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verschiedene: Die Gartenlaube (1890)


Eine künstliche Volksmenge. (Mit Abbildung.) „Was ist das für ein sonderbares Bild?“ so hören wir den Leser fragen, der diese Seite der „Gartenlaube“ aufschlägt. Welch eine riesige Menge Menschen wie eigenthümlich ihre Aufstellung, wie merkwürdig glatt die Ebene, auf der sie stehen! Wie seltsam die Gleichartigkeit in den Bewegungen der Personen und welche Regelmäßigkeit in dem scheinbaren Wirrsal!

In der That ist der Anblick, den unsere Vignette bietet, geeignet, rathlose Verwunderung hervorzurufen, und wir können gestehen, daß auch wir zunächst dieses Schicksal theilten, als wir zuerst des Bildchens in dem „Neuen Universum“ ansichtig wurden. Nach der Natur dieses Werkes, welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, die interessantesten Erfindungen und Entdeckungen auf allen Gebieten, insbesondere den technischen, in einer für Haus und Familie faßbaren Form alljährlich mitzutheilen, lag allerdings der Verdacht nahe, daß es sich bei dieser „Volksmenge“ um irgend einen optischen Kunstgriff handeln werde. Und so war es auch. In Wirklichkeit besteht nämlich dieses Massenaufgebot von Menschen aus – drei Personen; alles übrige aber, die unendliche Vervielfältigung dieser Drei, besorgt der Spiegel. Es sind nämlich drei große Spiegelscheiben ohne Rahmen derart aneinander gestellt, daß ihre Grundlinien ein gleichseitiges Dreieck bilden. Angenommen nun, es tritt eine Person in das Innere dieses Prismas, so spiegelt sie sich zunächst in jedem der drei Gläser einmal ab; diese Spiegelbilder selbst aber werden wieder je einmal von jedem der beiden andern Spiegel wiedergegeben, und so geht es fort bis zu unendlichen Wiederholungen – die künstliche Volksmenge ist fertig. Sie verräth freilich ihre Künstlichkeit durch die Symmetrie ihrer Anordnung, es fehlt den einzelnen Mitgliedern dieses „Volks“ entschieden an Individualität, denn sie gleichen sich alle auf ein Haar; wenn sich aber statt einer Person drei, wie auf unserem Bilde, oder gar sechs in den prismatischen Raum begeben, der zu diesem Zwecke durch eine Luke im Fußboden oder von oben her zugänglich gemacht werden muß, so kann die Täuschung eine vollkommene werden. Das Ganze ist jedenfalls ein höchst interessantes optisches Experiment, eine Anwendung des unserer Jugend wohlbekannten Kaleidoskops im Großen.

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Eine künstliche Volksmenge.
Aus dem „Neuen Universum“.


Die letzte Zuflucht. (Zu dem Bilde S. 849.) Ein Theaterbrand! – Seit dem entsetzlichen Unglück vom 8. Dezember 1881, da das Wiener Ringtheater in Flammen aufging, zittert die Welt noch bei dem Worte „Theaterbrand!“ Und es giebt in der That nichts Schrecklicheres. Ein leiser, verdächtiger, brandiger Geruch – ein Schreckensruf: „Feuer!“ – und in wenigen Minuten, Sekunden ein flammen- und qualmerfülltes Haus, eine Stätte namenlosen Wirrsals und lähmender Todesangst! Und es ist nicht bloß die äußere Lebensgefahr an sich, die das Entsetzen weckt, auch wenn man sich nur in Gedanken eine solche Katastrophe ausmalt. Es ist noch mehr fast der schneidende Gegensatz zwischen zwei Augenblicken, die so nahe beieinander liegen wie der ein- und ausgehende Athem. Eben noch fröhliche Lust, heiterer Flitter, Glanz und Freude – jetzt markerschütterndes Nothgeschrei, zertretene Menschenleiber, Tod und Grab – eben noch sorgloses Genießen – jetzt der Kampf um die Selbsterhaltung in seiner grassesten Gestalt! Das ist es, was auf das menschliche Empfinden so tief erschütternd wirkt, was aber auch einem Theaterbrand eine Art von fürchterlicher Romantik verleiht.

Auch unser Bild stellt einen Akt aus einem solchen grauenvollen Drama dar. Drei Mädchen, Darstellerinnen von koketten Operettenrollen, haben sich durch eine schmale Fensterluke auf den obersten Dachsims des brennenden Theaters gerettet. Sie waren eben in der Garderobe mit dem Umkleiden beschäftigt, als das verheerende Feuer losbrach, und mit dem Instinkt der Todesangst haben sie, nur nothdürftig bekleidet, diese letzte Zuflucht gefunden. Da schweben sie zwischen Himmel und Erde, von dem rasenden Elemente umdroht, das unter ihnen zu dem hohen Bogenfenster herauszüngelt und bereits den Holzrahmen des Fensters ergriffen hat, das ihnen eben noch den Weg ins Freie gebahnt und sie vor dem Tode des Erstickens behütet hat. Schon ist eine von ihnen ohnmächtig zurückgesunken, aber die gellenden Nothrufe der andern sind nicht ungehört verhallt. Von zwei Seiten, von unten her auf der Leider und um die Ecke des Daches, nahen die braven Feuerwehrleute – die Retter. Und das mildert den schreckensvollen Anblick der Scene, wir wissen, daß nur noch wenige Sekunden vergehen werden und die verzweifelnden Geschöpfe fühlen sich von starkem Arm ergriffen und sicheren Tritts Sprosse für Sprosse hinabgetragen auf die rettende Erde.

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Kriegsbeute. (Zu dem Bilde S. 856 u. 857.) Hussein Ben Ali, der Beherrscher von Abnam – liebte. Hunderte von Sklavinnen standen seinen Launen zur Verfügung, er aber begehrte Selima, die schöne Braut des Bei Sidi Mohammed drüben am Gebirge. Seine Späher brachten Kundschaft, daß der tapfere Bei mit der Blüthe seiner Krieger auf Raub ausgezogen sei; da sendet Hussein Ben Ali seine Macht gegen den Nachbar und in leichtem Kampfe werden die Zurückgebliebenen überrumpelt, die Stadt verbrannt. Triumphirend kehren die Sieger zurück und treten mit den erbeuteten Fahnen und der gefangenen Fürstenbraut vor ihren Gebieter.

Mit der würdevollen Ruhe des Orientalen empfängt sie Hussein Ben Ali inmitten seines Rathes; wer erkennt auf dem Marmorgesichte den Sturm der Leidenschaften, der seine Brust durchtobt! In edlem Stolze steht die Begehrte vor ihm, die Fürstenbraut – als Sklavin.

Aber noch während der Anführer der glücklichen Kriegerschar seiner Belohnung harrt, der schwarze Hofmusikus und Märchenerzähler rechts im Vordergrunde überschwängliche Worte zum Preise der neuen Lieblingssklavin zusammendichtet, sind auf windschnellen Rossen, getrieben von wildem Schmerz und blutigem Rachedurst, Sidi Mohammed und seine kampfgewohnten Scharen schon über die Grenze von Husseins Reich hereingebrochen. Noch wenige Stunden, und Mohammed, der Niebesiegte, eilt durch den brennenden Palast seines Todfeindes, die Geliebte zu retten.

A.


Neue Porzellanmalvorlagen. Wir haben auf S. 324 d. Jahrg. Gelegenheit genommen, unseren Leserinnen zwei Vorlagenhefte für Porzellanmalerei von Göppinger (München, Fr. Bassermannsche Verlagshandlung) zu empfehlen. Heute nun, wo das ganze Werk in 4 Lieferungen vorliegt, kommen wir gern auf dies höchst zeitgemäße Unternehmen zurück. Was bisher der Privatfleiß mühsam in Gewerbemuseen und Sammlungen aufsuchen mußte, die echten Muster der alten Porzellanmalerei, das wird hier als systematisches Ganzes geboten. Da sind die Blumenstücke von Sèvres, Meißen und Frankenthal, für Schüsseln und Platten berechnet, die zierlichen Streublümchen in bunt und einfarbig, ein wahrer Reichthum der verschiedensten Bouquets und Ranken. Neu hinzu kommen jetzt in den soeben ausgegebenen Heften: kleine Vögelgruppen, Blumen und Insekten in Goldcartouchen, dann allerliebste kleine Landschäftchen für Dosendeckel und figürliche Darstellungen nach alten Meißner Tassen und Platten. Eine ausführliche Anweisung für den Gebrauch der Porzellanfarben und die Farbenmischung für das Brennen macht es auch der ungeübteren Hand möglich, sich einzuarbeiten und bald erfreuliche Erfolge zu erlangen.

Die Ausstattuug des eleganten Mäppchens macht es zu einem sehr reizenden Weihnachtsgeschenk. Außerdem aber hat die Verlagshandlung die dankenswerthe Einrichtung getroffen, daß alle Blätter zu billigem Preise einzeln zu kaufen sind.



Kleiner Briefkasten.

„Weihnachtsgeschenk.“ „Er gehört zu den Barbaren, welche wild werden, wenn ihnen eine Dame ein Kunstwerk weiblicher Handarbeit, eine Stickerei oder dergl. schenkt. Sagen Sie mir doch, was schenkt man einem solchen Herrn? Ich möchte ihn erfreuen und ihm ein wirkliches Andenken geben, das nicht den gewöhnlichen Werth einer gekauften Ware hat.“ Theure Fragestellerin, wir kennen weder Sie noch „Ihn“, und darum ist es uns schwer möglich, zu rathen, was Sie machen sollen, um Ihn zu erfreuen. Wenn er aber kein Freund von Nadelstichen ist, so versuchen Sie es mit einer anderen Kunst. Es giebt ja so viel andere schöne Sachen, die eine Damenhand ausführen kann. Man kann ja auf Porzellan, Glas, Thon und Holz malen, in Leder punzen, in Holz oder Leder brennen, Metalle, Steine und Elfenbein ätzen, aus gepreßten Blumen Lampenschirme oder „Pflanzenfenster“ machen, aus Eisendraht und verzierten Nägeln kleine Kunstwerke herstellen und aus Gummi unverwelkliche Blumen kneten! Kurz gesagt, versuchen Sie es einmal mit einer der Liebhaberkünste. Welche Ihren Fähigkeiten am meisten entspricht, darüber müssen Sie selbst entscheiden, und in der Wahl kann Ihnen ein Buch helfen, in dem nicht weniger als 31 dieser Künste beschrieben sind. Wenn man darin blättert und die schönen Vorlagen für allerlei Teller, Tassen, Vasen, Aschenbecher, Serviettenringe, Mappen, Bücherdeckel, Zeitungshalter, Kassetten, Licht- und Ofenschirme, Tischplatten und vieles andere bis zum Fliegenwedel ansieht, dann gelangt man unwillkürlich zu der Ueberzeugung, daß in demselben ein wahres Dorado für geschenklustige Damen enthalten ist. Das Werk ist von Franz Sales Meyer, Professor an der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe, herausgegeben und führt den Titel „Handbuch der Liebhaberkünste zum Gebrauche für alle, die einen Vortheil davon zu haben glauben“ (Leipzig, Verlag von E. A. Seemann).

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1890). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1890, Seite 867. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1890)_867.jpg&oldid=- (Version vom 26.12.2022)