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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Reihe von Erstaufführungen klassischer Meisterdramen, des „Wallenstein“, des „Tell“, des „Tasso“ und vieler anderer, bei denen die Dichter selber als Regisseure und Direktoren gewaltet hatten. Vor dem Neubau ist am 3. September 1857, an einem der großen Erinnerungsfeste Neu-Weimars, ein Denkmal erstanden, das Goethe und Schiller nebeneinander zeigt, einen Ruhmeskranz in den Händen. Und der Geist ihres gemeinsamen Wirkens ist denn auch bis in unsere Tage der segnende Schutzgeist des weimarischen Hoftheaters geblieben, so wechselvoll seine Schicksale, so verschiedenwerthig die Nachfolger Goethes in der Oberleitung auch gewesen sind.

Was auch die Hoftheaterintendanten von Weimar, Hofmarschall von Spiegel (1828–1847), von Ziegesar, von Beaulieu-Marconnay, und die besonders erfolgreichen Generalintendanten Franz von Dingelstedt (1857–1867) und August von Loën (bis 1887) versucht und ausgeführt haben, um den alten Ruhm dieser Bühne durch neue Thaten aufzufrischen, das Beste, was sie boten, war immer auch eine Neubelebung des Goetheschen Theatergeistes, ob nun ein kühnes Eintreten für neue Talente, ob eine mustergültige Pflege des klassischen Erbes dabei als Zweck wirkte. Und nur in diesem Sinne kann auch der neue Generalintendant Freiherr von Bronsart den alten Ruhm der ihm unterstellten Bühne wahren. Für die vielfältigen Bemühungen des Großherzogs Karl Alexander, dem Beispiel Karl Augusts als Förderer der Künste in zeitgemäßer Weise nachzueifern, blieb das Theater immer ein Mittelpunkt. Ob unter seinem Schutze nun der „jungdeutsche“ Aufschwung des deutschen Bühnenlebens oder die „neudeutsche“ Oper Richard Wagners in Weimars Hoftheater bevorzugte Förderung fand, ob Shakespeare-Cyklen oder Musteraufführungen klassischer Opern veranstaltet wurden, immer hing die neue Gegenwart die eigenen Ruhmeskränze an den Sarkophagen des klassischen Weimars auf.

Als in Franz Liszts Hand der Kapellmeisterstock zum Feldherrnstab wurde, der die Wagnersche Muse zum Siege leitete, knüpfte er klug die neue Aera an den alten Ruhm dieser Kunststätte; die erste Aufführung des „Lohengrin“ im Jahre 18..0 beraumte er auf den Tag von Goethes Geburtstag an und ein Prolog von Dingelstedt schlug die Brücke über beide Welten. So war es unter Loën in der großen Wagner-Woche von 1870 und bei der Aufführung des „ganzen Faust“ in der Bearbeitung des weimarischen Regisseurs Otto Devrient mit Musik von Ed. Lassen, dem verdienstvollen Hofkapellmeister der Bühne seit Liszts Abgange.

Die Festspiele, welche neuere Dichter eigens für die weimarische Bühne geschaffen haben, Dingelstedts „Erntekranz“, Gutzkows „Shakespearefeier an der Ilm“, Scheffels „Linde von Ettersburg“ etc., sie brachten immer aufs neue zum Ausdruck, daß alles neuere deutsche Kunststreben auf der Bühne, vor allem aber auf der des weimarischen Hoftheaters das Wirken und Schaffen unserer großen klassischen Dichter zur Voraussetzung hat.




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Eine unbedeutende Frau.

Roman von W. Heimburg.

(18. Fortsetzung.)


Es war gegen vier Uhr morgens, als Antje geweckt wurde durch ein heftiges Läuten an der Hausthür. Der Schlaf hatte die müde geweinten Augen doch endlich geschlossen; nun fuhr sie empor aus einem schweren Traum, der sie an ein Wasser geführt hatte, in dem Leo vergeblich kämpfte, das Ufer zu gewinnen; sie stand dabei mit gebundenen Händen und gefesselten Füßen, unfähig, zu helfen. Er selbst hatte sie so gebunden, er wollte sich nicht retten lassen von ihr.

Sie saß mit Herzklopfen hoch – hatte sie sich getäuscht? Hatte es wirklich geläutet?

Da schrillte die Glocke zum zweiten Male, ängstlich, hastig, als sei ein Unglück geschehen. Im Nu war sie in den Kleidern. Vielleicht Feuer?

Auf dem Gange liefen schlurrende Schritte vorüber, die Treppe hinunter – der Hausknecht eilte, zu öffnen.

Antje band sich mit zitternden Händen die Schleife an dem Gürtel ihrer Blouse; da pochte es auch schon. Sie riegelte die Thür auf und der Knecht stand vor ihr mit blassem scheuen Gesicht.

„Madame Jussnitz, ach Gott, liebe Madame, erschrecken Sie man nicht, ’s hat mal wieder ein Unglück gegeben – drunten ist der Förster von der ‚Grünen Halde‘ – – Der Herr – ach Du Mein Gott – er –“

Antje starrte den Alten an, als verstehe sie ihn nicht. Da erscholl auch des Försters Stimme. „Frau Jussnitz,“ sagte er und trat in den Lichtkreis, der aus Antjes Thür brach, „dem Herrn ist ein Unglück geschehen, so ähnlich wie dazumal; er muß rasch Hilfe haben; meine Frau sagt, Sie hätten einen Doktor im Hause. – Frau Jussnitz, fallen Sie nicht!“

Er sprang hinzu und stützte die Wankende. Aber Antje stand schon wieder aufrecht. „Weckt den Herrn Doktor, laßt anspannen,“ befahl sie kurz; „wie lange fahren wir, Herr Förster?“

Sie hatte die Thür ihres Zimmers weit aufgelassen und suchte nach Tüchern und Hüllen; der Hausknecht eilte davon.

„Dreiviertel Stunden, wenn Sie die Pferde nicht schonen. Frau Jussnitz!“

„Nehmt Vorspann!“ rief sie dem Knecht nach und eilte zu der Thür des Zimmers, in welchem ihr Kind schlief. Im selbigen Augenblick ward diese aufgethan und Hilde stand ihr gegenüber. Antje faßte das zitternde Mädchen an der Hand und zog sie in ihre Stube.

„Dort schläft das Kind,“ sprach sie aufgeregt, „hüten Sie es, denn ich muß zu ihm.“

„Was ist geschehen? Um Gotteswillen, liebe Frau Jussnitz, was ist’s?“ flehte das erschreckte Mädchen.

Antje hielt inne mit ihrem hastigen Treiben. „Er hat sich das Leben nehmen wollen,“ sagte sie heiser.

Maiberg trat eben in das Zimmer, als Hilde mit einem Schrei zusammenbrach.

„Hanne,“ rief die junge Frau der Wirthschafterin entgegen, die, von dem ungewohnten Lärm aus ihrem leisen Schlafe geweckt, daher kam, „nehmen Sie sich des Fräuleins an, wir haben keine Zeit, wir müssen fort – Maiberg, kommen Sie!“

Und sie eilte die Treppe hinunter. Maiberg rief noch einige Verhaltungsmaßregeln zurück, dann folgte er ihr. Der Wagen fuhr eben vor.

„Schont die Pferde nicht,“ sagte Antje zum Kutscher. Dann stieg sie ein, nach ihr Maiberg und der Förster, und der Wagen brauste von dannen. Maiberg, der neben der jungen Frau saß, fühlte das Zittern und Beben, das sie von Zeit zu Zeit schüttelte. Aber kein Wort der Anklage, des Selbstvorwurfs, wie er gefürchtet hatte, kam über ihre Lippen. Sie that ein paar Fragen an den Förster; es war, als könnte sie nur mühsam sprechen.

„Es ist nur, weil er gar so arg blutete, Frau Jussnitz; mein armes Dorchen weiß sich keinen Rath – und diesmal, sehen Sie, diesmal konnten wir ihn nicht hinunter schaffen, diesmal ist’s eben schlimmer,“ sagte der Mann.

Sie schwieg. Es ging steil bergan, aber in eiligem Tempo. Sie bog sich aus dem Wagenfenster. „Wir sind ja erst am Chausseehause!“ flüsterte sie.

„Schon?“ sagte der Förster, „dann dauert’s nicht mehr lange.“

Eine Weile noch, dann hielt der Wagen mit den keuchenden Pferden vor dem niedrigen Häuschen, aus dessen Fenstern das röthliche Lampenlicht in die eben aufsteigende graue Dämmerung des Aprilmorgens leuchtete. Antje stieg aus und eilte die Stufen zur Hausthür empor, der Förster kam ihr nach.

„Oben, gnädige Frau, oben!“ flüsterte er.

Und sie erstieg die steile Treppe; sie hielt sich bei jedem Schritt fest am Geländer, es wollte sie bedünken, als wichen die Stufen unter ihr, als wankte das Häuschen über ihrem Kopf. Sie hatte nur eine Bitte, einen Wunsch, er möchte noch leben, nur noch ein paar Minuten! „Lieber gerechter Gott, nur noch so lange, daß ich ihn fragen kann – warum, warum er mir das gethan, – daß ich ihm die Hand drücken kann, nur das noch! – Erbarme Dich!“

Auf der Schwelle des Stübchens stand die Försterin; sie machte der todtblassen jungen Frau Platz. „Er ist nicht bei Bewußtsein,“ flüsterte sie und bückte sich nach dem Pelz, der

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 318. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_318.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2023)