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verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Er hatte sich schon gefaßt. Mit seinem gewohnten freundlichen Ton sagte er:

„Unangenehm? O nein! Nur überraschend, thörichterweise überraschend. Da ist man erstaunt, in einem Badeort halb vergessenen Bekannten zu begegnen, und eigentlich sollte man sich wundern, daß man sich so lange nicht getroffen hat.“

Indessen war das Paar herangekommen und schien auch seinerseits den Herrn erkannt zu haben. Ein kurzer Zweifel, ob man sich begrüßen wolle, dann doch wirkliche Freunde, daß man sich wiedersah, und schon streckte die Dame herzlich ihre Hand aus und ihr Begleiter lüftete sehr höflich den Hut.

„Graf Clairon! Wirklich! Kennen Sie uns denn noch, und wissen Sie denn, daß Lüdinghausen und ich ein Paar geworden sind?“ rief Rahel.

„Natürlich weiß ich es. Ehrhausen ist der Vermittler aller Berichte zwischen Ihnen und uns geblieben,“ erwiderte Graf Clairon, „und Sie haben schon errathen, daß dies meine liebe Frau ist. Habe ich Dir nicht einmal von der Familie von Römpker erzählt,“ fragte er mit leichter Verlegenheit seine Gattin, „und vom Landrath Lüdinghausen? Alles gute Bekannte aus meiner letzten Garnison und, gleich uns, Freunde von Ehrhausen!“

Aus diesen Worten erriethen Rahel und ihr Mann, daß die Gräfin nichts erfahren habe von dem schmerzlichen Roman, den Clairon einst erlebt hatte, und mit heitern, schnellen Reden halfen sie ihm, eine oberflächliche Unterhaltung zu beginnen.

„Ich kann mir im voraus denken,“ sagte Rahel, „daß Sie auf die flehentlichen Bitten der Baronin Ehrhausen hergekommen sind. Die stets Gesellige mußte wenigstens früher immer einen ganzen Hofstaat von Freunden um sich haben, wenn sie nicht vor Langerweile sterben sollte.“

„In der That,“ antwortete Clairon, während man langsam zu Vieren in der Richtung auf die Wohnung des gräflichen Paares weiter ging, „in der That bin ich nur hierher gereist, um mit dem alten Kameraden zusammen zu sein. Ehrhausen hat uns jedes Jahr auf Westernburg besucht, die Frauen aber waren sich immer noch fremd, und die Baronin in ihrer graziösen Unart wollte durchaus mit meiner Gattin zuerst auf neutralem Boden zusammentreffen. Denn, meinte sie, wenn die Gräfin und ich uns nicht leiden mögen, sitze ich auf der Westernburg geradezu in der Falle. Die Unterhandlungen über eine solche Begegnung, welche von der Baronin als wichtige Staatsaktion behandelt wurde, dauern nun fünf Jahre, also fast seit unserer Verheirathung. Endlich haben wir uns denn aufgemacht.“

„Und Ehrhausen,“ sagte Rahel, „hatte natürlich keine Ahnung davon, daß wir diesen selben Ort auch zu einem Stelldichein bestimmten. Wir sind ihm gestern abend in die Arme gelaufen, ebenso zufällig wie Ihnen. Und die Baronin hat uns allesammt gleich für diesen Abend eingeladen.“

„Allesammt?“ fragte Clairon mit etwas gedehnter Stimme, „sind Herr und Frau von Römpker auch hier?“

„Nur mein Schwiegervater,“ erwiderte Lüdinghausen schnell, „und der Fürst und die Fürstin Dasanoff.“

„Verwandte von Ihnen? Ich erinnere mich, den Namen gehört zu haben. Richtig, einige Vettern von mir schwärmten von der schönen Fürstin, welche sie in Petersburg getroffen hatten und welcher dort alle Kavaliere zu Füßen liegen sollen. Und die ist hier?“ fiel die Gräfin lebhaft ein.

„Es ist meine Schwester,“ entgegnete Rahel mit großer Beklemmung.

„O, dann mußt Du sie ja auch kennen, Robert. Und Du hast nie davon gesprochen. Eine so interessante Frau!“

„Es giebt ja viele Dasanoffs, und ich hatte ganz vergessen, daß eine Römpker einen Fürsten dieses Namens geheirathet hat,“ entschuldigte sich Clairon.

Rahel empfand mit ihm das Peinliche dieses Augenblicks, das noch vermehrt wurde, als die Gräfin sagte:

„Er ist entsetzlich unhöflich. Verzeihen Sie ihm nur, gnädige Frau! Wie kann man Damen vergessen, mit denen man einst verkehrt hat, in deren Haus man vielleicht gar gastfreundlich aufgenommen war!“

„Ist das Ihr Knabe?“ fragte Lüdinghausen, als das Kind, dem man sich wieder genähert hatte, jetzt von seinem Spiel aufschaute.

„Ja,“ antwortete die Gräfin.

„Es ist mein Sohn,“ setzte Clairon hinzu.

Die Frau strahlte auf in Mutterglück, über das Gesicht des Mannes ging ein heller Schein, und in seinem Ton lag ein Ausdruck von tiefem ernsten Stolz.

(Schluß folgt.)


Blätter und Blüthen.

Große Früchte. Dem Obstzüchter kommt es oft darauf an, möglichst große und schön aussehende Früchte zu erzielen. Die Hauptbedingung dafür ist eine rationelle Obstbaumzucht. Außerdem giebt es noch einige Kunstgriffe, welche die Mühe des Obstgärtners besonders lohnen. Will man das Wachsthum der Frucht befördern, so wird die letztere unterstützt und in derjenigen Lage erhalten, die sie innehatte, als ihre Größe kaum 2 cm Durchmesser überschritt. Am besten eignen sich hierzu schwebende Träger, welche aus einem kleinen viereckigen Brettchen bestehen, an dessen Ecken vier Schnüre von entsprechender Länge angebracht sind. Diese Schnüre werden oberhalb der Frucht am ersten besten Ast oder Zweig befestigt, in einer Weise, welche das bequeme Aufliegen der Frucht auf dem Brettchen ermöglicht.

N. Gaucher[WS 1] giebt in seinem Werke „Praktischer Obstbau“, das auch eine treffliche Anleitung zu erfolgreicher Baumpflege und Fruchtzucht für Liebhaber bietet, noch ein anderes Mittel an zur Erreichung desselben Zieles. Es sind dies Waschungen mit einer wässerigen Lösung von schwefelsaurem Eisen (Eisenvitriol). Dieses Eisensalz wirkt außerordentlich günstig auf die Thätigkeit der Pflanzen ein. Schwache Theile eines Baumes können gekräftigt werden, wenn man die Blätter mit einer solchen Lösung (1 bis 2 Gramm Eisenvitriol auf 1 Liter Wasser) bespritzt. Nur muß dies bei trübem Wetter oder noch besser nach Sonnenuntergang geschehen, sonst verdunstet das Wasser, bevor, die Blätter es aufsaugen konnten. Mit einer ähnlichen Lösung (am besten 11/2 Gramm Eisenvitriol auf 1 Liter Wasser) werden die Früchte gewaschen. Die in der Schale befindlichen Saftgefäße werden durch dieses Verfahren bedeutend erweitert, wodurch ihre Elasticität und ihr Aufsaugungsvermögen gesteigert wird. Durch die erleichterte Ausdehnung der Früchte vergrößert sich ihre Fähigkeit zur Anziehnng des Saftes, von welchem nun eine vermehrte Menge aus den Zweigen, Trieben und Blättern herbeigelockt wird, und unter diesem günstigen Einfluß erreichen die Früchte einen bedeutenden Umfang. Man wäscht die gesammte Oberfläche der Früchte, wie vorhin erwähnt, bei trübem Wetter oder am besten nach Sonnenuntergang, und wiederholt das Abwaschen dreimal: zuerst, wenn die Früchte ungefähr den vierten Theil ihrer Größe, zum zweiten Male, wenn sie die Hälfte, und zum dritten Male, wenn sie etwa dreiviertel ihres Umfangs erreicht haben. *     

Stickmuster für Schule und Haus. Ein neues „Musterbuch“ anzuzeigen nach den hervorragenden Veröffentlichungen auf diesem Gebiet durch Lessing, Lipperheide und Siebmacher, das ist nur möglich, wenn man demselben noch etwas gründlich Neues nachrühmen kann. Und in der That ist dies bei dem vorliegenden Werk des Direktors der Allgemeinen Gewerbeschule zu Hamburg, Dr. A. Stuhlmann, der Fall (Verlag von W. Spemann, Berlin), denn es giebt nicht nur eine Reihe schöner und brauchbarer Muster, sondern es zeigt an einer Reihe von Beispielen, wie ein gegebenes Muster für einen bestimmten Zweck, dem es nicht ohne weiteres genügt, einzurichten ist, wie z. B. zu einer gegebenen Borte eine passende Ecke, zu einer mit Ecke versehenen Borte eine Mittelrosette u. dgl. gefunden wird. Außerdem aber, und hierin erblicken wir einen besonderen Werth, soll die Stickerin lernen, ihre Muster aus gegebenen Elementen selbst zu bilden, um sie späterhin auch nach anderen Motiven in freier Thätigkeit zu entwerfen. Den Begabteren unter den Arbeiterinnen wird also hier eine Anleitung geboten, welche sie bisher nur in einer guten Kunstgewerbeschule erhalten konnten; die Auseinandersetzungen des Textes sind klar und leicht verständlich.

An Reichhaltigkeit der Motive kann sich wohl das Buch, weil es öfter auf dieselbe Form zurückgreifen muß, mit den eingangs genannten Werken nicht messen, immerhin enthält es eine gute Anzahl schöner und stilgerechter Borten, Mittelstücke, Ecken und Grundmuster. Zur Ergänzung sind jene Werke ja leicht heranzuziehen, als ausgezeichnete Grundlage aber können wir die Stuhlmannsche Arbeit mit gutem Gewissen empfehlen. Bn.     




Kleiner Briefkasten.

(Anfragen ohne vollständige Angabe von Namen und Wohnung werden nicht berücksichtigt.)

Karl W. in Mannheim. Besten Dank für das Gedicht, welches wir aber leider nicht verwenden können.




Inhalt: Baronin Müller. Roman von Karl v. Heigel (1. Fortsetzung). S. 469. – Abend. Gedicht von Martin Greif. Mit Abbildung S. 473. – Eine Rheinfahrt mit Joseph Viktor Scheffel. Von W. H. Riehl. S. 474. Mit einer Zeichnung von Scheffel auf S. 469. – Alpenrosen. Bild. S. 477. – Originalgestalten der heimischen Vogelwelt. Thiercharakterzeichnungen von Adolf und Karl Müller, 5. Rokokofiguren. a. Der Wiedehopf, b. Der Wendehals. S. 478. Mit Abbildungen S. 478 und 480. – Lea und Rahel. Roman von Ida Boy-Ed (11. Fortsetzung). S. 480. – Strenge Kontrolle. Bild. S. 481. – Blätter und Blüthen: Große Früchte. S. 484. – Stickmuster für Schule und Haus. S. 484. – Kleiner Briefkasten. S. 484.



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

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verschiedene: Die Gartenlaube (1891). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1891, Seite 484. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_484.jpg&oldid=- (Version vom 6.9.2023)