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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

und zwar aus formellen Gründen, verworfen, da es mehr psychologische Momente als neue Thatsachen enthielt. „So muß ich“, schließt der von dem Bewußtsein der Unschuld seines Klienten vollständig durchdrungene Vertheidiger, „die Hoffnung aufgeben, dem Verlornen zu helfen. Jeder weitere Tag verwischt mehr die Spuren des Thatbestands und kein Lichtstrahl durchbricht wohl noch die tiefe Nacht.“ Ob das in jüngster Zeit bei dem Kaiser selbst eingereichte Immediatgesuch eines Stiefbruders von Ziethen eine Aenderung dieser Sachlage herbeiführen wird, bleibt abzuwarten.

Unsre Leser werden wohl zugeben, daß hier die Beweise für Schuld und Unschuld sich mindestens die Wage halten. Wäre es formell möglich, noch einen zweiten Spruch in der Sache herbeizuführen, wer weiß, ob er dann der gleiche wäre wie der, den die Geschwornen in Uebereinstimmung mit der öffentlichen Meinung am 2. Februar 1884 gefällt haben! Fr. Helbig.     




Emin Pascha und Casati.


Noch hat sich die Aufregung nicht gelegt, welche Stanleys Buch über seine Expedition von der Westküste Afrikas nach dem Albertsee zur Rettung Emin Paschas in allen Ländern Europas und Amerikas geweckt hat, noch sind der Aerger und die Enttäuschung nicht verwunden, welche die Rivalen Deutschlands im Wettbewerb um die Kolonisirung Ostafrikas durch Emin Pascha erfuhren, als er nach seiner Genesung in Sansibar, statt in die Dienste der Engländer oder des Kongostaates zu treten, seine Kräfte dem Deutschen Reiche zur Verfügung stellte: und schon hat der kühne Mann wieder die Fluthen des Victoria-Nyanza befahren, hat er an dessen Ufern der Wissenschaft und dem Welthandel, aber auch der Kolonialmacht Deutschlands neue Stationen und Bollwerke errichtet. Während er aber auf solche Weise die gegen ihn von Stanley erhobene Beschuldigung, ein Mann ohne Unternehmungsgeist und entschlossener Thatkraft zu sein, sofort nach Herstellung seiner schwer gefährdeten Gesundheit aufs glänzendste durch Entschlüsse und Thaten widerlegt hat, die überzeugender wirken, als es auch die gründlichste Vertheidigung in geschriebener Rede vermöchte, hat der Italiener Casati nach der Rückkehr in seine lombardische Heimath Muße gefunden, der Welt in einem Buche ausführlich zu erzählen, was er im Laufe seines zehnjährigen Aufenthalts in Aequatoria mit Emin zusammen oder doch wenigstens im Bezirk von dessen Wirksamkeit Großes und Grausiges, Schönes und Schreckliches erlebt hat.

Gaëtano Casati.
Nach einer Photographie von Calzolari in Mailand.

„Zehn Jahre in Aequatoria und die Rückkehr mit Emin Pascha“ (Bamberg, C. C. Buchner) ist der Titel des Buchs, das gleichzeitig mit dem italienischen Original in alle europäischen Hauptsprachen übersetzt und mit reichem Bilderschmuck versehen soeben erscheint. Das außerordentliche Interesse, das man dem Werke des Capitano Gaëtano Casati entgegenbringt, entspricht der Bedeutung, welche gegenwärtig Ostafrika und seine fruchtbaren Hinterländer nicht nur auf dem Gebiete der geographischen Forschung, sondern auch im Bereiche der internationalen hohen Politik genießen. In Deutschland ward dieses Interesse noch erhöht durch die allgemeine persönliche Theilnahme für Emin Pascha und die Hoffnung, der italienische Reisegefährte Emins auf der beschwerdereichen Wanderung unter Stanley von Kawalli nach der Ostküste werde die „Ehrenrettung“ des Paschas übernehmen gegenüber den unverdienten Herabsetzungen, mit welchen Stanley das widerstrebende Opfer seines Rettungseifers in dem Buche vom „dunkelsten Afrika“ bedacht hat.

Diese Erwartung wird durch Casatis Werk jedoch nur zur kleineren Hälfte befriedigt. Wohl weiß er außerordentlich viel von den Begebenheiten und Ereignissen zu erzählen, welche in den verschiedenen Theilen der Provinz unter den eingeborenen Stämmen sich vollzogen, während Emin unter dem Drucke des Vordringens der Mahdisten seine militärische Macht erst in Ladò und dann weiter südlich in Wadelai konzentrirte. Obgleich lange Zeit ohne andere Beziehung zu Emin Pascha als die eines Schutzbefohlenen, wie sie dem Verhältniß eines unabhängigen Forschungsreisenden aus Europa zu dem europäischen Statthalter in dem Gebiet seines Forschens naturgemäß entspricht, hatte er schon frühe wiederholte Gelegenheit, Kenntniß von manchen politischen Maßnahmen des gelehrten Gouverneurs zu erhalten. Nach Stanleys Ankunft und namentlich auf der Rückreise wurde das Verhältniß intimer. Casatis Mittheilungen über Stanleys Handlungen und Unterlassungen bestätigen durchaus, daß Stanleys Expedition zum Entsatz Emins in so hilfsbedürftigem Zustand am Albertsee ankam, daß die vor allem nöthige Hilfe, statt von Stanley geleistet zu werden, von diesem beansprucht werden mußte.

Sie bestätigen weiter, daß Stanley, nachdem er die ihm anvertraute Hilfstruppe erst getheilt, dann die Vorhut in unbegreiflicher Verblendung durch völlig fremde Urwaldwildniß gezwängt und dabei im Kampf mit ihren Gefahren mehr als die Hälfte der Männer geopfert hatte, sich besser von Emin hätte an die Küste zurückführen lassen, statt diesem auf der Reise jedes Führerrecht zu bestreiten. Sie bestätigen schließlich, daß Emins Lage erst durch Stanley, sein langes Ausbleiben, das Zurücklassen der halben Mannschaft und der für Emin bestimmten Vorräthe in Jambuja, seine wiederholte Abreise und langsame Wiederkehr eine so gefährliche und verzweifelte wurde, wie sie schließlich war, als Stanley endlich bereit stand, mit Emin und seinen Truppen den Marsch an die Ostküste anzutreten. Casati zeigt, daß Emin gerade im Begriffe war, im Süden seiner Provinz an Macht zu gewinnen, was er im Norden infolge des siegreichen Vordringens der Mahdisten eingebüßt hatte, daß er mit dem mächtigsten Negerkönig im Seengebiet in Beziehungen stand, die ihm den schon von

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 141. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_141.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2023)