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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

auch von Geschirr eignet. Es sind das also Universaltücher. Ja, der Stoff ist auch gut zu vielen andern Zwecken; leidenschaftliche Schnupfer des Nordens pfropfen zunächst die Nase voll mit Tabak und verstopfen dann die Oeffnung mit einem Bäuschchen aus dieser Masse. Das ist für sie dann ein Hochgenuß erster Güte!

Die wirkliche Form des Blitzstrahles. Wie der Blitzstrahl aussieht, das ist einem jeden seit der frühesten Jugend geläufig. In den Jugendwerken sind genug Gewitterscenen abgebildet und auf diesen Bildern erscheinen die Blitze in der bekannten zickzackförmigen Gestalt. Die Naturforscher hegten schon seit langer Zeit Zweifel an dieser landläufigen Darstellung des Blitzstrahles: James Nasmyth erklärte im Jahre 1856, daß ein Blitzstrahl richtiger durch eine stark gewundene Linie wiedergegeben werde und daß er an das Vorkommen von Blitzen in der Form, wie dieselben von Künstlern dargestellt werden, nicht glaube. Dieser Erklärung standen nun Aussagen vieler glaubwürdiger Zeugen entgegen, welche den Blitz in der Gestalt gesehen haben, wie ihn die Künstler seit alten Zeiten malen.

Die Beobachtung des Blitzes durch das menschliche Auge ist insofern schwierig, als die plötzliche Fülle des Lichtes unsere Netzhaut blendet. In den letzten Jahren wurde die Photographie zur Hilfe herangezogen; aber die Photographien der Blitzstrahlen brachten anscheinend nicht den geringsten Nachweis für die winkelförmig gebildeten Zickzackformen des Blitzes.

Dieser Widerspruch ist in neuerer Zeit durch die Arbeiten von Eric Stuart Bruce gelöst worden. Wer sich darüber ausführlicher unterrichten will, den verweisen wir auf Nr. 5 des „Elektrotechnikers“ vom Jahre 1890. Hier sei nur folgendes hervorgehoben:

Die mehr oder weniger gewundene Linie ist die wirkliche Form des Blitzes; die Zickzacklinie ist aber trotzdem keine Ausgeburt der Phantasie. Bruce wußte das durch Versuche zu beweisen. Er fertigte ein Modell von Haufenwolken an, die eine winkelförmige Oberfläche besitzen. Den Blitz erzeugte eine Glühlichtlampe. Ließ nun Bruce dieselbe plötzlich für einen Augenblick aufleuchten, so wurde die ganze Fläche des Wolkenschirmes gleichmäßig erhellt; man sah einen Flächenblitz.

Im weiteren Verlauf der Versuche stellte Bruce zwischen die Haufenwolken und die Glühlichtlampe einen Schirm mit einer kleinen Oeffnung. Leuchtete jetzt die Lampe für einen Augenblick auf, so sah man nicht mehr den Flächenblitz, sondern das Bild des glühenden Kohlenfadens, jedoch in einer verzerrten Form, weil es auf die unebene Fläche der Wolken fiel. Die Seiten des hufeisenförmigen und weißglühenden Kohlenfadens schienen zickzackförmig zu sein. Wurden zwei Oeffnungen in dem Schirm gemacht, so erhielt man zwei Bilder des glühenden Kohlenfadens. In der Natur spielt sich die Erscheinung ebenso ab, die Stelle des Schirmes mit der Oeffnung vertritt eine Wolkenschicht mit einer oder mehreren Lücken. Durch die letzteren hindurch wird der Blitzstrahl auf die Haufenwolken projicirt und erscheint uns als Zickzackblitz in einfacher oder gespaltener Form. Der Zickzackblitz ist somit ein Projektionsblitz.

Es ist nun leicht zu begreifen, wie diese letztere Gestalt des Blitzes seit alten Zeiten als die einzige angesehen wurde. Wer beide Formen gesehen hat – und dies dürfte bei sehr vielen der Fall sein – der wird zugeben, daß er durch den unmittelbaren Anblick des Blitzes derart geblendet wurde, daß es ihm nicht möglich war, die Form der Lichtquelle genau zu erkennen. Der Zickzackblitz blendet nicht im entferntesten so stark. Dem Schreiber dieser Zeilen ist das Bild eines Zickzackblitzes, das er in seinem Knabenalter auf einer dunklen Wolke am Nachmittage gesehen hat, unvergeßlich. Der Glanz der Erscheinung war ein außerordentlicher und doch jede Zacke deutlich und scharf wahrnehmbar. Damals freute er sich, den ersten wirklichen Blitz, „wie er im Buche steht“, gesehen zu haben. Nun wird er belehrt, daß er nur einen Projektionsblitz gesehen hat. Ebenso wie ihm wird es vielen seiner Leser ergehen.

Durch die Erklärung Bruces ist aber die Ehrenrettung der Maler keine vollständige; denn die zickzackförmigen Donnerkeile, die auf Bildern Thiere und Menschen tödten oder Häuser in Brand stecken, sind unwahr; andererseits ist freilich hervorzuheben, daß es auch Maler gegeben hat, welche den Blitz auf ihren Bildern in der Form der gewundenen Linie dargestellt haben.


[„I. Quittung. Für die darbenden Weber im Glatzer Gebirg“ wird nicht transkribiert]

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 372. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_372.jpg&oldid=- (Version vom 24.8.2023)