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verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Halbheft 2.   1890.
Die Gartenlaube.


Illustriertes Familienblatt. – Begründet von Ernst Keil 1853.

Jahrgang 1890.      Erscheint in Halbheften à 25 Pf. alle 12–14 Tage, in Heften à 50 Pf alle 3–4 Wochen vom 1. Januar bis 31. Dezember.


Flammenzeichen.

Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)

Die Familien Falkenried und Wallmoden waren seit langen Jahren befreundet. Als Gutsnachbarn verkehrten sie oft und viel miteinander, die Kinder wuchsen zusammen auf, und eine Menge von gemeinsamen Interessen knüpfte dies Freundschaftsband noch fester. Da aber beide nur mäßig begütert waren, so mußten die Söhne nach vollendeter Erziehung sich ihren Weg im Leben selbst bahnen, und das hatten der Major Hartmut von Falkenried und Herbert von Wallmoden denn auch gethan.

Sie waren Jugendgespielen gewesen und auch als Männer der alten Knabenfreundschaft treu geblieben. Einst hatten sie sich auch verwandtschaftlich nahe treten sollen, denn von seiten der Eltern wurde eine Verbindung geplant zwischen dem damaligen Lieutenant Falkenried und Regine Wallmoden. Das junge Paar schien auch vollkommen einverstanden und alles auf dem besten Wege zu sein, als ein Ereigniß eintrat, das diesem Plane ein jähes Ende machte.

Ein Vetter der Wallmodenschen Familie, ein unverbesserlicher Leichtsinn, der sich mit allerlei tollen Streichen in der Heimath unmöglich gemacht hatte, war vor Jahren in die weite Welt gegangen und nach manchen Irrfahrten und einem ziemlich abenteuerlichen Leben schließlich nach Rumänien verschlagen worden, wo er die Besitzungen eines reichen Bojaren verwaltete. Nach dessen Tode gelang es ihm, die Hand der Witwe zu erringen und damit auch die Lebensstellung zurückzugewinnen, die er einst leichtsinnig verscherzt hatte, und jetzt traf er nach mehr als zehnjähriger Abwesenheit mit seiner Gattin zu einem längeren Besuche bei den Verwandten ein.

Frau von Wallmoden stand schon in reiferem Alter und war längst verblüht, aber in ihrer Begleitung befand sich ihre Tochter erster Ehe, Zalika Rojanow, und die junge, kaum siebzehnjährige Slavin, mit dem Zauber ihrer fremdartigen Schönheit und dem Reiz ihres gluthvollen Temperamentes, flammte wie ein Meteor auf an dem Horizonte dieser deutschen Landedelleute, deren Leben sich in so ruhigen, gemessenen Bahnen bewegte.

Sie nahm sich allerdings seltsam genug aus in diesem Kreise, über dessen Formen und Rücksichten sie sich mit souveräner Gleichgültigkeit hinwegsetzte, und der sie anstaunte wie ein Wunder aus einer fremden Welt. Aber es gab doch auch manches ernste Kopfschütteln, manchen Tadel, der nur deshalb nicht laut ausgesprochen wurde, weil man in dem Mädchen nur

Das Schloß in Königsberg i. Pr. von der Südseite.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1890, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_037.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)