Seite:Die Gartenlaube (1891) 234.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)


Truggeister.

Roman von Anton von Perfall.
(13. Fortsetzung.)


Georg ging achtlos an dem Kinde vorbei, das Lili ihm entgegenhielt, warf einen Pack Handwerkszeug auf einen Arbeitstisch und ließ sich in sichtlicher Erregung auf einen Ambos nieder.

Therese kam heraus mit Bertha. Georg grüßte kurz, mürrisch.

„Was führt denn Dich her, Bertl? Du bist ja ein seltener Gast geworden in diesem Hause,“ fragte der alte Margold.

Bertha zögerte.

„Nur heraus! Habe keine Geheimnisse vor meinen Freunden!“

„Nun, warum soll ich denn hinter dem Berge halten,“ erwiderte Bertha, „Therese sprach ja eben davon –“

Die Mutter trat ein, begrüßte Bertha mit einem fast ehrfurchtsvollen Knix und strich bewundernd an ihrem reichen Gewande herum. Bertha aber fuhr fort: „Du äußerst zu offen Deine Ansichten über Stefanelly und seine Unternehmungen, Vater. Das ist aber sehr peinlich für Herrn von Brennberg und auch für mich, die ihm so nahe steht. Stefanelly hat sich auch schon darüber beklagt.“

Die Mutter stieß einen Ruf der Entrüstung aus und auch Georg fuhr auf: „Ja, das ist nicht recht, Herr Margold, gar nicht recht! Ich wollt’, ich hätte mehr, was ich zu Stefanelly hintragen könnte. Ich habe es Ihnen soeben gesagt: Sie begehen ein Verbrechen, daß Sie meinen Vater abhalten, mit seinem bißchen Vermögen den Vortheil der Zeit zu genießen, ein Verbrechen an uns, an dem kleinen Kerl da“ – er deutete unwirrsch auf den Kleinen in Lilis Armen – „der auch einmal über die Werkstatt hinauskommen möchte wie anderer Leute Kinder!“

Margold ließ den erregten Mann ruhig aussprechen, nur hie und da schüttelte er abwehrend das Haupt.

„Ich komme ja eben her aus dem Bankhaus,“ fuhr Georg fort, „aus dem Geldkeller, ich mußte eine Kasse repariren. Gold und Silber, ganze Säcke und Rollen, liegen da beieinander, sage ich Ihnen, eine Million wenigstens. – Der Herr Papa war auch da,“ wandte er sich an Bertha; „allein kann der Stefanelly gar nicht zu dem Gelde, der Herr Baron muß immer dabei sein, wenn die Kasse geöffnet wird. Jeder hat seinen eigenen Schlüssel, also, wenn der Stefanelly auch wollte, könnte er nichts machen. Ich sage Euch, da freut einen die Arbeit nimmer, wenn man das so mit ansieht, eine ordentliche Wuth packt einen, da hineingreifen zu können und mit einem Griff all der Plackerei ein Ende zu machen – eine wahre Wuth!“

Georg blickte mit glänzenden Augen starr auf den Boden, als suchte er dort den blinkenden, verführerischen Schatz.

Bertha erzitterte in ihrem Innern bei dieser Erzählung, bei diesen Beweisen eines felsenfesten Vertrauens auf ihren Schwiegervater, welches dieser gestern so schmachvoll mißbraucht hatte, beim Anblick dieses heißen Verlangens nach den goldenen Schätzen, dieser gierigen Blicke, in denen es aufleuchtete wie ein verbrecherischer Gedanke. „Was macht doch dieses häßliche, dämonische Geld aus uns!“ dachte sie.

Der Vater Margold aber hielt sich jetzt nicht mehr zurück.

Ein Narr bist Du, ein verblendeter Narr, trotz all des Silbers und Goldes, was Du gesehen hast, Georg, wie ich einer war, bis mir die Augen aufgegangen sind, bis ich wieder zurückgekehrt bin zu meinem alten guten Glauben. Es giebt keine Ernte ohne Saat, es giebt keinen Lohn ohne Arbeit, es kann keinen geben, es kann nur eine Täuschung sein, ein geschickter Betrug, der über kurz oder lang in sich zusammenbrechen muß. Ich habe meine zwei offenen klaren Augen noch immer und ich habe damit Umschau gehalten. Neue Häuser stehen leer, die Miethen gehen herunter, und trotzdem kauft der Stefanelly weiter um riesige Preise. Ist das möglich? Ist das nicht ein Unsinn? Und dann der wahnsinnige sündhafte Aufwand in seinem Haus. Wovon wird der bestritten? Aus dem Erlös der Arbeit etwa? Keine Idee! Aus dem mühelosen Agiogewinn wird er bezahlt, dem zuliebe Aktien auf Akten ausgegeben werden, nach deren wahrem Werth in dem allgemeinen Taumel gar nicht gefragt wird. Hat irgend eine Baugesellschaft, weiß Gott wo, um einen fabelhaften Preis Grund erworben und sieht, daß es schief geht, patsch, wird eine neue von Stefanelly gegründet und den Aktionären der Grund um das Doppelte, um den dreifachen Preis aufgehalst, der Gewinn bleibt in stillen Händen, bis einmal die große Abrechnung kommt und der ganze Schwindel zusammenbricht!"

Margold keuchte vor Erregung.

„Und Ihr Herr von Brennberg, den Sie so hoch verehren als Ihren früheren Herrn, von dem Sie nicht schön genug reden können, steht nicht sein Name unter all dem ‚Schwindel‘ wie Sie es nennen?“ fragte Georg.

„Das ist ja der Jammer, daß er drunter steht, der ehrliche alte Name, aber er ist eben der Betrogenste von allen Betrogenen, der arme Herr. Er denkt gewiß an nichts Schlimmes dabei, sein Leben thäte er lassen, ehe er sich zu einem Unrecht hergäbe, darauf lege ich meine Hand ins Feuer. Sein blindes Vertrauen reißt ihn ins Verderben wie Dich, Georg, Deine plötzlich erwachte Habsucht, welche Dir die ehrliche Arbeit verleidet, welche Dir Gedanken eingiebt, vor denen Du Dich früher entsetzt hättest. Und da soll man nicht dagegen ankämpfen und soll seine besten Freunde blindlings ins Verderben rennen lassen? Ja, wenn es nur was nützen würde, dieses Ankämpfen! Wenn es nur die Wirkung hätte, die der Stefanelly vorgiebt, das wäre ja ein Segen! Vor allem für den Herrn von Brennberg, dem vielleicht dann noch zu rechter Zeit die Augen aufgingen, ehe jede Rettung unmöglich ist. Aber wer hört denn auf den alten Margold? Weiß Gott, was da dahinter steckt, daß dieser schlaue Fuchs mir eine solche Bedeutung zuschreibt! Das fällt mir jetzt erst auf! – Der Stefanelly bekümmert sich um das Gerede eines Mannes, wie ich bin! Sonderbar! Sehr sonderbar! – Also deshalb bist Du hier, Bertha? Beruhige Dich, das ist alles Geflunker, ich kann ihm nicht schaden, dem Stefanelly, mit meinem Gerede.“

„Und doch behauptet er, daß es so ist,“ entgegnete, erschüttert von den Worten des Vaters, Bertha; „gerade die kleinen Leute werden plötzlich unruhig und fordern in Masse ihre Einlagen zurück. Das könne nur durch einen aus ihrer eigenen Mitte veranlaßt sein.“

„Das habe ich selbst gesehen,“ bemerkte Georg; „die Bank war heute vormittag gedrängt voll Menschen, aber alle gingen mit ihrem prompt ausbezahlten Gelde heim und schimpften über die leeren Gerüchte, die sie veranlaßt hatten, es zu holen. Der Stefanelly wird sich hüten, es ihnen zum zmeiten Male abzunehmen. Noch tausend solche Narren mögen kommen, und der Keller wird noch lang nicht leer.“

„Der Keller hat Dich ja ganz toll gemacht, Georg, mit seinem Goldgeflimmer,“ sagte Margold. „Steh auf, nimm Deinen Hammer und arbeite Dich tüchtig aus, das hilft am besten gegen solchen geheimen Durst.“

Und er verließ mit Bertha die Werkstatt.

Lili hatte von dem allem nichts gehört; sie saß in der Ecke und herzte ihren Maxi.

„Sprich wenigstens jetzt, die nächste Zelt nicht solche Dinge über Stefanelly,“ bat Bertha, als sie mit dem Vater allein war. „Brennberg verliert jetzt mehr als sein ganzes Vermögen, wenn die Katastrophe hereinbricht, die Du befürchtest, er verliert seine Ehre!“

Margold erschrak.

„Seine Ehre? Du meinst, man wird ihm Vorwürfe machen? Das wird man, freilich, das bleibt nicht aus; aber jeder wird auch sehen, daß er selbst im guten Glauben gehandelt hat und selbst das Opfer dieses Stefanelly war. So traurig es ist, darin liegt für mich noch ein Trost, wenn es wirklich so weit kommt.“

„In vier Wochen wird es so sein, wie Du sagst,“ entgegnete Bertha, „aber jetzt nicht – jetzt – ich beschwöre Dich, Vater, habe Mitleid mit ihm, Du liebst ihn ja – jetzt – ist er ein Verbrecher!“ stieß Bertha mühsam hervor.

Margold knickte zusammen bei diesen Worten. Jetzt wußte

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 234. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_234.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)