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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)


Da that sich die Thür auf und Lea trat herein, hinter ihr Ludwig mit einer brennenden Lampe.

Lea strahlte in Schönheit, ihre Augen leuchteten, ihr Mund lächelte ein wenig, sie trug ihr Haupt besonders stolz. Für ihr rothes Kleid hatte sie im Vorbeigehen einen Strauß weißer Blumen gepflückt und ihn etwas über Gürtelhöhe an der Taille vorn befestigt. Sie sah aus wie eine Siegerin. Rahel wußte sich das nicht zu deuten.

„Wir wollen doch ein wenig festlich beleuchten,“ sagte Rahel und wies Ludwig an, noch mehr Lampen anzuzünden, während sie die Vorhänge dicht schloß.

Bald war der ganze Raum von einem rosigen Licht durchzogen. Das Geburtstagskind konnte kommen. Und es kam.

Stürmisch that sich die Thür auf. Römpker erschien auf der Schwelle und umfaßte mit einem Blick das Gemach. Wie behaglich! Vier große Lampen unter riesigen viereckigen Dächern von Spitzen und Seide – auf dem reizend gedeckten Tisch, zwischen andern angenehmen Sachen, richtig die grellrothen Krebse im grünen Kranz – und da seine drei Lieben, offenbar beglückt durch sein Erscheinen.

Herr von Römpker fühlte sein Herz weit und groß werden. Wie hübsch von ihm, daß er heimgekommen war! Rührung stieg in ihm auf über sein vortreffliches Benehmen.

Er umarmte alle drei nach der Reihe. Er plauderte so liebenswürdig, so voll heiterer und leichter Abwechselung der Gegenstände, als wäre er in Gesellschaft und gäbe sich Mühe, seinen Nuf als „reizender Mensch“ zu wahren. Dabei schmeckte es ihm vortrefflich, und die Seinigen deuteten naturlich mit keinem Wort auf alle schwebenden Fragen hin.

Als man abgegessen hatte, war er wieder völlig auf der Höhe seiner Daseinsfreudigkeit. „Das Leben ist doch ein Vergnügen,“ dachte er, als er behaglich dasaß und Leas schönem Gesang zuhörte, „wenn mir der liebe Gott nur meinen guten Magen erhält.“

Frau von Römpker arbeitete wieder an ihren Seidenflicken und Rahel hörte mit Entzücken, wie ihre Schwester, die herrliche Mezzosopranstimme groß erhebend, Schuberts „Sei mir gegrüßt“ sang.

Als Lea das Lied beendet hatte, saß sie noch ein Weilchen still. Dann griff sie wieder leise in die Tasten und wiederholte für sich eine Phrase aus dem Liede:

„Mit meiner Seele glühendstem Ergusse,
Sei mir geküßt, sei mir gegrüßt.“

Rahel war wenig musikalisch begabt, aber als die Schwester diese Töne wieder und wieder spielte, prägten sie sich ihr doch unverlierbar ein.

„Und sie liebt ihn ja doch gewaltig genug, um für ihn zu kämpfen,“ sagte sie sich.

(Fortsetzung folgt.)




Erinnerungen an Schliemann.

Von Rudolf Virchow.
III.

Es war im Beginn des Jahres 1879, als ich mich entschloß, den dringenden Einladungen Schliemanns zu einem Besuche der Troas nachzugeben. Er lockte mich vorzugsweise mit der Aussicht auf eine umfassende Untersuchung der Heroengräber, die er auszuführen gedachte und zu der er meine Mitwirkung verlangte. Im Jahre 1877, als er seine denkwürdigen Ausgrabungen in Mykenä veranstaltete, hatte ich einer ähnlichen Einladung nicht nachkommen können, und er warf mir seitdem vor, daß nur meine Abwesenheit den beklagenswerthen Umstand verschuldet habe, daß auch nicht ein einziger der „Atriden“-Schädel unversehrt und in einer für wissenschaftliche Bestimmungen brauchbaren Gestalt erhalten worden war. Diese Anklage lastete in der That schwer auf mir. Wie hätte ich nun widerstehen können, wo die seit dem Alterthum berühmten Grabhügel des Achilleus und des Patroklos und so mancher anderen Helden geöffnet werden sollten!

Aber es war noch ein anderer sehr wichtiger Grund vorhanden. Gerade damals hatte sich die Opposition gegen Schliemann unter den älteren und fast noch mehr unter den jüngeren Fachgelehrten, namentlich unter den Archäologen und Philologen, zu einer Art von Hochfluth gesteigert. Man sprach in Deutschland mit einer wachsenden Geringschätzung von dem „Autodidakten“, der sich anmaßte, eine Frage entscheiden zu wollen, an welcher die Schulweisheit von Jahrtausenden sich ohne Erfolg abgemüht hatte. Die ganze Unternehmung erschien so hoffnungslos, daß bedeutende Philologen die Existenz sowohl Homers, als Trojas in Zweifel zogen und daß sie es für Aberwitz erklärten, nach Ueberresten von Troja zu suchen.

Nahezu von allen Seiten preisgegeben, appellirte Schliemann an meine Hilfe. „Ich habe nie daran gezweifelt,“ schrieb er, „daß Sie mich verstanden und würdigten; auch gab mir Ihr Diplom, wofür ich Ihnen ewig dankbar bin, einen eklatanten Beweis davon.“ Er meinte hier das Diplom als Ehrenmitglied, welches ihm die Deutsche anthropologische Gesellschaft 1877 ertheilt hatte. Aber dieses Diplom hatte auf die öffentliche Meinung in Deutschland keinen entscheidenden Einfluß ausgeübt. Sollte ich nicht den Versuch machen, durch genauere Kenntnißnahme an Ort und Stelle ein eigenes Urtheil zu gewinnen, um nachher in der Heimath ein unparteiisches Zeugniß abzulegen? Wenn ich auch mein Zeugniß nicht so hoch veranschlagen konnte, wie es Schliemann in seiner enthusiastischen Weise that, indem er schrieb: „Ihre Anwesenheit in Troja ist eine Nothwendigkeit für die Wissenschaft und für mich von allerhöchstem Interesse“, so durfte ich doch ermarten, daß meine Berichte eine gerechtere Beurtheilung des wackeren Mannes herbeiführen würden. Und vor allem durfte ich als sicher annehmen, daß meine persönliche Theilnahme an seinen Arbeiten seine Meinung von der parteiischen Stellungnahme der deutschen Gelehrten einigermaßen mildern werde.

Das war im Februar. Ich verweilte dann bei ihm in der Troas bis gegen Ende April. Im Herbst desselben Jahres sagte ich ihm zu, mit ihm in London zusammenzutreffen, wo er mir seine trojanische Sammlung, die im South Kensington Museum aufgestellt war, selbst zeigen und erläutern wollte. Ich kann es mir nicht versagen, aus einem seiner Briefe, den ich kurz vor dieser Reise erhielt, eine Stelle wiederzugeben. Es heißt darin (Boulogne sur Mer, 9. September 1879): „Sie haben mich wieder mit Deutschland ausgesöhnt, infolgedessen letzteres in meinem Testament, welches ich heute umschrieb, ansehnlich bedacht ist. Außer Virchow wäre niemand dazu imstande gewesen.“

Und doch hatte ich nichts gethan, als was jeder andere Kritiker auch hätte thun können und thun müssen. Niemals hatte ich ihm eine Rede gehalten über seine Pflicht, des Vaterlandes zu gedenken, und niemals hatte ich ihn aufgefordert, seine trojanische Sammlung aus England fortzunehmen und nach Deutschland zu bringen. Nur wenn ihm selber solche Gedanken kamen und er sie mir gegenüber, meist nur in der Form einer Ueberlegung, äußerte, fand er begreiflicherweise bei mir freudigen Widerhall. Und ich durfte dem um so offener Ausdruck geben, als es mir nicht unbekannt war, daß Frau Schliemann seit langer Zeit in diesem Sinne auf ihren Mann eingewirkt hatte.

Unser Aufenthalt in der Troas war von vornherein so eingerichtet, daß jedem Theilnehmer in der kleinen Gesellschaft die größte Freiheit für seine Studien gelassen war. Außer mir und dem türkischen Bevollmächtigten war nur noch Mr. E. Burnouf, der frühere Direktor der französischen archäologischen Schule in Athen, daselbst anwesend. Wir beide waren an demselben Tage, obwohl von ganz verschiedenen Seiten kommend, in den Dardanellen gelandet. Schliemann hatte uns mit den Worten empfangen: „Nun richten Sie sich ganz nach Belieben ein; bei mir ist Republik.“ Das war sein voller Ernst, und so konnte denn jeder seine besondere Aufgabe verfolgen. Mr. Burnouf trieb seine astronomischen und geodätischen Studien. zeichnete Situationspläne und ermittelte die Anordnung der alten Bauten. Ich machte meine naturwissenschaftlichen Untersuchungen über die Geologie der Troas und speciell über die Entstehung der „troischen Ebene“ über die Flußläufe und Quellen, über Menschen, Thiere und Pflanzen. Nur bei den Ausgrabungen und bei dem Nachtmahl trafen wir sämmtlich

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_299.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2023)