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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Fischer hat in dem Wasser des Kieler Hafens einen Bacillus entdeckt, der in vieler Beziehung an den Westindischen erinnert. Er ist gleichfalls beweglich und strahlt gleichfalls bläulichweißes Licht aus; aber er hat außerdem seine besonderen Eigenschaften, so daß er in der Kleinwelt eine Art für sich ausmacht und darum im Gegensatz zu dem überseeischen Kollegen mit dem Namen „Einheimischer Leuchtbacillus“ bezeichnet wird. Er ist ein echter Sohn des Nordens. Während der Westindische erst bei 15° C. zu leben anfängt, behagen dem Einheimischen gerade niedrige Temperaturen, erst unter 15° C. fühlt er sich in seinem Lebenselement, ja er gehört zu denjenigen Mikroorganismen, deren Wachsthum selbst durch Frosttemperaturen von 0° und darunter nicht gehemmt wird. Er wächst und leuchtet noch in seinem bläulichweißen Lichte, wenn seine Umgebung den Gefrierpunkt anzeigt.

Den zahllosen Arten leuchtender lebender Wesen, welche durch die Lüfte schwirren und in dem Wellenschaume erglühen, hat die Wissenschaft noch die drei winzigsten Arten beigefügt. Wie aber alle diese Wesen Licht erzeugen, das ist noch immer das unentschleierte Geheimniß, an dessen Enthüllung schon so viele vergeblich gearbeitet haben. C. F. 




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Die Kamerunerin.

Eine romantische Geschichte von H. v. Götzendorff-Grabowski.
1.0 Stürme und Stimmungen.

Draußen tobte ein heftiger Schneesturm, er warf spitzige Hagelkörner an die Scheiben, rüttelte an den Fensterläden und heulte allerlei unheimliches Kauderwelsch durch den Kamin ins Zimmer hinein; drinnen aber war’s traulich und hell und warm. Die beiden Männer rauchten bei einer Flasche Rheinwein gemüthlich ihre Nachtischcigarre, und die junge Frau des einen, des Hausherrn, nähte mit Emsigkeit an einem Puppenkleidchen, wobei ihr der andere, der Gast, träumerisch zuschaute.

„Sie thun unserm braven Hochheimer heute gar nicht die gebührende Ehre an, Freund Claudius,“ sagte Frau Edith endlich. „Ist es, weil ich nicht genug nöthigte? O, Sie würden das begreifen und entschuldigen, wüßten Sie etwas von den hundert und aberhundert Fragen und Sorgen, mit denen der Kopf einer Hausfrau und Mutter vierzehn Tage vor Weihnachten angefüllt ist!“

„Sie verkennen mich, Frau Edith. Ich bin zu sehr daheim bei Ihnen, als daß es mir gegenüber jener Formen bedürfte. Ich habe mich ja von Anfang an bei Ihnen wie zu Hause fühlen dürfen.“

„Dank für dieses wohlthuende Wort, Freund Claudius! Nun müssen Sie aber auch darnach handeln oder wenigstens beichten, warum heute Ihre Stirn so umwölkt, Ihr Blick so trübe, Ihre Neigung zum sonst ganz wohlgelittenen Abendtrunk auf Null herabgestimmt ist!“

„Ist es so? Davon weiß ich selbst nichts. Vielleicht macht es die Nähe des vierundzwanzigsten Dezember. Weihnachten ist ein Familienfest, da erwachen in dem Alleinstehenden liebe Erinnerungen und er erkennt klarer als zu jeder andern Zeit die Leere und Freudlosigkeit seines Daseins.“

„Ganz recht,“ fiel der Professor ein. „So empfand ich ehemals auch, aber bald suchte ich mir das einzig unfehlbare Heilmittel gegen derartige Anfechtungen. Wer hindert Dich, es ebenso zu machen, alter Junge?“

„Ja, warum denken Sie nicht endlich einmal ernstlich an die Wahl einer Lebensgefährtin, Sie armer ‚alleinstehender‘ Mann?“

Doktor Claudius schien die Beantwortung dieser Frage ziemlich schwer zu finden, denn er wollte nicht gleich mit der Sprache herausrücken.

„Ich verstehe mich nicht auf den Umgang mit Frauen,“ entgegnete er nach einer kleinen, gedankenvollen Pause. „Dergleichen muß in der Jugend gelernt werden, und mir ließ man niemals Zeit dazu. Ich mußte mich frühzeitig mühen, um in die Stellung, in die Verpflichtungen hineinzuwachsen, welche mir durch des Oheims Erbe, die Farbenfabrik, auferlegt wurden. Während meine Altersgenossen – darunter auch Du, Eberhard – sich im Ballsaal, im Minnedienst die ersten Sporen verdienten, saß ich über meinen Büchern oder chemischen Versuchen. Das Laboratorium war mein Salon. Das Studium der Farbentechnik mußte mir dasjenige des Frauencharakters, die Lehre von der stofflichen Zusammensetzung meiner Fabrikerzeugnisse jene über den Verkehr mit dem weiblichen Geschlecht ersetzen. Im Fluge verging die Zeit, und eines Tages sah ich mich als den Besitzer von Hermannsthal. Die Leute nannten es eine ‚Goldgrube‘ und priesen mich glücklich, niemand erwog den Umstand, daß ich dieses Erbe mit meiner goldenen Jugend bezahlte! Ich hatte sie nicht genossen, sie war vorübergegangen wie ein harter Traum, und der Mann vermochte nicht nachzuholen, was der Jüngling versäumt hatte.“

„In gewissem Sinne kannst Du es dennoch, Claudius. Dein Herz ist jung geblieben. Und daß der schlanke Studiosus der Chemie zum stattlichen Doktor und Fabrikbesitzer geworden ist, sichert Dir ein um so wärmeres Willkommen beim schönen Geschlecht.“

„Laß es gut sein, Eberhard! Ich möchte etwaige Erfolge nicht diesen Aeußerlichkeiten verdanken. Außerdem haben die Frauen und Mädchen, denen ich hier begegne, wenig Anziehendes für mich. Ihr Lebenszweck ist das Vergnügen, ihr Ziel eine gute Partie, das will sagen: ein Freibrief für alles, was Geld kostet und außerhalb der Häuslichkeit, der eigenen vier Wände liegt. Oder meinen Sie, Frau Edith, daß eine von ihnen mit der Aufgabe, mein Stillleben durch ihre Anmuth, ihre sorgende Liebe zu verklären, einverstanden und zufrieden sein würde?“

„Eine aus der von Ihnen gezeichneten Spielart wohl kaum. Aber Sie können nicht leugnen, es giebt gottlob noch Mädchen, welche eine auf das Innenleben gerichtete Erziehung erhalten haben, welche gediegene Bildung mit schlichtem, häuslichem Sinne vereinigen und ihr Glück darin finden würden, Königin Ihres Herzens und Ihres kleinen Reiches zu sein.“

„Zugegeben! Allein auch Sie werden nicht sagen wollen, daß dieser weiße Rabe, dieser Wundervogel auf den Kasinobällen oder in den ästhetischen Theekränzchen unserer Stadt zu finden sei!“

„Dort so gut als anderswo! Auf welche Weise sollten heirathslustige junge Männer denn sonst zu Damenbekannrschaften gelangen?“

„Vielleicht gedenkt Claudius sich seine Zukünftige ‚auf diesem nicht mehr ungewöhnlichen Wege‘ zu gewinnen,“ sagte der Professor neckend. „Das wäre allerdings romantischer.“

„Eberhard!“ rief Frau Edith entrüstet.

„Warum denn nicht, Mäuschen? Schließlich ist ein Weg so gut als der andere, wenn das Glück mit dem Wanderer geht. Ein Glücksspiel, bei welchem alles gewonnen und alles verloren werden kann, bleibt die Ehe in jedem Fall.“

Frau Edith wurde ernstlich böse. „Wir lernten einander bei einer Landpartie des Cäcilienvereins kennen,“ sagte sie empfindlich, „und ich kann es durch zahlreiche Beispiele aus meinem Bekanntenkreise beweisen, daß die glücklichsten Ehen gerade auf derartige gesellige Vereinigungen zurückzuführen sind!“

„Das bleibt unbezweifelt, liebe Frau! Ebenso kann aber ich aus eigener Anschauung berichten, daß auch durch jene verpönten Zeitungsanträge – denen ich übrigens keineswegs das Wort reden will! – schon mancher zu seinem Glücke gelangt ist. Das Schicksal erwählt sich oft wunderbare Werkzeuge und Wege, um verwandte Seelen zusammenzuführen. Möge es auch unseren Freund, gleichviel auf welcher Straße, bald die Krone des Lebens finden lassen! Leeren wir darauf dieses letzte Glas!“

Die drei Kelche begegneten einander mit klingendem Ton und wurden auf einen Zug geleert. Dann verabschiedete sich Claudius.

Es hatte bereits zehn Uhr geschlagen und er wollte zu Fuß nach dem eine halbe Stunde von der Stadt entfernten Hermannsthal zurückkehren. Die breite, von Obstbäumen umsäumte Fahrstraße lief gerade darauf zu. Es wanderte sich gut durch die abendliche Einsamkeit. Der Sturm hatte nachgelassen, hier und da schimmerte ein Stern durch die zerrissenen Wolken. Claudius war tief in Gedanken. Das Gespräch dieses Abends hatte ihn erregt und eine besondere Saite in ihm zum Tönen gebracht. Ja, warum sollte nicht er so gut als andere eines Tages finden, was ihm noth that? Natürlich nicht im Gesangverein oder im

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 512. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_512.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2023)