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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890)

Die biologische Station am Plöner See.

Zu Plön in Ost-Holstein wird im Laufe des künftigen Jahres ein wissenschaftliches Institut ins Leben treten, welches die Aufgabe hat, die Thier- und Pflanzenwelt des Süßwassers zum Gegenstande eingehender Studien zu machen. Wer davon unterrichtet ist, mit welch’ interessanten Lebensformen uns die letztjährigen Durchforschungen unserer heimathlichen Tümpel, Teiche und Seen bekannt gemacht haben, der wird mit Freuden die Nachricht von der Begründung einer Dauerstation zur näheren Untersuchung jener Organismen begrüßen. Die Umgebung der Stadt Plön ist in vorzüglicher Weise für diesen Zweck geeignet, insofern das Thal der Schwentine, in welchem sie liegt, fast lediglich aus einer Aneinanderreihung von Wasserbecken besteht, von denen die keinsten so groß sind wie unsere ansehnlichsten mitteldeutschen Seen. Hier ist ein großes Feld für faunistische und biologische Forschungen, d. h. für Studien, welche die Feststellung der verschiedenen Thierformen des Süßwassers und die Ermittelung ihrer Lebensgewohnheiten betreffen.

Im Hinblick auf den Reichthum an Lebewesen, welchen das Meer in seinem Schoße birgt, waren viele von der Ansicht beherrscht, daß es sich wohl gar nicht erst verlohne, Zeit und Kraft an die Gewässer des Binnenlandes zu vergeuden. So wurde die Süßwasserthierwelt allmählich zum Aschenbrödel der zoologischen Wissenschaft, und wer sich wirklich damit abgab, lief beinahe Gefahr, von seinen Fachgenossen als ein Forscher zweiter Klasse betrachtet zu werden. Glücklicherweise aber giebt es immer Leute, die den Muth haben, allgemeinen Vorurtheilen zu trotzen, und so hat auch die Süßwasserfauna in den verflossenen zwei Jahrzehnten ihre Freunde und Bearbeiter gefunden. Männer wie F. A. Forel, Asper und Imhof in der Schweiz, P. Pavesi in Italien, Fritsch und Hellich in Oesterreich, O. Nordquist in Finnland, Jules Nichard und Jules de Guerne in Frankreich (zahlreicher anderer nicht zu gedenken) haben mit bewundernswerther Unermüdlichkeit dem Studium der Süßwasserthierwelt obgelegen und Erfolge erzielt, deren wissenschaftliche Bedeutung von niemand mehr in Abrede gestellt werden kann. Wir sind durch diese Forschungen mit zahlreichen Arten von kleinen Krebsthieren (Entomostraceen) bekannt geworden, haben den Reichthum unserer Binnengewässer an schwimmenden und schlammbewohnenden Würmern, an Schnecken, Muscheln, Moosthieren und einzelligen Lebewesen (Protozoen und Protophyten) kennengelernt, sind in die bunte Gesellschaft der Wassermilben und Wasserinsekten eingedrungen, deren Gewimmel hauptsächlich die seichtere Uferzone belebt – kurz, wir haben einen umfassenden Ueberblick über die mannigfaltige Bewohnerschaft unserer heimathlichen Seebecken erlangt, die bisher nur Fische und „allerlei Gewürm“ (als Nahrung für erstere) zu enthalten schienen. Unsere vermehrte Kenntniß erstreckt sich aber nicht nur auf die einzelnen Gattungen und Arten der niederen und zum Theil mikroskopischen Wasserfauna, sondern auch auf die Weise, wie jede Species ihren besonderen Lebensverhältnissen angepaßt ist, wie sie sich ernährt und im Kampfe ums Dasein behauptet, was für Mittel ihr zur räumlichen Ausbreitung verliehen sind, und welcher Zusammenhang zwischen der Bevölkerung des Seegrundes und derjenigen der oberflächlichen Wasserschichten besteht. Aber mit Gewinnung dieser Einsicht sind wieder zahlreiche neue Fragen aufgetaucht, welche sich auf die Ursachen der Veränderlichkeit, die Wirkung der Isolirung, den muthmaßlichen Einfluß des „äußeren Mediums“ etc. beziehen, sodaß es niemals an Arbeit für zahlreiche Forscher auf diesem Gebiete fehlen kann.

Außer dem rein wissenschaftlichen knüpft sich aber auch ein praktisches und gemeinnütziges Interesse an derartige wasserbiologische

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Leipzig: Ernst Keil, 1890, Seite 720. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_720.jpg&oldid=- (Version vom 7.1.2019)