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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

gegeben, um freie Hand zu behalten, er beobachtet eben, sich rückwärts beugend, mit teuflischem Hohn das Zerstörungswerk. Weiterhin werden die armen Bauern, die versucht haben, ihren Herd zu vertheidigen, als Gefangene im Zug mitgestoßen, um im nächsten Dorf zum warnenden Exempel aufgehängt zu werden. Jeder der Grafen und Ritter führt ein Kriegsfähnlein, man sieht einige von ihnen auf einer Anhöhe im Hintergrund voll Befriedigung ihr ruhmloses Werk betrachten. Aber mitten in den gräulichen Raubzug fiel damals wie ein Wetterstrah1 Pfalzgraf Friedrich, er brach mit seiner Schar bei Seckenheim aus dem Wald, schlug die Württemberger, denen sich noch die badischen Markgrafen gesellt hatten, nahm die Fürsten gefangen und führte sie weg auf sein Schloß nach Heidelberg. Br.     

Studentenalter. In der preußischen Universitätsstatistik finden sich unter anderem auch interessante Erhebungen über die Frage: wie alt sind unsere Studenten? Es wurden dabei nur diejenigen berücksichtigt, welche mit dem Zeugnis der Reife immatrikuliert wurden und unter diesen nur Deutsche. Im Jahre 1887 betrug die Gesammtzahl derselben auf preußischen Universitäten 11 913. Darunter gab es wenig sehr junge Leute; denn die Jahrgänge unter 19 Jahren waren nur durch 447 Jünglinge vertreten. 19 bis 22 Jahre war über ein Drittel alt: zusammen 4040. Die mittleren Jahrgänge. 22 bis 23 Jahre, umfassten 2100 Studenten. Auf höherer Lebensstufe stand der beträchtliche Rest: 2833 Herren schwankten zwischen dem 24, bis 25. Lebensjahr und 1227 zählten 25 bis 28Jahre. Den Schluß bildeten 193, die bald das dreißigste Lebensjahr erreichten, und 168, die über 30 Jahre alt waren. Aus dieser Statistik hat man folgende Schlüsse gezogen. Unsere Studenten sind älter, als man gewöhnlich annimmt, und zwar aus zwei Gründen. Viele kommen zu spät von der Schule und viele bleiben zu lange auf der Universität. Die Statistiker haben den Studenten selbst die Semester nachgerechnet und dem Juristen z.B. 7 Semester, dem Philosophen 8 und dem Mediziner 10 Semester zur Vollendung seiner Studien bewilligt. Eine nähere Prüfung ergab jedoch, daß 12 Prozent, das heißt 1427 Studenten zu lange studiert haben, oder anders gesagt: mehr Semester als angegeben auf der Hochschule geblieben sind. In dem statistischen Bericht, dem wir diese Zahlen entlehnen, werden auch die Gründe angeführt, welche ein so langes Studium nöthig machten. Es sind dies folgende: Ableisten der Militärpflicht, Krankheiten, der Wunsch, sich gründlicher auszubilden und auch Abneigung gegen das Philisterleben. Zahlenmäßig ließen sich jedoch die einzelnen Gründe nicht belegen, so daß ein Vorwurf wegen zu langen Studierens gegen die Gesammtheit der 1427 nicht erhoben werden kann. Hier läßt uns die Statistik im Stiche und überläßt den Kennern der inneren Verhältnisse das Wort. - Es ist aber noch eine Studentengruppe in dieser Statistik zu erwählten. 35 Herren, die man in keinem der Jahrgänge unterbringen konnte; denn ihr Alter blieb „unbekannt“. *     


Tragisches Ende der Weihnachtsfreunde
Zeichnung von R. Gutschmidt.


Versuch eines „National-Almanachs für Teutsche“. Wir haben an dieser Stelle die Eintheilung und Einrichtung des von der ersten französischen Republik eingeführten Kalenders, sowie die Benennung der einzelnen Tage desselben mitgeteilt (vergl. „Gartenlaube“ 1889, S. 99). Dieser Kalender hat seinerzeit auch in Deutschland Nachahmung gefunden, allerdings in der Beschränkung, daß die frühere Eintheilung des Jahres beibehalten wurde und nur die einzelnen Tage nicht mehr nach Heiligen, sondern nach berühmten deutschen Männern benannt wurden. Der Historiker Ernst Ludw. Posselt, der zu den Ideen der französischen Revolution hinneigte, hat in seinen „Kleinen Schriften“ (Nürnberg 1795) den „Versuch eines National-Almanachs für Teutsche“ veröffentlicht. Es giebt von jedem Monate eine kurze in ungereimten Verszeilen gehaltene Schilderung, in welcher jedem bestimmte Wesenseigenschaften, manchmal allerdings in etwas gewaltsamer Weise, zugetheilt werden. Und zu diesen Eigenschaften sollten auch der Charakter und die Lebensschicksale derjenigen Personen in einer gewissen Beziehung stehen, nach welchen die Tage der betr. Monats benannt wurden. Wir wählen als Beispiel den November

Weh! Durch Felsenritzen heult der Nordsturm,
0 Heulet durch den blätterlosen Wald;
Schaurig heben in den Mitternächten
0 Der Erschlagnen Geister durch den Wald.

5
Weh dem Pilger! den sein böser Engel

0 Solcher Mitternacht entgegenführt:
Paradiese werden ihm zu Wüsten;
0 Seines Lebens Winter kommt so früh.

Jammer! Jammer! fern von seinen Lieben

10
0 Stirbt er in des Elends kaltem Arm:

Doch einst tönt des Weltgerichts Posaune;
0 Dann spricht Gott ihm den gerechtern Spruch."

Diesen gruselnden Versen entsprechend sind die Tage des Novembers meist nach Personen benannt, die auf dieser Welt viel auszustehen hatten und dieselbe meist auf gewaltsame Weise verließen. Die vorgeschlagenen Namen lauten: 1) Kaiser Heinrich IV.; 2.) Heinrich der Löwe; 3) Kaiser Philipp von Schwaben; 4) Herzog Otto von Wittelsbach; 5) Konradin von Schwaben; 6) Friedrich von Oesterreich; 7) Agnes Bernauerin, 8) Kaiser Adolf von Nassau; 9)Kaiser Albrecht I. von Oesterreich; 10) Günther von Schwarzburg; 11) Johannes Huß; 12) Hieronymus von Prag; 13) Friedrich V. Kurfürst von der Pfalz; 14) Wilhelm v. Grumbach; 15) Johann Friedrich, Herzog von Gotha etc. Einen praktischen Erfolg hatte dieser Vorschlag natürlich nicht.

Die klassische Quadratmeile der Geologie. So wird von den Geologen die Umgegend von Oker im Harz genannt, und mit Recht, denn hier stehen wie auf keinem andern Flecke der Erde fast alle Schichten der festen Erdrinde eng zusammengedrängt zu Tage. Mit leichter Mühe kann man darum hier einen tiefen Einblick in die wichtigsten Kapitel der Erdgeschichte erlangen. „Man kann die etwa 6 Kilometer lange Strecke vom Birkenthale an der Oker entlang bis zum Sudmerberge das aufgeschlossene Buch der Schöpfungsgeschichte der Erdrinde nennen. Die Bildungsperioden derselben sind mit unauslöschlicher Schrift, die man aber nur mit Hammer und Meißel in der Hand entziffern kann, in die Steine, Mergel und Thone eingegraben.“ So schreibt H. Schucht in seiner "Geoguosie des Okerthals" (Harzburg , C. R. Stolles Harzverlag) – einem Büchlein, welches Geologen zur leichten Uebersicht und Harzreisenden zur Belehrung dienen soll. *     


Guter Appetit ist ein Zeichen der Gesundheit und ein Gut, das die Menschheit sich gegenseitig wünschen. Er kommt bei vielen von selbst, viele aber klagen über den Mangel desselben und suchen ihn künstlich zu erzeugen. Eigentlich ist eine vernünftige Regelung der Lebensweise das beste Mittel, den verlorengegangenen Appetit wieder zu bringen, aber der Mensch wünscht oft auch rasche Mittel, die im Augenblick wirken. Es giebt eine ganze Reihe derselben und darunter weniger zuträgliche, wie z. B. ein Gläschen Branntwein oder "ein Schnäpschen", wie viele sagen. Wir möchten hier ein Mittel angeben, das den Appetit am besten anregt und nicht schadet. Dieses Mittel ist eine Tasse Fleischbrühe, die jetzt so leicht mit einem Löffel Fleischextrakt herzustellen ist. Professor Voit sagt hierüber: „Es ist nicht zu leugnen, daß die Wirkung der Fleischbrühe eine außerordentliche ist; sie bereitet den Magen Gesunder und Kranker auf die mildeste Weise auf das Verdauungsgeschäft vor und kann daher als Arznei dienen. Daher die glänzenden Erfolge bei den Rekonvalescenten, deren Magen lange unthätig war; sie würden die gewöhnlichen Speisen nicht vertragen, wenn der Magen nicht vorher für die Absonderungen von Saft und die Aufsaugung wieder eingerichtet worden wäre. So wie die Erregungen der Mundschleimhaut auf den Magen einwirken, bevor die Speisen in ihn gelangt sind, so kann vielleicht auch von dem Magen aus auf den übrigen Darm gewirkt werden.“

Es ist darum eine gute Einrichtung, die Suppe zum ersten Gericht zu machen; denn dadurch wird der Magen für die Mahlzeit vorbereitet. Leider ist vielfach Abneigung gegen die Suppe vorhanden; das wissen wir schon aus der Geschichte vom „Suppen-Kaspar“ die im „Struwwelpeter“ nachzulesen ist. Es giebt aber auch große Suppenkaspar, welche die Fleischbrühe durch ein Glas Bier ersetzen. Wenn sie über schlechten Appetit klagen, so ist dies kein Wunder. Mögen sie das Bier abends trinken und ihre Mahlzeit mit der Fleischbrühe eröffnen, dann werden sie den Wunsch „Guten Appetit“ nicht vergeblich anhören müssen. *     


Erleichterungen im Reiseverkehr. Am 1. Dezember 1889 ist in dem Verkehr mittels zusammenstellbarer Rundreisehefte eine gewiß von vielen Seiten mit Freuden begrüßte Neuerung in Kraft getreten, zunächst freilich nur für das Gebiet des Deutschen Reiches. Es wurden nämlich die bisherigen Bestimmungen bezüglich des Befahrens von Doppelstrecken gänzlich aufgehoben, so daß jetzt die bei der Hinfahrt benutzte Strecke ohne jede Einschränkung ganz oder theilweise, je nach Belieben, bis zum Ausgangspunkte der Reise zurück zum zweitenmal befahren werden kann. Bedingung bleibt jedoch auch ferner, daß die Fahrt hin und zurück mindestens 600 km umfaßt und daß Ausgangs- und Endpunkt derselbe bleibt und vor Beendigung der Reise nicht wieder berührt wird.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 34. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_034.jpg&oldid=- (Version vom 20.6.2023)