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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

In den letzten Jahren errichteten für Berlin die Johanniter, sowie die Orts- und Berufskrankenkassen Heime für Genesende in Lichterfelde mit 25 Betten und in Heinersdorf und Blankenburg mit 50 Betten. Zuletzt ist noch in Nürnberg eine derartige Anstalt mit 24 Betten entstanden, und in München wird eine zweite für 80 bis 100 Betten gebaut, während für Leipzig durch eine Stiftung von Dr. W. Schwabe auf zwei Gütern im Erzgebirge ähnliche Anstalten ins Leben gerufen worden sind.

So ist diese Angelegenheit längst über die Zeit der Versuche hinaus, überall ist man mit den erzielten Ergebnissen überaus zufrieden und mit Recht fordert man weitere Kreise zur Nachahmung auf. Wie selbst kleinere Anstalten segensreich wirken können, ersehen wir aus der Thatsache, daß die Münchener Anstalt mit einem Belegraum von nur 20 Betten jährlich 300 Genesende verpflegt hat.

Die Heime für Genesende sind noch in einer anderen Beziehung beachtenswerth: „Niemand ist für Wohlthaten, für liebevolle Pflege empfänglicher und dankbarer als ein von schwerer Krankheit Genesender; er ist der günstigsten Einwirkung auf Gemüth und Charakter zugänglich. Man kann diese ethische Seite nicht hoch genug anschlagen, insbesondere für die große Kategorie der männlichen und weiblichen Dienstboten und alleinstehenden Arbeiter, welche ihren Verdienst verloren haben und nicht wissen, wo sie ihr Haupt hinlegen sollen. Auch finden die Pfleglinge in ihren Bemühungen nach neuen Arbeitsstellen hier Hilfe und Rath.“ So äußerte sich ein Gewährsmann auf diesem Gebiete, Professor Dr. v. Ziemssen in München, auf der vorjährigen Versammlung des „deutschen Vereins für öffentliche Gesundheitspflege“; der Verein tagte in Straßburg und die Mitglieder konnten sich durch den Augenschein von dem segensreichen Wirken des „Lovisahospitals“ überzeugen.

Wir zweifeln nicht, daß unsere Berufsgenossenschaften die Errichtung solcher Heime anstreben und daß die Gemeinden sie dabei unterstützen werden; aber wir möchten auch an den Gemeinsinn und die Opferfreudigkeit der Mitbürger einen Mahnruf richten, für die unbemittelten Genesenden Stätten zu schaffen, „wo sie dasjenige finden, was dem Wohlhabenden im Kreise seiner Familie geboten wird, eine dem Körper wie dem Gemüth gleich wohlthuende Pflege“.*      


Blätter und Blüthen.

Gewitter auf dem Sonnblick. Unsere Leser kennen aus der Schilderung Dr. H. J. Kleins (vergl. Jahrgang 1888, S. 724) die Wetterwarte auf dem Sonnblick. Aus der Fülle der merkwürdigen Beobachtungen, die dort angestellt worden sind, möchten wir nur eine, die Beobachtung von Gewittern in jenen hohen Regionen, herausgreifen. Dr. Wilhelm Trabert, der sich während des Sommers 1889 als Assistent Dr. Perntners eine Zeitlang auf dem Sonnblick aufhielt, hat darüber Mittheilungen in der „Meteorologischen Zeitschrift“ veröffentlicht. Nach seiner Schilderung fehlt der Eindruck, den sonst ein Gewitter macht, auf dem Sonnblick fast vollständig; man sieht keine dunklen Wolken herannahen, man hört nicht wie sonst schon lange vorher den Donner, man fühlt keine Gewitterschwüle. Man würde auch über den ersten Blitzschlag höchlichst überrascht sein, wenn sich nicht auf der Wetterwarte ein Warner befände. Dieser Warner oder Ankündiger des Gewitters ist der Fernsprecher. Dieser giebt schon zeitig in der Frühe fast vollkommen verläßliche Anzeichen eines erst nachmittags eintretenden Gewitters. Während sonst vormittags nur ein schwaches Knistern in dem Fernsprecher zu hören ist, wird dasselbe nun schon am Morgen sehr deutlich vernehmbar und steigert sich von Stunde zu Stunde, sehr oft zu einem so heftigen Krachen, daß eine Benutzung zur Unmöglichkeit wird. Das Ueberspringen von Funken an den Blitzplatten, häufig auch von selbst erfolgendes unregelmäßiges Läuten der Glocken giebt das Zeichen, daß der Fernsprecher ausgeschaltet werden muß. Das Haus hüllt sich in Nebel und das Gewitter bricht los; Graupeln und Hagelkörner fliegen gegen die Fenster, und meistens schlägt es in einen der Blitzableiter ein. Der Donner ist dabei, verglichen mit dem in der Ebene, äußerst schwach, dagegen wird nach dem Einschlagen des Blitzes das Haus so heftig geschüttelt, als ob ein Erdbeben stattfände. Einmal erfolgte sogar eine Entladung ohne Donner. Als Dr. Trabert am 14. Juli abends gerade am Fenster stand, ging eine riesige Feuersäule unmittelbar vor demselben nieder, begleitet von einem prasselnden Geräusch, „etwa so, als ob etwas vom Dache herabgeschüttet würde“. Stehen jedoch die Wolken besonders hoch über dem Sonnblick, dann folgt auf den Blitz auch ein stärkerer Donner.

Fig. 1. Positives Elmsfeuer

Eine häufige Erscheinung auf dem Sonnblick ist das Elmsfeuer, und von dem schönsten, welches Dr. Trabert beobachtet hat, giebt er uns folgende Schilderung: „Nach einem Gewitter, während es noch ein wenig regnete, trat negatives Elmsfeuer ein. Das Haus war nicht bloß an den Spitzen, sondern auch an den Wänden mit leuchtenden Punkten besetzt; der Blitzableiter, die eisernen Verankerungen des Hauses, das Schalenkreuz des Windmesser, alles leuchtete; die Fahnenstange war vollständig in Feuer eingehüllt. Wenn man etwas entfernt vom Hause Aufstellung nahm, leuchteten die Haare, die Spitzen des Schnurrbarts, der Hut, die Kleider, und wenn man die Hand ausstreckte, erschienen an jedem Finger (besonders wenn man sie vorher im Schnee befeuchtet hatte) kleine Flämmchen, wobei man ein deutliches Brennen verspüren konnte. Gerade als die Entladungen am stärksten waren, ging in nächster Nähe ein Blitz nieder, worauf die Erscheinung wie abgeschnitten endete. Bald darauf trat positives Elmsfeuer ein, und zwar wiederum so prächtig, wie dies die früheren Male nicht gewesen war.“

Fig. 2. Negatives Elmsfeuer

Die Lichterscheinungen beim positiven und negativen Elmsfeuer sind verschieden. Beim letzteren (Fig. 2) sind die Flämmchen äußerst kurz und bieten nur den Eindruck leuchtender Punkte, tritt dagegen positives Elmsfeuer ein (Fig. 1), so werden die Flämmchen zu Lichtbüscheln von 8 bis 10 cm Länge, die auf 7 mm langen Stielen sitzen. Einen sonderbaren Anblick bot einmal ein Tourist, der auch zur Wetterwarte gestiegen war. Der Herr hatte etwas in die Höhe stehende Haare und sein Haupt war mit einem mehrere Centimeter breiten Heiligenschein umgeben. Da er diesen überirdischen Glanz zu lange über seinem Haupte leuchten ließ, das heißt zu lange außerhalb des Hauses verweilte, so stellte sich bei ihm später Kopfschmerz ein. Auch von anderer Seite wird behauptet, daß man nach dem Elmsfeuer einige Ermüdung fühle.

Einen ganz besonders schönen Anblick gewährte es, wenn man einen Blick in den Abgrund im Norden hinab warf, wo auf jeder Felsenspitze ein solches Lichtbüschel aufsaß, in erhöhtem Maße dort, wo gerade der Wind gegen die Felsen wehte. *      

Des Todes Ernte unter unseren Dichtern. Rasch hinter einander hat der Tod zwei deutsche Dichter dahingerafft, die, so verschiedenartig sie sonst in ihrem Wesen und Schaffen waren, doch beide ein vollgrünend Reis am Baume der deutschen Dichtkunst bildeten, Richard Leander und Ludwig Anzengruber. – Hinter dem Namen „Richard Leander“ hat sich bekanntlich niemand anders als der berühmte Chirurg Richard v. Volkmann verborgen, der am 28. November vorigen Jahres in Halle gestorben ist. Die Wissenschaft beklagt in dem Tode dieses Gelehrten einen unersetzlichen Verlust. Richard v. Volkmann, am 17. August 1830 geboren, seit 1857 Universitätslehrer in Halle und seit 1867 ordentlicher Professor der Chirurgie, hat sich durch zahlreiche Beiträge zu seiner Wissenschaft und durch seine Bemühungen zur Einführung der antiseptischen Wundbehandlung einen Namen gemacht, welchem seine Thätigkeit im deutsch-französischen Kriege, dem er als Generalarzt beiwohnte, neuen Glanz verlieh.

Merkwürdigerweise war es dieser Krieg mit allen seinen Schrecken, durch den Volkmann zu dichterischen Schöpfungen angeregt wurde. Unter dem schon angeführten Namen Richard Leander ließ er „Träumereien an französischen Kaminen“ (1871) erscheinen, Märchen, die, wie er selbst sagt, „aus der Liebe zu deutscher Art und deutschem Wesen hervorgewachsen sind“ und in der Fremde, an französischen Kaminen, den Dichter selbst mit ihren heimathlichen Zauber bannten. Diese Märchen sind voll inniger Empfindung und in edler Form ausgeprägt. In seinen „Gedichten“ (1877) weht eine frische Liebes- und Lebenslust; einzelne Lieder wie „Erster Frühling“ enthalten prächtige Naturbilder mit einem oft hinreißenden Schwung. Die letzte Gabe des Dichters waren die in alterthümlicher Gewandung erscheinenden, frischen und farbenbunten Gedichte „Alte und neue Troubadourlieder“ (1889). –

Ein Lebens- und Charakterbild Anzengrubers haben wir im Jahrgang 1879 der „Gartenlaube“ unter dem Titel „Ein Schillerpreisgekrönter“ gegeben. Jüngst erst wurde der fünfzigjährige Geburtstag des Dichters gefeiert; zahlreiche Zuschriften und Glückwünsche bezeugten, daß er Verehrer und Verehrerinnen in den weitesten Kreisen, auch außerhalb der schwarzgelben Grenzpfähle, gefunden. Jetzt kommt die traurige Kunde seines Todes: er ist am 10. Dezember in Wien gestorben. Erst vor kurzem hatte die „Deutsche Genossenschaft dramatischer Autoren“ ihn an Joseph von Weilens Stelle zum Vorstandsmitglied und Vertreter ihrer Interessen in Wien gewählt. Anzengruber war ein Volksdichter, und doch hat er als solcher den Schillerpreis erhalten: ein Beweis dafür, daß in seinen Volks- und Dialektschauspielen, abgesehen von der markigen realistischen Kraft der Gestaltung, auch ein höherer Geist waltet, der, trotz der gänzlich abweichenden Form der künstlerischen Einkleidung, etwas Verwandtes mit dem Genius unseres großen Dichters hat.

Und in der That ist seinen meisten Stücken ein Grundgedanke eigen, der eine tiefere menschheitliche Bedeutung hat und aus einer edeln, echt menschenfreundlichen Gesinnung hervorgegangen ist. Dies gilt von seinem ersten Stück: „Der Pfarrer von Kirchfeld“, wie von seinem letzten: „Der Fleck auf der Ehr’“, mit welchem das Wiener Volkstheater seine Vorstellungen eröffnete und welches gegenwärtig die Runde über die deutschen Bühnen macht. – Geboren am 29. November 1839 zu Wien, hat Anzengruber sein fünfzigstes Lebensjahr nur um zehn Tage überschritten. Eines kleinen Beamten Sohn, hat er nur spärlichen Unterricht genossen: er war sieben Jahre lang Schauspieler, eine Zeit lang Polizeibeamter. Den einzigen Sonnenschein in sein Leben brachten die Erfolge seiner Dramen und der auszeichnende Schillerpreis. Außer dem „Pfarrer von Kirchfeld“ werden besonders „Der Meineidbauer“, „Die Kreuzelschreiber“, „Der G’wissenswurm“ von seiner kräftigen dramatischen Art ein dauerndes Zeugniß ablegen. †      

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 31. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_031.jpg&oldid=- (Version vom 29.11.2022)