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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


langen Auseinandersetzung zu, ohne sie mit einem Worte oder einer Frage zu unterbrechen, sein Gesicht blieb starr und undurchdringlich, kein Zucken, keine Bewegung verrieth, daß er Dinge hörte, die doch sein ganzes Inneres in Aufruhr bringen mußten. Er war auch jetzt "wie von Stein“.

„Ich glaubte, Dir diese Mittheilungen schuldig zu sein,“ schloß der Gesandte endlich. „Wenn ich Dir bisher verschwieg, was ich von den Schicksalen der beiden wußte, so geschah es, um Dich nicht unnöthig mit Erinnerungen zu quälen, die Du schwer genug überwunden hast. Jetzt aber mußt Du erfahren, was geschehen ist und wie die Dinge augenblicklich liegen.“

Der Oberst verharrte in seiner Stellung, und seine Stimme verrieth keine innere Bewegung, als er erwiderte: „Ich danke Dir für Deinen guten Willen, aber Du hättest diese Erörterung sparen können – was geht mich jener Abenteurer an?“

Wallmoden blickte betroffen auf, eine solche Antwort hatte er denn doch nicht erwartet.

„Ich hielt es für nothwendig, Dich auf die Möglichkeit eines Zusammentreffens vorzubereiten,“ versetzte er. „Du hörst ja, daß Rojanow augenblicklich eine bedeutende Rolle spielt und überall gefeiert wird. Der Herzog ist im höchsten Grade von ihm eingenommen; Du könntest ihm gerade im Schlosse begegnen.“

„Und was weiter? Ich kenne niemand, der den Namen Rojanow trägt, und er wird es wohl nicht wagen, mich zu kennen. Wir würden als Fremde aneinander vorübergehen.“

Der Blick des Gesandten lag forschend auf den Zügen Falkenrieds, als wollte er ergründen, ob das wirklich Kälte oder nur eine unglaubliche Selbstbeherrschung sei.

„Ich glaubte, Du würdest die Nachricht von dem Wiederauftauchen Deines Sohnes anders aufnehmen!“ sagte er halblaut. Es geschah zum ersten Male und mit voller Absicht, daß er diese Bezeichnung brauchte, während er bisher nur von einem „Rojanow“ gesprochen hatte und jetzt zum ersten Male zeigte sich auch eine Bewegung in der regungslosen Gestalt am Fenster; aber es war eine Bewegung des Zornes.

„Ich habe keinen Sohn, merke Dir das, Wallmoden! Er starb mir an jenem Abende in Burgsdorf, und die Todten stehen nicht wieder auf.“

Wallmoden schwieg, aber der Oberst trat jetzt zu ihm und legte schwer die Hand auf seinen Arm.

„Du erwähntest vorhin, es wäre Deine Pflicht gewesen, den Herzog aufzuklären, Du hättest das nur aus Rücksicht auf mich unterlassen. Ich habe allerdings nur noch eins zu wahren auf der Welt, die Ehre meines Namens, der durch solche Aufklärungen noch einmal dem Gespött und der Schmach preisgegeben würde. Thue, was Du glaubst thun zu müssen, ich hindere Dich nicht, aber – ich thue dann auch, was ich muß!“

Seine Stimme klang kalt wie vorhin, aber trotzdem lag etwas so Furchtbares darin, daß der Gesandte erschrocken auffuhr.

„Falkenried, um Gotteswillen, was meinst Du damit? Wie soll ich diese Worte deuten?“

„Wie Du willst! Ihr Diplomaten faßt ja bisweilen den Ehrbegriff anders auf als unsereiner – ich bin sehr einseitig darin!“

„Ich werde unbedingt schweigen, ich gebe Dir mein Wort darauf,“ versicherte Wallmoden, der die letzte bittere Andeutung nicht verstand, denn er ahnte nichts von dem Geständniß Adelheids. „Es war beschlossen, ehe Du kamst. Durch mich soll der Name Falkenried nicht preisgegeben werden!“

„Gut, und nun nichts mehr davon!“

(Fortsetzung folgt.)




Aus dem Leben eines Maultrommlers.
Von Rudolf Palm.


Karl Eulenstein.

Die Maultrommel! – Was ist die Maultrommel? Was für ein Ding, was für ein Instrument? Ich höre dein Mißtrauen, verehrter Leser, aus dem Ton und Tempo deiner Frage. Und wenn du, um dir schnell Raths zu erholen, nach einem musikalischen Handbuch greifst und dort erfährst: „Die Maultrommel, auch Brummeisen genannt, Crembalum, besteht aus einem kleinen hufeisenförmigen Eisenrähmchen, in dem eine Stahlfederzunge steckt, welche, indem man das Instrument mit den Zähnen festhält, in Bewegung und Schwingung gesetzt wird unter gleichzeitigem Brummen oder Hauchen der Gesangstöne auf diese Feder“ – ich sage, wenn dir diese Auskunft zutheil wird, so nickst du vergnüglich vor dich hin, als hättest du dir etwas ähnliches von selbst zusammengereimt, und deine Geringschätzung für das Instrument kann sicher nicht abgeschwächt werden durch den Schlußsatz, den Dr. H. Riemann in seinem Musiklexikon der Maultrommel zum Geleite giebt: „Man trifft sie noch hier und da bei Bärenführern.“

Und dieses Instrument sollte einst nicht nur salon-, sondern sogar hoffähig gewesen und im Palaste der Tuilerien wie in den Königsgemächern zu London erklungen sein? Deutsche Dichter wie Justinus Kerner, Gustav Schwab, Wilhelm Hauff sollten dieses Instrument und seinen Spieler in Versen verherrlicht haben? Ja, das alles verhält sich so, nur tritt noch hinzu, daß Justinus Kerner selbst ein leidenschaftlicher „Maultrommler“ und dadurch die Veranlassung war, den Virtuosen, welchem diese Zeilen gewidmet sind, Karl Eulenstein, auf seine Laufbahn zu führen.

Es war in der alten Reichsstadt Heilbronn am Neckar, ums Jahr 1820 herum, da trat eines Tages, von dem benachbarten Weinsberg kommend, Dr. Justinus Kerner in einen Kaufladen, um sich ein paar Maultrommeln auszuwählen. Ein Lehrling stand dabei, ein kleines, blasses Bürschchen, das sah und hörte eifrig zu, als der Arzt und Dichter die Instrumente an den Mund nahm und flüchtig probirte. In diesem Augenblick entschied sich des Lehrlings Schicksal. Ein Künstler auf der Maultrommel werden – das schoß ihm durch Herz und Hirn. Schon früher hatte der kleine Karl Eulenstein davon gehört, daß man auf der Maultrommel auch Konzerte geben könne, allein da er nie jemand spielen hörte, der etwas auf diesem Instrumente leistete, so war ihm auch noch nie der Gedanke gekommen, sich demselben zu widmen. Die wenigen Töne, welche Kerner der schwingenden stählernen Feder entlockte, wirkten wie ein Zauber auf den Kaufmannslehrling; am nämlichen Tage kaufte er sich einige Maultrommeln in dem Geschäfte, und als er des Abends in sein Dachkämmerlein ging, probirte er von 10 bis 2 Uhr in der Nacht auf den Instrumenten und fand sie beim frühen Erwachen am andern Morgen im Bette neben sich liegen – sie hatten ihm im Schlafe sogar das Gesicht zerkratzt. Er spielte nun wieder eine Stunde im Bett und hatte die unaussprechliche Freude, schon in einer Nacht ein Stückchen spielen gelernt zu haben. Es war ein selbstkomponirter Walzer, den er nachher in allen seinen Konzerten unter dem Namen eines Trompetenwalzers, natürlich verbessert, vortrug.

Dem ungewöhnlichen Musiktalent des Knaben Eulenstein hatte bisher wahrlich kein Sonnenschein gelächelt, um es hell und freudig zur Entfaltung zu bringen.

Trauriger Roman einer Kindheit – die brave Mutter so arm, so bettelarm, die Verwandten wohlhabend, ja reich, aber so

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 316. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_316.jpg&oldid=- (Version vom 27.1.2024)