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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


In verwirrendem Wechsel hat die bildende Hand der Natur in diesem Grunde – von dem unser Künstler als überaus lauschigen Punkt den an der Bergschmiede festgehalten hat – das Erhabene mit dem Lieblichen, das Düstere mit dem Heitern, das Farbenüppige mit dem Farbenstumpfen, das Todte, Oede mit sprudelnder Lebensfrische zu einer phantastischen Dichtung verschmolzen. Das kann man nicht schildern, mit keiner Feder, das muß man sehen!

Meinen Heimweg nehme ich über die Hampelbaude nach Krummhübel, durch die Gegenden, welche den Lesern der „Gartenlaube“ ja aus den meisterhaften Schilderungen Fontanes in seinem Roman „Quitt“ noch wohl vertraut sind. Auf diesem Wege berühre ich einen wundervollen Punkt, den ich mit ein paar Zeilen noch erwähnen muß. Ich meine das Kirchlein Wang, das die Gemeinde Brückenberg dem kunstsinnigen Könige Friedrich Wilhelm IV. verdankt. Gar traulich grüßt es mit seinem abseits stehenden Glockenthurm von Bergeshöh’ herunter, äußerlich wie innerlich mit einer Menge alterthümlicher Schnitzereien geziert. Die Lage des kleinen hölzernen Gotteshauses, das ursprünglich in Norwegen gestanden hat, ist eine ungemein anmuthige, zu träumerischer Rast unwillkürlich einladende.

Ich steige hinab nach Krummhübel. Das Dorf, wo einst die Laboranten ihre. Heilsäfte bereitet haben, liegt bezaubernd schön in einem tief eingeschnittenen Thale des Kammes, an der Großen Lomnitz, in deren Bett eine wahre Steinwüste sich aufgethürmt hat. Hier, in dieser gemüthlichen Sommerfrische, raste ich, im Angesicht der Koppe, und danke dem freundlichen Leser, daß er mich auf meiner Geist und Gemüth erfrischenden Bergfahrt bis hierher begleitet hat.




Flammenzeichen.
Roman von E. Werner.
(Fortsetzung.)


„Du hast den Herzog also vorbereitet auf das, was ich ihm bringe?“ fragte Falkenried, auf einen ganz anderen Gegenstand überspringend, nach kurzer Pause seinen Schwager. „Wie stellt er sich dazu?“

Das war wieder die alte eiserne Undurchdringlichkeit, die sich jedem Forschen verschloß, aber dem Gesandten schien dies jähe Abbrechen willkommen zu sein. Er war auch hier wie überall der Diplomat, der nichts so sehr scheute als ein öffentliches Aufsehen, und der nie daran gedacht hätte, Hartmut entgegenzutreten, wenn er nicht gefürchtet hätte, man könnte ihm später bei einem zufälligen Bekanntwerden der Wahrheit und seiner Kenntniß derselben sein Schweigen sehr verübeln. Jetzt konnte er sich im schlimmsten Falle mit dem Worte decken, das er dem Vater gegeben hatte. Sogar der Herzog hätte es einsehen müssen, daß man einen Jugendfreund schonen mußte. Der „kluge Herbert“ verstand auch hier zu rechnen. –

Der Aufenthalt Oberst Falkenrieds war nur kurz bemessen, und er kam in dieser Zeit kaum zu Athem. Audienzen bei dem Herzog, Besprechungen mit hohen militärischen Persönlichkeiten, Verhandlungen mit der eigenen Gesandtschaft, das alles drängte sich in den Raum von wenigen Tagen zusammen. Wallmoden war kaum weniger in Anspruch genommen, bis endlich alles erledigt war. Der Gesandte und besonders Oberst Falkenried hatten Grund, mit dem Erfolge zufrieden zu sein, denn es war alles erreicht worden, was von seiten ihrer Regierung gewünscht und erwartet wurde, und sie konnten daheim der vollsten Anerkennung gewiß sein.

Allerdings wußten nur die eingeweihten Kreise, daß etwas Wichtiges vorging, und selbst in diesen Kreisen kannten nur wenige die volle Tragweite jener Verhandlungen. In der Oeffentlichkeit merkte man kaum etwas davon und beschäftigte sich um so angelegentlicher mit dem gegenwärtigen Lieblinge, dem Dichter der „Arivana“, welcher der ganzen Stadt um so interessanter war, als sein Benehmen ganz unbegreiflich schien.

Fast unmittelbar nach jenem glänzenden Triumphe seines Werkes hatte er sich allen Lobeserhebungen und Huldigungen entzogen und war „in die Wildniß gegangen“, wie Fürst Adelsberg lachend auf jede Anfrage erklärte. Wo diese Wildniß lag, erfuhr aber niemand; Egon behauptete, er habe sein Wort gegeben, den Aufenthalt seines Freundes nicht zu verrathen, der nach all den Aufregungen der Ruhe bedürfe und schon nach einigen Tagen zurückkehren werde. Es wußte in der That niemand, daß Hartmut Rojanow sich in Rodeck befand.

An einem trüben, kalten Wintermorgen hielt vor dem Palast der preußischen Gesandtschaft der Wagen des Herrn von Wallmoden. Es schien sich aber diesmal um einen weiteren Ausflug zu handeln, denn die Diener trugen Pelze und Reisedecken in den Wagen, während sich oben in dem Zimmer, wo man soeben das Frühstück eingenommen hatte, der Gesandte von Oberst Falkenried verabschiedete.

„Also auf Wiedersehen morgen abend!“ sagte er, ihm die Hand reichend. „Bis dahin sind wir jedenfalls zurück, und Du bleibst ja noch einige Tage hier.“

„Da der Herzog es ansdrücklich wünscht, allerdings!“ bestätigte der Oberst. „Ich habe das bereits nach Berlin gemeldet und mein Bericht ist ja gleichzeitig mit dem Deinigen abgegangen.“

„Jawohl, und ich denke, man wird zufrieden sein mit diesen Berichten; aber das war eine heiße Zelt, man kam ja kaum zur Ruhe in den letzten Tagen! Jetzt ist, Gott sei dank, alles geordnet, und nun kann ich es mir auch erlauben, einmal vierundzwanzig Stunden abwesend zu sein und mit Adelheid nach Ostwalden zu fahren.“

„Ostwalden heißt Dein neuer Landsitz? Ich erinnere mich, Du sprachst gestern davon. Wo liegt er denn eigentlich?“

„Etwa zwei Meilen von Fürstenstein entfernt. Als wir dort waren, machte mich Schönau auf das Schloß aufmerksam, und ich habe es schon damals besichtigt. Es ist eine ziemlich umfangreiche Besitzung, in dem berühmten ‚Walde‘ sehr schön gelegen, aber der Preis war anfangs zu hoch, und deshalb zogen sich die Verhandlungen hin. Erst jetzt nach meiner Rückkehr wurde der Kauf endgültig abgeschlossen.“

„Ich glaube, Ada ist nicht ganz einverstanden mit Deiner Wahl, sie scheint irgend etwas gegen die Fürstensteiner Gegend zu haben,“ warf Falkenried ein; der Gesandte zuckte gleichgültig die Achseln.

„Eine Laune, nichts weiter! Adelheid war anfangs ganz entzückt von Ostwalden, und später erhob sie alle möglichen Einwendungen dagegen; aber ich kann darauf keine Rücksicht nehmen. Ich werde voraussichtlich längere Zeit auf meinem hiesigen Posten bleiben und liebe es nicht mehr, im Sommer weite Reisen zu machen. Da ist mir ein Landsitz, der in vier Stunden von der Stadt zu erreichen ist, von großem Werthe. Das Schloß ist allerdings in seinem jetzigen Zustande ziemlich vernachlässigt, aber es läßt sich etwas daraus machen. Mit einem entsprechenden Umbau kann man es zu einem wahren Prachtsitze umwandeln, und das beabsichtige ich zu tun. Ich will es deshalb noch einmal eingehend besichtigen, damit die Baupläne möglichst bald festgestellt werden können, und überhaupt bin ich ja noch gar nicht als Besitzer dort gewesen.“

Er verbreitete sich mit großer Behaglichkeit über seine Pläne und Absichten. Herbert von Wallmoden, der ursprünglich nur ein geringes Vermögen besaß und sich sehr hatte einrichten müssen, fand es jetzt auf einmal für nöthig, sich an einem Orte anzukaufen, wo er doch nur vorübergehend weilte, und für seinen Sommeraufenthalt einen fürstlichen Landsitz zur Verfügung zu haben, aber er fand es nicht für nöthig, dabei auf die Wünsche seiner Frau Rücksicht zu nehmen, deren Reichthum es ihm ermöglichte, den Großgrundbesitzer zu spielen.

Falkenried mochte beim Zuhören wohl solche Gedanken hegen, aber er äußerte nichts. Er war seit den letzten Tagen womöglich noch starrer und finsterer geworden, und wenn er wirklich im Gespräch eine Frage that oder eine Bemerkung machte wie vorhin bei dem Gutskaufe, so hörte man es seinem Tone an, daß das eben nur mechanisch geschah, weil er doch irgend etwas sprechen mußte. Nur als Adelheid jetzt eintrat, schon vollkommen reisefertig, ging er mit einiger Lebhaftigkeit auf sie zu, um ihr den Arm zu bieten und sie zu dem Wagen zu führen. Er hob sie hinein, und Wallmoden, der ihr folgte, beugte sich noch einmal aus dem Schlage.

„Wir kommen jedenfalls morgen zurück – auf Wiedersehen!“

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 343. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_343.jpg&oldid=- (Version vom 1.6.2021)