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verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


doch nicht aufhören, den Faden zu drehen und die Spindel zu werfen. Der Junge dagegen hat das bessere Theil erwählt; ungestört kann er sich der Welt von Musik und Poesie hingeben, die in seinen Augen träumt. Das Vieh, das er zur Weide treiben soll, mag sich ruhig draußen verlaufen, indeß er der dankbaren Zuhörerin auf der „Ciaramella“ die selbsterfundenen Weisen bläst.

Und der kleine ländliche Improvisator denkt vielleicht an die schöne große Stadt Neapel, von der sie ihm erzählt haben, daß er dort mit seinen Talenten eines Tages sein Glück machen könnte, er denkt vielleicht an das Fest von Piedigrotta, wo alljährlich die Volkssänger aus Stadt und Land zusammenströmen, um unter Zechen und Schmausen die ganze Nacht hindurch im Wettstreit ihre neuen Lieder vorzutragen, bis das schönste mit dem Preise gekrönt wird und von da in den Mund des Volkes übergeht. Das steht fest, daß auch unser kleiner Künstler sich eines Tages dort auszeichnen wird; alsdann wird er sich in seinem Triumphe auch der kleinen Freundin erinnern, die ihn zuerst durch ihren Beifall ermuntert hat, und er verwendet gewiß seinen Preis dazu, ihr ein schönes Paar Ohrgehänge von Korallen zu schenken, wie es alle ihre Freundinnen tragen und woran es ihr offenbar noch zu fehlen scheint.

Wenn es aber wahr ist, daß ein Lächeln aus lieblichem Munde für den Sänger der schönste Preis ist, so hat unser kleiner Freund seinen Lohn schon jetzt dahin. J. K.     

Das Reisen in der guten alten Zeit. Nirgends hat sich der Umschwung der Zeiten so geltend gemacht wie mit Bezug auf das Reisen und die Einrichtungen und Vorkehrungen, die dazu gehören. Die gelbe Postkalesche aus unserer Väter Zeit und der jetzige Eisenbahnwagen scheinen ganz verschiedenen Jahrhunderten anzugehören. In welcher Weise aber unsere Urväter ihre Reiselust befriedigten, darüber geben uns z. B. aus dem siebzehnten Jahrhundert die zahlreichen Reisebücher Aufschluß, die uns noch erhalten sind. Die damaligen Bädeker heißen Zeiller, Hentzner, Eghenberg, Zingerling, und ihre Werke waren meist in lateinischer Sprache abgefaßt, da die Touristen in der Regel akademische Bildung besaßen. Doch gab es auch Gesprächbücher in verschiedenen Sprachen zum praktischen Gebrauch für die Reisenden, die sich in fremden Landen mit den Einwohnern verständigen wollten. Ein gutes Reisebuch sorgte damals auch für die religiösen Bedürfnisse. Dasjenige von David Fröhlich enthielt sogar nicht weniger als 28 Gebete und 36 Reisehymnen mit Melodien, sowie eine Anzahl von Versen, um zu gewissen Tageszeiten, z. B. beim Aufstehen, beim Waschen, bei Sonnenauf- und Untergang, vor und nach der Mahlzeit das Gemüth in eine andächtige Stimmung zu versetzen.

Aus diesen Reisebüchern erfährt man auch, welches die damals übliche Reiseausrüstung war. Selten nahm man mehr mit, als was sich in einem schmalen Felleisen oder Mantelsack unterbringen ließ. Größere Gepäckstücke erschwerten das Reisen sehr, da nicht überall sogleich Wagen oder Pferde zu haben waren und der Reisende einen Träger nehmen oder streckenweise selbst sein Gepäck tragen mußte. An Wäsche hielt man drei oder vier Oberhemden, ebensoviele Kragen, etliche Taschentücher, Schlafhosen und Nachtmützen nebst einigen Paar Strümpfen, an Schuhwerk ein Paar Schuhe von Corduan oder anderem weichen Leder und ein Paar Stiefel mit so genannten Pfundsohlen bei Schmutz und Regenwetter für ausreichend. Der Reiseanzug bestand aus Wams, Filzhut mit breiter Krämpe, einem Regenmantel mit Kapuze und langen bis an die Kniee reichenden Gamaschen. Außerdem wird von den Handbüchern zur Reiseausrüstung gerechnet ein sogenanntes „Nasenfutter“, d, h, eine Gesichtsmaske aus doppeltem Tuch zum Schutze gegen die Kälte, Hand- und Feuerwaffen, Staubbrille, Handspiegel, Wachsstock, Eßbesteck, Kreide, Nadel, Zwirn, Kompaß, Taschen- oder Sanduhr, Instrumente zum Schröpfen und Aderlässen, Kalender, Tagebuch, Reisehandbuch, Gesang- und Gebetbuch, eine kleine Reiseapotheke mit den gebräuchlichen Mitteln bei Unpäßlichkeiten, schmerzenden Füßen, erfrorenen Gliedern, Seekrankheit, Biß von Schlangen, Skorpionen und tollen Hunden. In Fröhlichs Reisehandbuch findet sich eine ganze Blumenlese von oft sonderbaren Heilmitteln, die damals beim Volk im Schwange waren.

Leute aus den bessern Ständen reisten damals zu Pferd oder zu Wagen; zu Fuß zu reisen galt weder für anständig noch für rathsam. Der englische Reisende Moryson, der im letzten Jahrzehnt des 16. Jahrhunderts die meisten Länder Europas und Kleinasiens bereist hat, warnt sehr nachdrücklich vor Fußreisen:

„Wer nicht die Mittel besitzt, um mit Anstand zu reisen, bleibe lieber zu Haus und bereise die Welt auf der Landkarte; denn Leute, die aus Sparsamkeitsrücksichten zu Fuß reisen, schaden damit nur ihrem Ansehen, da sie sich ihre Reisegesellschaft nicht wählen können, sondern auf die armen Wanderburschen angewiesen sind, in deren Gesellschaft sie weder ihr Wissen bereichern, noch ihren Verstand bilden können. Genöthigt, die Last ihres eigenen Körpers zu schleppen, sind sie auch viel leichter Erkrankungen ausgesetzt und laufen daneben Gefahr, von wilden Thieren, Räubern oder ihren eigenen Gefährten angegriffen zu werden. Ich kann dreist behaupten, daß alle Mordthaten, welche sich in Deutschland auf der Landstraße ereignen, gegen Fußreisende verübt werden. Wenn Leute von guter Herkunft und Erziehung zu Fuß reisen, bedürfen sie eines um so viel längeren Aufenthaltes in den Gasthäusern zur Erholung von Strapazen und brauchen auf diese Weise nicht allein beinahe ebensoviel, als wenn sie Pferde oder Wagen benutzt hätten, sondern sind auch kaum in der Lage, ihren Geldvorrath vor ihren Reisegefährten zu verheimlichen, und wenn diese bedürftig sind, kommt es selbst bei den sonst so ehrlichen Deutschen häufig genug vor, daß sie einen Anschlag gegen den Fußreisenden planen, zu dessen Ausführung die Einsamkeit der ausgedehnten Waldungen bequeme Gelegenheit bietet. Zudem ist es für einen Mann von Bildung eine bittere Medizin, sich nach den Strapazen der Fußreise in den Wirthshäusern schlecht behandelt zu sehen, zumal in Deutschland, wo die Fremden nach ihrer äußern Erscheinung und ihrem selbstbewußten oder bescheidenen Auftreten taxirt und Fußreisende insgesammt geringschätzig behandelt werden. Schließlich macht auch die Einsamkeit des Weges, der Mangel an Ortschaften das Fußreisen in Deutschland sehr langweilig. Ich für mein Theil halte für die beste Art des Fußreisens die, wenn ein Mann sein Pferd an der Hand führt und es nach Gefallen besteigen kann.“ – Heutzutage denkt man über das Fußreisen anders: man sieht darin eine die Gesundheit fördernde Uebung des Körpers, die ja im Alpensport zu den kühnsten Leistungen sich erhebt; man hat andererseits ein damals unbekanntes Naturgefühl und giebt sich gern bei einsamer Wanderung dem Genuß der landschaftlichen Reize hin. Freilich, wo man auch wandern mag, in der Nähe erblickt man immer eine Reisestation und hat die frohe Aussicht, sich bequem im Eisenbahnwagen von seinen Strapazen zu erholen und durch öde Gegenden im Fluge dahinzueilen. †     

Kinkels Gedichte an Gerda. In Halbheft 7 dieses Jahrgangs der „Gartenlaube“ veröffentlichten wir „Nachgelassene Gedichte Gottfried Kinkels“; auf Grund der aus bester Ueberzeugung gegebenen Versicherung der Witwe des verstorbenen Dichters machten wir dabei die Angabe, daß außer einem einzigen, dort in der Einleitung näher bezeichneten noch keines der Gedichte irgendwo gedruckt sei. Nun stellt es sich aber heraus, daß doch noch ein weiteres, nämlich das letzte unserer Reihe, welches anfängt „Ich stand an Deinem Grab in bangem Weinen“, schon veröffentlicht ist, und zwar im Jahrgang III (1883) des von Paul Heinze herausgegebenen „Deutschen Dichterheims“. Wir stehen nicht an, dies nachträglich zur Kenntniß unserer Leser zu bringen.


Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne volle Namensangabe werden nicht berücksichtigt.)

V. T. in P. Sie wünschen, daß wir an die Leser der „Gartenlaube“ die Frage richten, „in welcher Gegend man mit beschränkten Mitteln (etwa 3500 M eine Heimath sich gründen könnte, und zwar in einem Lande, wo deutsche Sprache und lutherische Religion nicht ausgerottet werden sollen.“ Wir erfüllen hiermit Ihre Bitte und werden Ihnen eingehende Antworten seinerzeit zustellen.

G. A. M. in C. Das uns angekündigte Exemplar der „C. Z.“ ist uns bis jetzt nicht zugegangen.

O. R. in Leipzig. Zu Ihrer Beruhigung „in den Papierkorb gewandert“.

R. L. G. in Stockholm. Zur Beseitigung des Bandwurms giebt es viele Mittel, die jeder Arzt kennt und über deren Anwendung Sie sich mit einem Arzte in Verbindung setzen müssen. Vor den in Zeitungsanzeigen angepriesenen Geheimmitteln ist entschieden zu warnen. Was sich allgemein verständlich über die Naturgeschichte des Bandwurms sagen läßt, das finden Sie in Bocks „Buch vom gesunden und kranken Menschen.“

F. P. in Gotha. Dr. Eitner, dessen Verdienste um die Görlitzer Jugendspiele Sie aus unserem Artikel in Halbheft 7 kennengelernt haben, hat auch selbst einen mustergültigen Leitfaden über „Jugendspiele“ verfaßt, der bereits in zweiter Auflage (Kreuznach und Leipzig, R. Voigtländer) erschienen ist.

P. K. in Frankfurt. Das jüngst mit dem Grillparzerpreis gekrönte Drama ist „Der Meister von Palmyra“ von Adolf Wilbrandt. Das Stück ist im Verlage der J. G. Cottaschen Buchhandlung Nachfolger gedruckt erschienen; eine nähere Angabe über Inhalt und Gedankengang finden Sie in Halbheft 20 des Jahrgangs 1889 der „Gartenlaube“.

Dr. F. H. in Wien. Wir werden Ihren Wunsch gern erfüllen, wenn Sie unter Wiederholung Ihrer Anfrage uns Ihre Adresse zu brieflicher Beantwortung mittheilen wollen.

H. St. in Kronstadt. Richtig ist: „Das Fräulein Hermine“.

Abonnentin in K. Sie sind eine „langjährige Abonnentin“ unseres Blattes. Sie werden es uns also nicht verübeln, wenn wir uns die ungalante Annahme erlauben, daß Sie nicht mehr gar zu jung sind. Sollten Sie nun die Erfahrung noch nicht gemacht haben, daß eine solche Probe, wie Sie sie anstellen möchten, nur das Leben selbst anstellen kann? Wir könnten Ihnen ja Vorschläge machen: ersuchen Sie Ihre „Freundin“ um einen Gefallen, klagen Sie ihr ein Leid, theilen Sie eine Freude mit ihr, und schließen Sie aus der Antwort auf ihre Treue und Anhänglichkeit. Aber all das giebt keine Gewähr und keine Sicherheit. Denn wenn es so leicht wäre, wahre Freundschaft zu erkennen, dann gäbe es wohl viel weniger falsche und viel weniger – enttäuschte Freunde auf der Welt!

R. R. in Mailand. Wir können Ihnen nur rathen, sich auf keine Geheimmittel einzulassen, sondern sich an einen tüchtigen praktischen Arzt zu wenden.

K. S. H. in H. Ist die betreffende Strafe vor Erwerb des Berechtigungsscheines verwirkt worden, so tritt § 89,4 der „Deutschen Wehrordnung“ in kraft, wonach das für die Bewerbung um die Berechtigung zum einjährig-freiwilligen Dienst vorgeschriebene Unbescholtenheitszeugniß von der Ersatzbehörde III. Instanz (in Bayern eines der beiden Generalkommando im Verein mit je einem Civilkommissar) nachgelassen werden kann, wenn „aus der Art des Vergehens und der dabei in Betracht kommenden Nebenumstände unter gleichzeitiger Berücksichtigung des jugendlichen Alters des Betreffenden Anlaß zu einer milderen Beurtheilung gegeben, auch die sonstige Führung des Bestraften eine gute gewesen ist“. Ist die Strafe aber nach Erwerb der Berechtigung und zwischen ihr und dem Eintritt in den Dienst zuerkannt worden, so würde die Berechtigung nach § 93, 9 der D.W.O. nur dann verloren gehen, wenn die begangene strafbare Handlung, während der Dienstzeit begangen, Versetzung in die zweite Klasse des Soldatenstandes zur Folge gehabt hätte. Das ist aber bei einer Körperverletzung, für welche das bürgerliche Gericht nur Geld oder Haftstrafe zuerkennt, nicht der Fall.



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