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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Deutsche Originalcharaktere aus dem achtzehnten Jahrhundert.

Friedrich Freiherr von der Trenck.

Wir haben vor uns eine der merkwürdigsten Lebensgeschichten aus einem an Abenteuern und romanhaften Begebenheiten so reichen Jahrhundert! Der Held dieser Geschichte hat sie selbst geschrieben als ein Lehrbuch für Menschen, die wirklich unglücklich sind oder noch guter Vorbilder für alle Fälle zur Nachfolge bedürfen. Und vor dieser Lebensgeschichte, welche im Jahre 1787 zu Berlin in 3 Bänden erschienen ist (ein Abdruck auch in der Kollektion Spemann, Band 44) sehen wir das Bild des Mannes selbst, des Freiherrn von der Trenck, aber nicht in der Offiziersuniform, nicht als schmucken Kriegsmann in frischer kräftiger Jugend: nicht um der eigenen Eitelkeit zu schmeicheln, hat er dies Bild zeichnen lassen, sondern um uns die schwerste Märtyrerstation seines Lebens vorzuführen. Da sehen wir ihn im Sträflingsgewande, das handbreite Eisen um den Hals, an welchem die Kettenlast hing, die er Tag und Nacht mit einer Hand in die Höhe halten mußte, weil sie die Nerven am Halse klemmte, einen eisernen breiten Ring um den Leib, einen Ring an der Mauer, an welchem er angeschmiedet war, Ringe um beide Oberarme, die rückwärts mit Ketten an das Halseisen geschlossen waren, einen großen Ring am rechten Fuß, in welchen dreifache leichtere Ketten zusammenliefen, die aber einen ungeheuren Druck ausübten. Und zu Füßen des so gemarterten Gefangenen sehen wir einen Leichenstein, in welchen ein Todtenkopf eingehauen war und der Name Trenck. (Vergl. Bild und Anmerkung S. 481.)

Zehn Jahre lang hat der Unglückliche diese grausame Pein erduldet.

Und wer war dieser Freiherr von der Trenck, den des Großen Friedrichs Ungnade so grausam bestrafte?

Er war am 16. Februar 1726 in Königsberg geboren, wo sein Vater als Generalmajor der Kavallerie lebte; seine Mutter war eine Tochter des Hofgerichtspräsidenten von Derschau, seine Onkel waren Minister und Generale. Der junge Friedrich war ein Wunderkind von erstaunlichem Gedächtniß; er kannte seinen Cicero, Cornelius Nepos, Virgil und viele Kapitel der Heiligen Schrift auswendig. Er besaß eine seltene Arbeitskraft. Schon mit 13 Jahren bezog er die Universität und hörte juristische Kollegien, dabei auch Physik, Mathematik und Philosophie. Im sechzehnten Jahre hielt er eine öffentliche Rede und zwei Disputationen im Universitätsoratorium. Dabei schlug er sich tapfer; er hatte mehrfache Duelle. Ein Verwandter seiner Mutter, Generaladjutant des Königs, kam 1742 nach Königsberg, prüfte den jungen Mann und schlug ihm vor, nach Berlin zu reisen und dort in die Armee einzutreten. Er that es, wurde von dem König Friedrich II., dem er schon in Königsberg als einer der begabtesten Jünglinge der Universität vorgestellt worden war, gnädig empfangen und erhielt alsbald als Kadett die Uniform einer bevorzugten Truppe, der Garde du Corps. Der Dienst in dieser Truppe, welche der ganzen Armee die Manöver lehrte, war überaus schwer: alle Versuche, die der König mit der Kavallerie machen wollte, wurden hier geprobt, man sprang über Gräben anfangs von drei, zuletzt von sechs Fuß, auch wenn einige Leute dabei die Hälse brachen. Der König rief Trenck schon nach drei Wochen einmal zu sich, prüfte sein Gedächtniß, legte ihm 50 Soldatennamen vor, die er innerhalb fünf Minuten auswendiglernte, ließ ihn einen Brief in französischer und einen in lateinischer Sprache anfertigen, mit dem Bleistift eine Gegend aufnehmen und ernannte ihn dann zum Offizier. Im 18. Jahre schon erhielt er die Aufgabe, der schlesischen Kavallerie die neuen Manöver zu lehren. Der König machte ihn auch mit seiner gelehrten Umgebung bekannt: der junge Mann durfte mit Maupertuis, La Mettrie, Poellnitz verkehren.

Doch allzu früh sollte er des Königs Gunst verscherzen. Anlaß dazu gab folgende Geschichte: eine der zwei noch unverehelichten Schwestern des Königs sollte sich mit dem Kronprinzen von Schweden vermählen. Der Gesandte von Stockholm sollte die Charaktere der beiden, Amalie und Ulrike, prüfen und danach die Wahl entscheiden. Doch Amalie hatte dies erfahren. Als eifrige Calvinistin wollte sie nicht zum lutherischen Glauben der schwedischen Königsfamilie übergehen; sie schlug daher der Schwester einen „Charaktertausch“ vor, und beide führten diese Komodie mit vielem Erfolg durch. Die sanfte Amalie spielte die Stolze, Hochmüthige, Launenhafte und Ulrike nahm eine ihr ganz fremde Miene der Sanftmuth und Bescheidenheit an. Der schwedische Gesandte ging in die Falle: Ulrike wurde Königin von Schweden. Amalie aber suchte für den Königsthron, um den sie sich selbst gebracht hatte, Ersatz in einer leidenschaftlichen Liebe.

Bei den Hoffeierlichkeiten hatte es sich begeben, daß dem jungen Trenck, der als wachthabender Offizier zugegen war, die Goldfranzen seiner Schärpe von einem Spitzbuben abgeschnitten wurden. Das erregte einiges Aufsehen; man sah sich den jungen Offizier näher an und bemerkte, daß er jugendliche Schönheit besaß, hochgewachsen, gegen sechs Fuß groß, dabei von kräftiger Gestalt und blühender Gesichtsfarbe war. Auch eine vornehme Dame bemerke dies und sagte ihm mit einem vielsagenden Blick, sie werde ihn über seinen Verlust zu trösten suchen. In seinen Memoiren nennt Trenck diese vornehme Dame nicht; aber es war bald ein offenes Geheimniß, daß es die Prinzessin Amalie, des Königs Schwester, war. In wenig Tagen war Trenck der glückliche Liebhaber derselben, und außer dem Liebesglück erschloß sich ihm auch die fürstliche Schatulle mit so reichen Spenden, daß er bald der glänzendste Offizier der Garde du Corps war.

Der Feldzug von 1744 unterbrach diesen Liebesroman. Der Krieg in Böhmen war nicht glücklich; es kam zu keinem ernsten Zusammenstoß, aber die leichten Truppen der Feinde thaten großen Schaden. Dem jungen Trenck gelang es, bei einem soldatischen Abenteuer, bei dem er sich noch dazu sehr unvorsichtig benahm, so daß er nur durch einen glücklichen Zufall gerettet wurde, 22 Gefangene zu machen und Fouragewagen ins Lager zu bringen.

Nach Berlin zurückgekehrt, war er unvorsichtiger als früher in seinem Verkehr mit der Prinzessin. Es gab allerhand Klatschereien, und Trenck mußte einen Offizier zur Rede stellen und sich mit ihm schlagen. Dem König konnte das Verhältniß nicht geheim bleiben, gleichwohl mußte er sich den Anschein geben, als wisse er nichts davon, weil sonst die Würde des Königshauses darunter gelitten hätte, denn er konnte Trenck nicht zur Rechenschaft ziehen, ohne die Prinzessin mit bloßzustellen; aber er wollte durch harte Behandlung den jungen Offizier fühlen lassen, daß er die königliche Gnade verscherzt hatte. Für die kleinsten Disciplinarvergehen erhielt er unverhältnißmäßig schwere Arreststrafen. Bei alledem erkannte der König die soldatische Tüchtigkeit Trencks an. Den Feldzug von 1745 machte dieser als Adjutant des Königs mit, betheiligte sich an den Schlachten von Hohenfriedberg und Soor mit gewohnter Tapferkeit und erhielt, ein 19jähriger Jüngling, nach der ersteren den Orden pour le mérite. Doch der stille Groll, den der König gegen ihn im Herzen trug, sollte neue Nahrung erhalten durch einen Zwischenfall, der ihm die Treue Trencks verdächtig erscheinen ließ.

Dieser hatte einen Vetter im österreichischen Lager, es war das der berüchtigte Pandurenobrist Franz von der Trenck, ein tapferer, wilder Soldat, aber ein grausamer, bösartiger Mann, der mehrfach Proben einer wahren Berserkerwuth gegeben hatte, dem im Krieg nichts heilig war, der weder Kirche noch Altar, weder Frauen noch Kinder schonte. Dieser, eben so geizig wie reich, besaß in Slavonien ausgedehnte Besitzthümer. Gegen Räuberbanden, die sich an der Grenze Slavoniens und der Türkei umhertrieben, hatte er dort aus seinen Vasallen ein Streifcorps gebildet, das er im Jahre 1740 wesentlich verstärkt und der Kaiserin Maria Theresia für den Krieg mit Preußen und Frankreich zur Verfügung gestellt hatte; er nahm in dies Corps ohne weiteres Bedenken auch 300 der gefangenen Banditen auf, und als diese sich einmal gegen ihn auflehnten, begann er, jeden vierten Mann niederzusäbeln und dann rechts und links wie ein Wahnsinniger einzuhauen, bis alle um Gnade flehten.

Dieser wilde Vetter hatte unsern Friedrich das Jahr vorher zum Universalerben eingesetzt und verkehrte mit ihm in ritterlicher Weise; er schickte ihm einmal, als er erfuhr, daß Friedrich im Scharmützel sein Pferd verloren, zwei Pferde zum Ersatz. Die Feinde des preußischen Offiziers setzten hier den Hebel ein, ihn aus der Gunst des Königs zu verdrängen; sie verfaßten falsche

Briefe, die ein sehr vertrauliches Verhältniß zwischen den beiden

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 480. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_480.jpg&oldid=- (Version vom 9.1.2023)