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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


Aufruf
für ein deutsches Erzieherinnenheim in Wien.

Tausende von gebildeten deutschen Mädchen und Frauen kommen nach Wien, um sich hier oder weiter im Osten Europas dem ebenso ehren- als mühevollen Berufe der Erziehung zu widmen. Als Trägerinnen deutscher Bildung und Gesittung unserer liebevollen Theilnahme würdig, die in ihnen das Gefühl der Gemeinschaft mit ihrem Vaterland und damit ihr eigenes berechtigtes Selbstgefühl befestigen soll, verdienen sie doppelt Förderung und Unterstützung durch ihre Landsleute, wenn ihnen, wie ja nur allzu häufig, in der Fremde durch die Ausbeutungslust gewissenloser Menschen Enttäuschungen vielfacher Art bereitet werden, wenn sie allein und von Mitteln entblößt in der Welt stehen, und wenn sie insbesondere von den Gefahren bedroht sind, welche das großstädtische Leben Wiens mit sich bringt.

Andere Völker haben zum Schutz ihrer Landsmänninnen bereits seit langer Zeit und in ausgiebiger Weise Vorsorge getroffen. Und es ist hohe Zeit, daß die deutsche Vaterlandsliebe in diesem Betrachte nicht länger zurückbleibe. Schon vor sieben Jahren hatte unser deutscher Hilfsverein, der mit immer wachsendem Erfolge für die Unterstützung mittelloser deutscher Reichsangehöriger wirkt, dieses hohe Ziel ins Auge gefaßt und die Gründung eines deutschen Erzieherinnenheims geplant, welches solchen alleinstehenden deutschen Erzieherinnen und Lehrerinnen in den schweren Tagen der Stellenlosigkeit eine Zufluchtsstätte in Wien gewähren sollte. Damit dieser Plan nun endlich zu segensreicher That werde, haben auf meine Anregung und unter meinem Vorsitze Freunde dieses Unternehmens die Grundlagen und Vorbedingungen, um dasselbe ins Leben zu rufen, durchberathen und festgestellt. Wir wollen allen deutschen Erzieherinnen ohne Unterschied des Glaubensbekenntnisses, welche sich durch Zeugnisse und Heimathspapiere ausweisen und der im Hause vorgeschriebenen Zucht und Ordnung fügen, in unserem Erzieherinnenheim gegen einen geringen Verpflegungsbeitrag Obdach gewähren und ihnen beim Aufsuchen von Stellen und Unterrichtsstunden an die Hand gehen.

Um diesen unsern Zweck zu erreichen, bedarf es aber namhafter Mittel, zu deren Erlangung wir uns an weitere Kreise wenden müssen. Die festgesetzten Beiträge bestehen in

a) Stifterbeitrag Mark 1000
b) Fördererbeitrag Mark 500 (entweder einmalig oder durch 5 Jahre je Mark 100)
c) Jahresbeitrag von mindestens 10 Mark.

Außerdem wird aber auch die bescheidenste Gabe für die Zwecke des Heims mit Dank und Freude angenommen. Die Gaben, sowie sämmtliche Zuschriften bitte ich an das kaiserlich deutsche Konsulat in Wien I Wipplingerstraße 1 zu richten. Der kaiserliche Vicekonsul Dr. von Vivenot ist gern bereit, auf Wünsche und Anfragen Auskunft zu ertheilen.

Ich hege in Anbetracht des offenkundigen großen Bedürfnisses und des vaterländischen und menschenfreundlichen Zweckes die volle Zuversicht, daß ich mich nicht vergeblich an den Wohlthätigkeitssinn und an das Ehrgefühl meiner deutschen Landsleute im Mutterlande wende, damit sie mir helfen und das Ihrige dazu beisteuern, deutsche Mädchen und Frauen im Auslande vor Noth und Schande zu bewahren.

Wien, im März 1890.
  Marie Alexandrine Prinzessin Heinrich VII. Reuß, geborene
  Prinzessin von Sachsen-Weimar, Herzogin zu Sachsen.

Das Denkmal Johann Peter Müllers in Friedberg.

Johann Peter Müller und sein Denkmal zu Friedberg. Im Laufe des vorigen Jahres haben wir unseren Lesern das Bild Friedrich Silchers vorgeführt, des „Wiedererweckers des deutschen Volksliedes“ (siehe „Gartenlaube“ 1889, Halbheft 16). Neben diesem Führer und Meister des volksthümlichen Gesanges steht aber eine zahlreiche Schar von Männern, die, wenn auch nicht in so tiefgreifender und weitreichender Weise wie Silcher, so doch in ihrem Kreise eine namhafte Wirkung ausgeübt und sich als Komponisten und Gesangsleiter schätzenswerthe Verdienste um die Pflege des Volksliedes erworben haben. Denn „nicht an wenig stolze Namen ist die Liederkunst gebannt“, heißt es in Uhlands „Freier Kunst“, im Gegentheil, es wäre eine betrübende Erscheinung, wenn jene begnadeten Meister in einsamer Größe verharren müßten, wenn der von ihnen ausgestreute Same nicht aufblühte in reicher Pracht und tausendfältige Früchte trüge. Die Mit- und Nachwelt aber schuldet denjenigen nicht minder ein dankbares Gedenken, die sich als treue Hüter und Mehrer des anvertrauten Gutes erwiesen haben.

Ein solcher Mann nun ist Johann Peter Müller, der Vater der den Lesern der „Gartenlaube“ aus ihren Thierschilderungen wohl bekannten Brüder Karl und Adolf Müller, und ihm gilt das obenstehend abgebildete Denkmal, das am 4. November 1889 zu Friedberg im Großherzogthum Hessen enthüllt wurde. Friedberg und das Hessenland ist auch der Kreis, auf den der Gefeierte wirkte, dort werden seine Lieder schon über 60 Jahre von der Schuljugend und vom Volke gesungen, in Friedberg und später auf seinem Pfarrsitz Staden entstanden auch die zahlreichen anderen Kompositionen des musikalisch hochbegabten Mannes.

Johann Peter Müller, den 28. Juli 1791 in Kesselstadt bei Hanau geboren, hat 22 Jahre lang als Lehrer am Schullehrerseminar in Friedberg gewirkt und ist in Langen bei Darmstadt 1877 bei seiner Tochter gestorben. Schon von frühester Jugend auf offenbarte sich seine Hinneigung zur Musik und seine ganz besondere Vorliebe für Mozart, für welchen er so sehr begeistert war, daß er einmal als Knabe sich abends heimlich aus dem Bett stahl, um an den Fenstern des Konzertsaales zu Hanau dem Vortrag Mozartscher Kompositionen zu lauschen. Mozarts Vorbild war auch für Peter Müllers eigene Schöpfungen von bestimmendem Einfluß, unbeschadet der unbestrittenen Eigenart seiner Werke. Wir nennen neben seinen zahlreichen Liedern noch seine Männerchöre, seine Orgelpräludien und seine Instrumentalquintette. Auch zwei Opern hat er komponirt, „Nydia oder die letzten Tage von Pompeji“, welche in Darmstadt 1854 zweimal mit größtem Beifall aufgeführt wurde, und „Claudine von Villabella“ (nach dem Drama von Goethe). Von den Liedern aber sind „Wenn in die Ferne vom Felsen ich seh’“, „Goldne Aehre, du mußt fallen“, „Heute scheid’ ich, heute wander’ ich“ und „Hier auf diesen frohen Höhen“ – ein herrliches Vaterlandslied – wohl am tiefsten ins Volk gedrungen und manches von ihnen hat auch über den Ocean zu den Landsleute in Nord- und Südamerika den Weg gefunden.

Das Denkmal, das die Amtsgenossen, Freunde und Verehrer dem Dahingeschiedenen errichtet haben, ist von einfachen schlichten Formen. Eine wohlgetroffene Porträtbüste aus Bronze von Bildhauer Georg Rheineck in Stuttgart steht auf einem steinernen Sockel und das Antlitz mit der hochgewölbten Stirn und dem freien Blick der Augen ist der Stätte zugewandt, auf der sein Urbild einst ein langes Leben hindurch mit sorgender Liebe geruht. Sein lebendiges Andenken wird nie im Hessenvolke erlöschen. =      

Des Königs jüngster Rekrut. (Zu dem Bilde S. 200 und 201.) „Was ein Häkchen werden will, krümmt sich bei Zeiten,“ sagt das Sprichwort, und was ein richtiger Soldat werden will, drückt bei Zeiten die Kniee durch! So steckt dem kleinen siebenjährigen Bürschchen auf unserem Bilde der Soldat bereits in allen Gliedern, mit fast komischer Treue wiederholt sein Körperchen die eigenthümlich gestreckte S-Form der Haltung, welche sein Vater in langwierigem militärischen Drill sich angeeignet hat, und Säbel, Patronentasche und Czako, obwohl reichlich dreimal zu groß und zu weit, machen sich fast natürlich an dem strammen Kerlchen. Und wie wäre es anders möglich?! Der Großvater ein alter Soldat aus König Friedrich Wilhelms I. gestrengen Zeiten – die Mutter eine Soldatentochter, der Vater ein Grenadier Friedrichs II. – und Freunde und Gevattern, alles Soldaten in einer kriegerisch hoch bewegten Zeit! Da ist’s kein Wunder, wenn der kleine Knirps auf die Frage: „Was willst Du werden?“ keine andere Antwort weiß als: „Rekrut!“ Aber auch die Alten kennen kein höheres Ziel des Ehrgeizes für ihren Jungen. Darum auch die grinsende Freude im Gesichte des glücklichen Vaters und das behagliche Vergnügen von Mutter und Großvater, das fröhliche Lachen im Kreise der Nachbarn und Quartiergenossen. Selbst in des kleinen Schwesterchens Zügen spricht sich’s aus, daß der Bruder in ihren Augen jetzt den Gipfel der Vollendung erreicht hat.

Ob freilich die Wirklichkeit nicht oft recht herb in diese Soldatenidylle hineingreift? Ob der herangewachsene junge Mensch sich wohl einmal ebenso fröhlichen Gesichtes den Czako auf den Kopf stülpen wird, wenn er ihm nicht mehr zu weit ist? Ob er es nicht noch mit bitteren Schmerzen an Seele und Körper empfinden wird, daß er nichts ist als eben „des Königs jüngster Rekrut“? =      

Schätze in den Bergen. In der österreichischen Alpenwelt lebt von altersher der Glaube, daß sich in einzelnen bekannten Bergen reiche Schätze befinden, welche jedoch den Bewohnern jener Gegenden und unter diesen auch nur den sogenannten „Glückskindern“ einzig und allein an gewissen hohen Feiertagen zugänglich sind. Zu diesen geheimnißvollen Tagen, an denen der Zauberbann für Stunden wenigstens gelöst ist, zählt in erster Reihe die weihevolle Christnacht, die sagenumwobene Sonnwendnacht, der Palmsonntag und der festliche Ostertag. Das Salzkammergut und die mit Naturschönheiten nicht minder gesegneten Gebiete der Mur und der Mürz in der oberen Steiermark weisen eine Fülle der sinnigsten Mythen auf, welche Einblick gewähren in das Denken und Dichten der dortigen Alpenmenschen. Als Dichtungen des Volkes besitzen die Sagen der Aelpler gewiß hohen Werth.

Die Geschichte von jener Hammerschmiedin, welche in der Christnacht über die Berge durch den nächtigen Wald zur Mitternachtsmesse nach Mürzzuschlag ging, ihr kleines Kind auf dem Arme, und der sich plötzlich auf ihrem Irrpfad ein Felsen aufthat, aus dessen Innerem sich ihr im strahlenden Lichte eines großen Karfunkelsteines zwölf Fässer mit Dukaten zeigten, ist gewiß von einem ethischen Hauche belebt. Statt ihres einzigen Kindes hatte die Frau sich stets Geld gewünscht, und nun sollte sich wirklich ihr beständiger Wunsch erfüllen. Eiligst entnahm sie den gleißenden Schätzen so viel sie nur in ihren Kleidern unterzubringen vermochte, und als sie auch im Schürzentuch reichlich Gold geborgen hatte, stürmte sie hinaus ins Freie. Plötzlich erinnerte sich die nun reiche Hammerschmiedin, daß sie ihr Kind im Zauberfelsen zurückgelassen habe. Jammernd irrte sie im Walde umher und suchte die Höhle, in der ihr Kindchen nach seiner Mutter schrie. Aber vergebens war all ihr Suchen, ihr Flehen; sie konnte den Felsen nicht mehr finden und niemand wollte von dem geheimnißvollen Berge etwas wissen. Am Christtage fanden Kirchengänger den Leichnam der armen Mutter, die sich aus Verzweiflung über den Verlust ihres Kindes ertränkt hatte, am Ufer der Mürz ausgespült.

Im Salzkammergut erzählt man sich vom „Böttingsberg“ eine ähnliche Sage, doch öffnete sich hier der Fels der Mutter und ihrem Kinde am

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 227. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_227.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)