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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


zu vergleichen sind. Dieses Lärmen und Toben erhebt sich in manchen Stunden der Nacht zu wilder Raserei, so daß den Beherztesten ein Grauen erfaßt. – Sobald es des Abends zu dämmern anfängt, wird der Uhu auf seinem Sitze („Stande“) unruhig; er tritt einige mal hin und her, schüttelt sich und ordnet sein Gefieder, um darauf sofort abzustreichen. Dieser Abstrich ist fast unhörbar leis, der Weiterflug, namentlich wenn er wie gewöhnlich dem Raub gilt, geht mit unglaublicher Raschheit und Gewandtheit durchs Geäste in mäßiger Höhe über dem Boden dahin. Diese Raubzüge durchs Waldesdunkel gelten nicht sowohl den Mäusen und Ratten, seiner Lieblingsspeise, sondern vielmehr vorherrschend dem Klein- und Mittelgeflügel. Er scheucht mit klatschenden Flügelschlägen, namentlich an Nadelholzbäumen herstreifend, die schlafenden Vögel auf und fängt die wirr Aufflatternden mit Leichtigkeit.

In den Reihen der Säugethiere ist das Rehkitzchen, selbst das Wildkalb nicht sicher vor seinen wuchtigen Angriffen. Und wie sein Raubwesen eine große Menge von Thieren gefährdet, so ist auch das Feld seiner räuberischen Thätigkeit ein großes und mannigfaltiges. Aus dem Walde lenkt sich sein nächtlicher Flug zur Steppe und zu den Feldern, zu Bächen, Flüssen und Teichen, und er schlägt hier die auf der Wasserfläche oder am Ufer ruhenden Wildenten so sicher, wie er auf Wiesen und Feldern die Lerche, im Busch das Rothkehlchen erhascht, oder wie er an andern Orten den Hasen, das Kaninchen, den Marder, Iltis und das Wiesel bewältigt. Selbst seine Verwandten überfällt er mit Mordgier, und mit dem Erbeuten von Lurchen und Kerbthieren beschließt er seinen ergiebigen Raubzug. Die überwiegende Schädlichkeit des Thieres aber wird durch die Ueberreste der Gewölle bewiesen, welche er an seinen "Ständen" und in seinen Schlupfwinkeln auswürgt.

Im März erbaut der Uhu seinen Horst, einen zusammengetragenen Mischmasch von derbem Gezweig, Geäst, Laub und Moos in einer Felsenspalte, einer Mauer- oder Erdhöhle, auf Ruinen und altem Gemäuer eines einsamen Gebäudes, selbst auf dem Boden an einem Abhange, oder er wählt den verlassenen Horst eines Tagraubvogel, eines Raben oder des schwarzen Storchs zum Nistplatze.

Sind die flaumigen Jungen aus den zwei bis vier runden, weißen, grobkörnigen Eiern geschlüpft, dann beginnt der Höhepunkt des Raubwesens, das weit über das Maß des Bedürfnisses hinausgeht. Wie die Jungen schon anfänglich ihr boshaftes Wesen dem Nahenden dadurch zeigen, daß sie sich auf den Rücken werfen und die Fänge vorstrecken, so wird die Wildheit des alten Uhus in diesem Zeitpunkte selbst dem Menschen gefährlich, sobald der Brut Gefahr droht. Ja, der so unbändige, räuberische Unhold der Nacht liebt seine junge Nachkommenschaft dermaßen, daß er sie im Falle der Noth vom Nistplatze nach einem sichereren Orte fortträgt - ein Lichtstrahl in dem Bilde des einsiedlerischen Kauzes.




Thurnhamers letzte Heimfahrt.

Ein altbayerisches Charakterbild von Max Haushofer.0 Mit Abbildungen von Karl Raupp.


Leuchtend in der Nachmittagssonne liegt die weite Seefläche. Die fernen Ufer im Norden und Westen scheinen zwischen Fluth und Aether verschwinden zu wollen; nur im Süden treten sie deutlicher hervor; denn da steigen blau und duftig die Vorberge der Alpen empor mit schöngeformten Felshäuptern.

Einsam, recht einsam ist der Strand, den wir entlang wandern, ein breiter Sandstreifen, an einer Seite der plätschernde See, an der anderen grüne Waldnacht. So kann man stundenlang fortschlendern. Endlich aber öffnet sich der Wald; grüne Gefilde thun sich auf und wogende Kornfelder, und hinter Obstbäumen lugt der Spitzthurm eines stattlichen Kirchdorfes vor. Ein kleiner Bach geht hier in den See; seine Mündung ist der einzige Hafen weit und breit. Und ihn mußte man vor der andrängenden Fluth dadurch schützen, daß man den schwarzen Rumpf eines ehemaligen Dampfschiffes vor ihm versenkte und mit Felsstücken belastete, so daß er eine Art nothdürftigen Dammes bildet. Aber unheimlich sieht es aus, wie die dunklen Rippen des Wracks aus der grünen Tiefe emporragen; es ist, als wollten diese trauernden Reste jeden Augenblick rückwärts hinabsinken ins Unergründliche.

Es ist wenig Leben da. Kein Schiff, kein Steg am Strand, viel weniger ein weißglänzendes Segel. Es ist das wilde Ostufer des großen Binnenwassers; die von den häufigen Stürmen erregten Wogen gehen hier so hoch und stürzen mit solcher Wucht an

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 244. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_244.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2021)