche der Todten aufbewahrt wird. An manchen dieser Thongefäße zeigen Blumen und Kränze, daß man vor kurzem erst derjenigen gedacht hat, deren Asche hier liegt. In größeren Mauernischen sind auch einzelne Büsten aufgestellt. Zu einer dieser Büsten schreitet das Mädchen mit ihrer Lampe und ihren Blumen: es ist die Büste eines schönen jugendlichen Mannes. Lange steht sie mit gefalteten Händen vor dem schweigenden Bilde; ihre Augen werden feucht. Und zuletzt neigt sie ihr edles blasses Köpfchen gegen das steinerne Antlitz vor sich und preßt einen sanften Kuß auf die kalten Marmorlippen.

Nun wird sie noch die Blumen, die sie mitgebracht hat, um den Fuß der Marmorbüste legen, wird ihr Lämpchen in die Höhe halten, daß ein Strahl vom lieblichen Lichte in das stille Marmorgesicht fällt und dasselbe flüchtig belebt; und dann wird sie mit stummen Gruße wieder Abschied von dem geliebten Bilde nehmen und langsam heimwärts wandern durch den Sonnenschein der Appischen Straße. Wir aber ziehen uns zurück, um diese rührende Todtenfeier nicht zu stören; nur flüchtig werfen wir noch einen Blick auf die Inschrift über der Büste. Hier steht ein Name, der seit achtzehn Jahrhunderten unvergessen geblieben ist: der Name „Catullus“. Ist er’s wirklich, der heitere Dichter, der Liebling von Göttern und Menschen, der einst auf seinem prachtvollen Landsitze über den blauen Wellen des Gardasees seine Lieder sang und der, kaum dreißig Jahre alt, zu den Todten ging, um für immer zu verstummen? Und sie, die ihm da in stiller Treue ihr Todtenopfer gebracht hat – was war sie ihm? Schwester – Freundin oder Geliebte?

Es ist ein ergreifendes Bild treuer Liebe, welches der Münchener Künstler Hermann Kaulbach hier vorführt. Das große Gemälde, das uns diese Todtenfeier zeigt, war eine der anmuthigsten Zierden der internationalen Kunstausstellung des Jahres 1888; jetzt ist dasselbe Eigenthum der Münchener Staatsgalerie. Der Künstler selbst nannte sein Bild „Unsterblichkeit“. Und in der That – selbst wenn der Name jenes Todten nicht im Glanz der römischen Geschichte lebte, Unsterblichkeit wäre sein Los, weil treue Liebe über das Grab hinaus währt und zwischen den Todten und den Lebendigen unvergängliche Herzensfäden webt.

M. H.

Ein Jubiläum der „Gose“. Wir haben in Nr. 6 des Jahrgangs 1872 unseres Blattes die Leser in die Geheimnisse der „Gose“ und ihre Geschichte eingeweiht. Und in der That, nicht alle Welt kennt dies Bier, welches besonders in Leipzig fanatische Verehrer findet; ja sehr viele, die zuerst seine Bekanntschaft machen, begreifen nicht, wie dies Getränk, das ihnen so schal und abgestanden schmeckt, so leidenschaftliche Anhänger finden kann. Nun, vielleicht bekehren auch sie sich mit der Zeit; denn es giebt ja viele Genußmittel, an die man sich erst gewöhnen muß; die ersten Cigarren und Pfeifen legen dafür ein beredtes Zeugniß ab. Wer aber eine behagliche Gesellschaft an einem langen Tische sitzen sieht, auf welchem eine Batterie der eigenthümlich geformten Gosenflaschen „in Reih und Glied“, wie es Sitte bei den echten Gosentrinkern ist, aufgepflanzt steht, der muß Vertrauen fassen zu diesen, anfangs so schwer zu überwindenden Trank. Der klassische Ort der Gose ist das Leipziger Vorstadtdorf Eutritzsch; die vielen taufend Musensöhne, die im Laufe der Jahre die Leipziger Hochschule besuchten, haben dort alle ohne Ausnahme hospitirt. In Eutritzsch beabsichtigt man jetzt, das 150jährige Jubiläum der Einführung der Gose zu feiern, die der alte Dessauer dort eingebürgert hat. Dies Jubelfest würde ein großartiges werden, wenn sich alle Freunde der Eutritzscher Gose aus den letzten fünfzig Jahren daran betheiligten.

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Deutschlands merkwürdige Bäume. Die Königseiche bei Peisterwitz. (Mit Illustration S. 805.) Nr. 7 des Jahrgangs 1887 der „Gartenlaube“ enthält die interessante Abbildung einer im verlassenen Elbbette bei Dötzingen ausgegrabenen Rieseneiche. Bei dem Dorfe Peisterwitz, Kreis Ohlau in Schlesien, befindet sich ein noch gewaltigerer und zwar lebender „Zeuge der Urwälder Deutschlands“, eine mächtige Eiche, welche bis jetzt als die größte der noch in deutschem Boden wurzelnden Bäume gilt. Dieselbe – die Königseiche genannt – steht an der Grenze des Fürstenwaldes bei Ohlau, und seit in dem letzten Jahrzehnt der weidmännische „Fürstenruf“ im Forste hallte und die Anwesenheit des kaiserlichen Jagdherrn verkündete, haben der Fürstenwald und namentlich die erwähnte Eiche an allgemeinem Interesse gewonnen. Scharenweise pilgern die Naturfreunde hinaus durch den prächtigen Eichen- und Buchenwald, um den vielgenannten Baumriesen zu bewundern. Die Königseiche ist 23 Meter hoch, der untere Stammesumfang beträgt 10½ Meter, der obere 10 Meter, die unteren Aeste gleichen kräftigen Eichbäumen; ihr Fuß ist umstanden von einem Kranze junger Fichten. – Der bekannte Naturforscher Professor Göppert, ehemals Direktor des botanischen Gartens in Breslau, erklärte die „Königseiche“ für den vollkommensten Typus dieser Baumgattung.

Kind, halte dich gerade! Wie oft hört man nicht diese Mahnung aus dem Munde der Eltern, deren heranwachsende Kinder gebückt einhergehen und den Kopf hängen lassen, als ob sie eine schwere Last aus ihrem Rücken trügen! Das Kind zuckt bei dieser Mahnung zusammen, richtet sich empor und eine Weile ist die Haltung wieder gut, aber nach wenigen Augenblicken läßt die Willenskraft nach und wir haben wieder die nachlässige schlaffe Haltung vor Augen, welche so unschön aussieht und zu manchen Leiden den Grund legen kann.

Die Freiübungen des deutschen Turnens bieten eine ganze Anzahl von Uebungen, durch welche solche Kopfhänger in schmucke, schlanke Menschen umgewandelt werden können, und eine namentlich, der „Zehenstand“, verdient wegen der Einfachheit eine besondere Beachtung.

Die Uebung wird bekanntlich derart ausgeführt, daß aus dem Stande auf der ganzen Sohle die Fersen und damit der ganze Körper gehoben werden. Der Körper ruht alsdann nur auf den Zehen und Fußballen, wie dies unsere beistehende Abbildung andeutet. Die Fersen sind möglichst hoch zu heben, der Körper ist gestreckt aufrecht und ruhig zu halten. Dies erzielt man aber am besten, wenn man den Uebenden ein leichtes nicht zu fest liegendes Kissen oder dergleichen auf dem Kopfe tragen läßt.

In dem trefflichen Buche „Hausgymnastik für Gesunde und Kranke“, von E. Angerstein und G. Eckler (Berlin 1888, Verlag von Th. Chr. Fr. Enslin) wird in dieser Beziehung eine interessante Beobachtung eines älteren Autors mitgetheilt. „Ich habe in einem Kloster,“ heißt es darin, „noch ein anderes Mittel bei Kostgängerinnen anwenden gesehen, welche den Kopf hingen. Die Vorsteherin desselben ließ sie nämlich verschiedene Arten von Spielen spielen und schlug ihnen auch, ohne sich ihre Absicht merken zu lassen, vor, einen runden Ball oder einen anderen leicht abrutschenden Gegenstand so auf dem Kopfe zu tragen, daß diejenige, welche den Ball im Gehen fallen ließe, den Gesetzen des Spieles zufolge ein Pfand gäbe. Man hat mir versichert, daß diese Methode allezeit mit einem guten Erfolg angewendet worden sei; denn diese Kinder gewöhnten sich dadurch, daß sie sich in diesem Spiele übten, bald, den Kopf gerade zu tragen.“

Schlechte Angewohnheiten lassen sich am besten durch derartige erziehliche Mittel beseitigen, bei denen ja die Kinder so zu sagen spielen und Freude empfinden, ohne etwas von Rüge und Tadel zu merken.

Es giebt noch eine ganze Reihe von Freiübungen, welche gebückte Haltung verhüten können, und wer Interesse daran hat und seinen Kindern und Pflegebefohlenen Abwechslung bieten möchte, dem rathen wir, in dem obenerwähnten Buche „Hausgymnastik“ die betreffenden Abschnitte nachzulesen. Dasselbe bietet eine Anweisung für jedes Alter und Geschlecht, durch einfache Leibesübungen die Gesundheit zu erhalten und zu kräftigen, sowie krankhafte Zustände zu beseitigen. Die Hausgymnastik ist überhaupt ein überaus wichtiges Mittel zur Hebung unserer Gesundheit und wir möchten allen denjenigen, die den Turnvereinen fern stehen, empfehlen, wenigstens zu Hause zu turnen.

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Ludwig Richter-Denkmal in Dresden. Ludwig Richter, der warmherzige und geniale Schilderer und Verherrlicher des deutschen Familienlebens, hat in seinen Werken sich ein Denkmal geschaffen, das unvergänglich ist. Um aber die Erinnerung an die Persönlichkeit des Künstlers zugleich durch ein äußeres Zeichen bis in die fernsten Zeiten lebendig zu erhalten, soll ihm in Dresden jetzt auch ein Monument von Erz errichtet werden. Das Komité für das Denkmal bittet alle Richter-Verehrer, Geldbeiträge an das Bankhaus Günther und Rudolph in Dresden einzusenden.

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Kleiner Briefkasten.
(Anonyme Anfragen werden nicht berücksichtigt.)

Stud. med. P. in H. Die Gesammtzahl der Studenten auf den 20 deutschen Universitäten und der Akademie zu Münster betrug im vergangenen Sommer 29 190. Davon studierten evang. Theologie 4859, kath. Theologie 1166, die Rechte 6472, Heilkunde 9046; die übrigen waren bei den philosophischen Fakultäten eingeschrieben. Die meisten Studirenden waren in Berlin (4767), dann in München (3809) und Leipzig (3208), die wenigsten in Rostock.

E. L. in Frankfurt. Von MarlittsGoldelse“ ist außer der billigen Volks-Ausgabe eine Salon-Ausgabe in reichem Prachtband, mit Illustrationen von Paul Thumann, erschienen und zum Preise von 10 Mark 50 Pf. durch die meisten Buchhandlungen zu beziehen.

C. L. in Dresden. Von Ihren gefälligen Mittheilungen bezüglich unseres Artikels „Aus dem Leben eines nachgiebigen Gesellen“ in Nr. 39 des laufenden Jahrgangs nehmen wir gern Vermerk. Danach soll in Sachsen, bezw. in Mittel- und Süddeutschland, die Herstellung der Korke weniger als Hausindustrie behandelt, sondern meist in größerem Maßstabe in Fabriken betrieben werden. Als Hauptbegründer der Korkindustrie dieses Gebietes nennen Sie Karl Lindemann in Dresden (Firma: Wm. Merckel, Raschau im sächs. Erzgebirge, gegründet 1855) und geben die gegenwärtige Gesammtzahl der Korkgeschäfte in Süd- und Mitteldeutschland auf etwa 200 an.

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1888). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1888, Seite 808. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1888)_808.jpg&oldid=- (Version vom 6.5.2019)