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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Humpen und allerlei Geräth; weiße und braune Hengste vor primitiv zusammengezimmerten, großen, plumpen Fuhrwerken mit Rädern ohne Speichen, alles echt, von verblüffender Wirkung! Zwischendurch zweifelhafter, zerlumpter Troß, Landstreicher, Rattenfänger mit lebendigen Thieren, Kesselflicker und Panzerschmiede, betrunkene Wegelagerer und unvermittelt daneben Fremdlinge aus fernen Ländern: Mohren, Araber, byzantinische Krieger; endlich berittene Sachsen, die sich später – selbst Zuschauer – wieder zu neuen Gruppen vereinigten.

Geradezu berückend in seiner glänzenden eigentümlichen Farbenpracht war der den Schluß bildende Gesandtschaftszug. Maurische Fürsten, Sklaven mit Goldgefäßen, Teppiche, Pfauenwedel, krumme Säbel, Beduinen, Haremsweiber, Kamele, Mohrenkönige, Perser in üppigen, langen Gewändern, mit gelocktem Haupt- und Barthaar, und wilde trotzige Avaren!

Den Gesandtschaften zu Ehren fand dann ein Reiterschwerttanz statt auf wilden Rossen, ein Stück Reitkunst, das in der größten Manege nicht besser hätte ausgeführt werden können.

Das war der erste, wegen der Massen, die auf dem verhältnißmäßig kleinen Raum sich entfalten mußten, ein wenig zögernd sich entwickelnde Theil des Festes.

Ihm folgte in märchenhafter Schönheit das Abendfest im Park; träumerische silberne Gewässer, berauschende Musik, Tanz auf dem Festplatz, der bald von smaragdgrünem, bald von purpurrotem oder magnesiumweißem Licht umflossen ist; im Hintergrunde, ernst, mächtig emporstrebend, der Tempel, beleuchtet von drei einzelnen flammenden Fackellichtern.

Ich sah das Feldlager der Krieger, schritt vorüber an den Wirthschaften, in denen bunte Gruppen zechten und lachten.

Häufig versperrten den Weg singende und spielende, einen Höllenlärm verursachende Musikantenbanden.

Hier und dort huschten auch einzelne Paare vorüber, und im Theater lauschte das Volk dem lustigen Festspiel.

Und warme, weiche Luft und volles Leben unter den Tausenden: Jubel wohin man kam und sah, immer Neues, die Sinne Fesselndes, ob es nun in der Osteria war, wo an den langen Tischen Aachener Bürger mit Persern Schmollis tranken, oder in der Konditorei und in den Hallen des Hauptrestaurants, wo in buntem Wirrwarr gepanzertes Kriegsvolk mit modischen Damen des 19. Jahrhunderts den Champagner überfließen ließ und jetzt den „Frohsinn“ als alleinigen Herrscher auf den Thron setzte!

Der Einzug Karls des Großen in Aachen würde verdienen, von dem Stift eines Adolf Menzel wiedergegeben zu werden. Ich bemerkte den Meister im Saal des großen Restaurants, wie er mit seinem weißen, runden Kopf fast allzu ernsthaft den wilden Tänzen der Araber zuschaute, und es wirkte seltsam, seine kleine, moderne Gestalt auftauchen zu sehen unter den weiß umwallten Orientalen, den tief verhüllten, eine betäubende Musik vortragenden Haremsgestalten und den sich in frommer Raserei ergehenden Fakiren und Derwischen. – Erst als Nacht und Tag sich leise berührten, als das große Gestirn am Himmel seine Ankunft durch tastendes Licht verkündete, hatte das herrliche, malerische Fest sein Ende erreicht!




Blätter und Blüthen.

Brehms Thierleben. Mehr als dreißig Jahre sind vergangen, seit der große Naturforscher Alfred Edmund Brehm mit der „Gartenlaube“ in Verbindung trat, und diese Verbindung hat sogar seinen Tod überdauert. Noch im letzten Jahrgang konnten in diesen Blättern dem Leser Abschnitte aus Brehms populären Vorträgen mitgetheilt werden, die inzwischen auch als Buch unter dem Titel „Vom Nordpol zum Aequator“ erschienen sind. Wenige Jahre aber nach jenem Eintritt Brehms unter die Mitarbeiter der „Gartenlaube“" erschien der erste Band desjenigen Werkes, welches seinem Namen den festesten Grund in der Werthschätzung des deutschen Volkes gegeben hat, der erste Band des „Thierlebens“. Von 1863 bis 1869 währte die allmähliche Veröffentlichung der ersten Auflage in sechs Bänden, 1876 bis 1879 folgte die zweite in zehn Bänden, und nunmehr stehen wir bereits vor der dritten Auflage des Riesenwerkes, von welcher drei Bände, die Säugethiere umfassend, zur Ausgabe gelangt sind. Brehm selbst, der am 11. November 1884, noch nicht sechsundfünfzigjährig, sein Leben beschloß, hat für diese neue Auflage nichts mehr thun können; aber in Pechuel-Loesche, Wilhelm Haacke, E. L. Taschenberg, W. Marshall u. a. gewann die Verlagshandlung (das Bibliographische Institut in Leipzig) tüchtige sachverständige Männer, welche die Neubearbeitung des Brehmschen Textes übernahmen, ihn mit den neuesten Ergebnissen der Forschung in Einklang zu setzen und von unwesentlichen Abschweifungen zu befreien bemüht waren, selbstverständlich unter schonender Wahrung der Eigenart des ursprünglichen Verfassers. Eine wesentliche Erneuerung wird das Abbildungsmaterial erfahren, insofern nach der Ankündigung der Verlagshandlung im ganzen gegen tausend Neuzeichnungen dem Werke einverleibt werden sollen.

Wir wünschen dem „Thierleben“ auch in seiner neuen Gestalt eine immer weitere Verbreitung in unserem Volke; denn besser, als alle lobenden Worte es aussprechen können, wissen die Leser der „Gartenlaube“ aus eigener Erfahrung, wie Brehm das Thierleben kennt, wie meisterhaft er es zu schildern versteht – und wie erziehend, erhebend, sittlichend die eingehende Beschäftigung mit der Natur an der Hand eines so bewährten Führers auf den Geist des Menschen wirkt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 427. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_427.jpg&oldid=- (Version vom 29.8.2023)