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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

ihm erfundene, aufklebbare Postmarke den Siegeslauf durch die ganze Welt antreten. Denn auf England folgten mit Einführung von Postmarken 1843 Brasilien (Fig. 8) und Zürich, 1844 Genf und Basel, 1845 Finnland, 1848 Belgien, Spanien und Rußland, 1849 Bayern (Fig. 9) und Frankreich, 1850 Preußen, Oesterreich, Sachsen (Fig. 10) Hannover etc., so daß bis zum Jahre 1855 32, bis 1864 110 Staaten dem neuen Systeme huldigten, während diese Zahl gegenwärtig auf 220 sich beläuft. Chalmers hat aber außerdem noch über Mulready gesiegt, denn seine Form des Postwerthzeichens ist nicht nur die meist benutzte geworden, sondern auch in Verwendung gekommen zum Aufdruck auf Umschläge, Postanweisungen, Streifbänder und Postkarten.

Figur 9.

Erste Marke von
Bayern (1849).

Figur 10.

Erste Marke von
Sachsen (1850).

Annähernd gleich großen Erfolg wie die Postmarke hat in den letzten zwei Jahrzehnten die Postkarte zu verzeichnen. Von Stephan auf dem 5. deutschen Postkongreß zu Karlsruhe im Jahre 1865 erstmalig als neues Verkehrsmittel vorgeschlagen, von Oesterreich am 1. Oktober 1869 eingeführt, betrug ihre Verwendung im Weltverkehr im Jahre 1886 bereits über eine Milliarde. Ganz riesige Ziffern ergiebt der jährliche Verbrauch an Postwerthzeichen überhaupt. Nur einige Beispiele: England, das vor Hills Reform jährlich nur 75 Millionen Briefe verzeichnete, hatte deren in runder Zahl: 1845 270 Millionen, 1882 einschließlich 150 Millionen Postkarten 11/4 Milliarde; das Deutsche Reich, welches 1872 307 Millionen Briefe und 8 Millionen Postkarten in der Poststatistik vermeldet, brachte es 1878 schon auf zusammen 553 Millionen, 1887 aber auf fast 11/2 Milliarde. Darf es dann wundernehmen, wenn die kaiserliche Reichsdruckerei zu Berlin zur Herstellung deutscher Postmarken täglich allein einen Centner Klebgummi und zur Postkartenerzeugung täglich 45 Centner Kartonpapier verarbeitet?

Die Zahl der seit Einführung verausgabten Postwerthzeichen ist, die außer Kurs gesetzten inbegriffen, auf rund 10000 nach Form, Zeichnung, Herstellungsart und Farbe verschiedene Muster zu veranschlagen. Seit dem Jahre 1858 gewann alt und jung, vornehm und gering Gefallen am Sammeln der Postwerthzeichen. Diese Liebhaberei („Philatelie“) rief eine umfängliche Litteratur hervor und wird gegenwärtig von einer großen Zahl von Vereinen in aller Welt nach festen Regeln gepflegt. Gegen 50 Zeitschriften in allen Weltsprachen widmen sich der Briefmarkenkunde, von denen beispielsweise Heitmanns „Illustrirte Briefmarken-Zeitung“ zugleich als Organ von 24 Vereinen dient. Wie die Handbücher von Lindenberg, Meyer und Moschkau und der Katalog der Sammlung des Reichspostmuseums sorgfältige Ausstellungen und Beschreibungen aller erschienenen Postwerthzeichen der Erde geben, so dienen die Sammelbücher von Schwaneberger, Köppe, Schaubek, Zschiesche etc. zur Aufnahme der gesammelten Stücke. Einen Namen weit über Sammlerkreise hinaus genießen die Sammlungen im Reichspostmuseum zu Berlin, die des Herrn Philipp von Ferrary in Paris und die des „Internationalen Postwerthzeichen-Museums“ zu Wien-Unterdöbling.

Ein übersichtliches Bild des Postmarkenwesens, von Chalmers’ Proben bis zur Entwicklung in unseren Tagen, werden die anläßlich des Jubiläums unserer Weltreisenden veranstalteten öffentlichen Postwerthzeichen-Ausstellungen zu London, Wien, Magdeburg und anderwärts geben.

Ohnedies werden aber alle briefschreibenden Völker an dem Jubiläumstage der Postmarke gern und freudig sich vergegenwärtigen, wie bedeutsam sie den Weltpostverkehr gehoben und vereinfacht hat, und daß ihr an der hochentwickelten Blüthe desselben ein namhafter Antheil gebührt.

Dr. Alfred Moschkau.     




Deutsche Städtebilder.

Würzburg.
Von Max Haushofer.0 Mit Zeichnungen von Richard Püttner.


Würzburg von den Steinbergen aus gesehen.


Ein schlauer Gesell ist er, der Mainstrom. Weil ihm die bösen Menschen, welche die Landkarten zeichnen, einen so gar kurzen Spielraum gelassen haben von seinen Quellen am Fichtelgebirge bis zum Altvater Rhein, macht er, um sich sein Dasein künstlich zu verlängern, die allerverwegensten Windungen, bis er endlich doch einsieht, daß er bei Mainz in den Rhein gehört. Am Mainstrome nun liegt das altehrwürdige Würzburg. Der Fluß ist hier schon recht stattlich; trägt er doch von Mainz bis Bamberg aufwärts Schiffe mit zweitausend Centnern Ladung. So kann man denn von der alten Würzburger Mainbrücke aus eine kleine Flotte bemasteter Schiffe betrachten, die hier vor Anker liegt; ab und zu gleitet auch ein Fahrzeug unter den altersgrauen Bogen der Brücke durch. Der Fluß ist zu seinen mächtigen Krümmungen genöthigt durch seinen Lauf, welcher das mitteldeutsche Berg- und Hügelland durchbricht. Die waldigen Höhen des Rhöngebirgs, des Spessarts und des Steigerwaldes senden ihre Ausläufer sich entgegen; durch dieselben mußte der Strom den Weg sich bahnen.

Landschaftlich gehört Würzburg zu den schönsten deutschen Städten. Man kann auf der alten Mainbrücke stehen und stromauf oder stromab schauen; die Festung Marienberg oben auf ihrem Felshügel, die graue Stadt mit ihrem prächtigen Dome, die rebenbewachsenen Stromufer und die fernen blauduftigen Höhenzüge: alles ist anmuthig und Gedanken weckend, ein reiches altes Städtebild.

Würzburg ist die Hauptstadt des alten Franken, der Punkt, wo fränkische Bevölkerung und fränkisches Leben am erkennbarsten dem Beschauer entgegentreten. Wer die Umgebung der Stadt durchwandert, gewinnt bald seine Anschauung vom fränkischen Volk. Die Leute sind von mittlerer Körpergröße, eher schlank als gedrungen, die Gesichter nicht überwältigend schön, aber klug und verständig. Die Mädchen sind hübsch; man sieht hier viele „Mariengesichtchen“, deren eigenthümliche fromme Schönheit ein älterer Beobachter der fleißigen Anschauung der Marienbilder in den Kirchen zuschrieb. Darum sagt auch ein alter Würzburger Spruch:

„Maria, Dich liebt Würzburg sehr,
Wo thut eine Stadt dergleichen mehr?
In Würzburg an so manchem Haus
Sieht ein Marienbild heraus.“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 303. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_303.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)