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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)


DENKSPRÜCHE.

 Geldes Werth.
Der erst erkennt recht Geldes Werth,
Der, – fehlt’s ihm. – es zu borgen begehrt.


 Worauf es ankommt.
Am rechten Platz der rechte Mann,
Darauf vor allem kommt es an.


 Vergebliches Thun.
Verhaßt ist manchem der Hahn.
Der kündet des Morgens Nah’n;
Doch, ob er den Hahn auch tödte,
Nicht hemmt er die Morgenröthe.


0Erbschaft von den Vätern her.
Wo Freundschaft hegen
Die Väter,
Genießen den Segen
Noch später
Die Kinder.
0 Nicht minder,
Wo Haß und Feindschaft pflegen
Die Väter,
Da haben später
Unter der Väter Verschulden
Noch die Kinder zu dulden.


 Sprechen und Radebrechen.
Wer eine Sprache nicht kann sprechen,
Mag immerhin sie radebrechen.
Nur glaub’ er nicht und prahl’ er nicht,
Daß er die Sprache wirklich spricht!


 Indischer Spruch.
Wenn du Gutes thust dem Bösen,
Glaub’ nicht, daß dir Gutes draus entsprieße.
Gift’ge Frucht bringt stets der Giftbaum,
Ob man ihn mit Honig auch begieße.

 D. Sanders.




Nachdruck verboten.     
Alle Rechte vorbehalten.

Das Los des Schönen.

Erzählung aus dem achtzehnten Jahrhundert. Von Stefanie Keyser.0 Mit Abbildungen von René Reinicke.

(3. Fortsetzung.)

Auf dem Rondell herrschte Festfreude. Da war niemand verwundert, daß Amtmanns Töchter plötzlich sich in den Armen lagen und lachten und weinten zu gleicher Zeit; auch nicht, daß die beiden jungen Paare in der an diesem gesegneten Tage so viel besuchten Geisblattlaube verschwanden, während das würdige Elternpaar mit andern Wohlgeborenen eine Menuett zu Vieren tanzte, die für künstlicher aber weniger aufregend galt als die zu Zweien. Es erschien ebenso allen natürlich, daß der junge Fremde so fröhlich sich an den roh gezimmerten Tisch der Honoratioren zwischen die beiden vornehmsten Mädchen setzte: es standen so gute Dinge darauf. Hatte doch die Frau Pastorin einen Konsistorialvogel gespendet, einen Truthahn, mit dem sie sonst nur bei der Kirchenvisitation aufwartete. –

Zum Abschied drückten sich alle Gäste des Rondellfestes die Hände, warum nicht auch der junge Offizier und die liebliche Lida, wenn es auch ein wenig lange dauerte? Der Splitterrichter gab es damals nicht viel, jeder gönnte dem andern sein Pläsier. Und daß die jungen Mädchen dann eiligst in ihre Kammer hinauf huschten, fiel weder den Eltern noch der müden Magd auf – es schlug ja schon die Mitternachtsstunde.

Lida hatte zwar gezögert, ihr war zu Muthe, als müsse sie vor den Eltern niederknieen und sie um Verzeihung bitten, daß sie selbständig über ihr Schicksal entschieden hatte, als müsse sie um ihren Segen flehen für den geschlossenen Bund. Aber Lotte zog sie mit fort. „Der Vater will schlafen gehen, er sieht sich schon nach der Zipfelmütze um; da kommst Du ihm sehr in die Quere. Und der Mutter ist auch Ruhe zu gönnen, sie hat viel mit dem Doktor tanzen müssen, und was macht der für Sprünge! Morgen wird schon alles zum Klappen kommen. Sieh, drüben in Ehrhardts Stube ist noch helles Licht, dort sitzt Dein Heinrich vor meines Inspektors neuem Schreibpult und verfaßt den Brief, in welchem er um Dich anhält. Er muß ja mit dem Morgengrauen wieder fort, der arme Mensch, hat nicht länger Urlaub erhalten und sie haben ihm eine so elende Mähre aus den Trainpferden ausgelesen. Na, wenn Ihr erst da drüben wohnt, holen wir Euch alle Sonntage in unserer Chaise ab.“ Damit fuhr sie in ihr Bett und schlief bald den Schlaf der Gerechten.

Lida aber blickte hinüber nach dem Gutshofe, bis das Licht, das ihr leuchtete, endlich erlosch. –

Als das erste Frühroth leuchtete, sah ein Paar anderer Augen dem Abreitenden ernst und bedenklich nach. In dem Tumult des Festes war Ehrhardt, angefeuert von einem guten „Bischof“, den sein Schwiegervater in der großen Terrine von Meißner Porzellan zum Besten gab, von dem fröhlichen Wesen seiner Braut fortgerissen worden und nicht recht zur Besinnung gekommen. Und als er dann allein dem jungen Offizier gegenüber saß und dieser sein ganzes Herz ihm aufschloß, das liebevolle, anschlußbedürftige, das immer einsam und verlassen gewesen war – da hatte er den Muth nicht finden können, zur Bedachtsamkeit zu mahnen. Es war ihm unmöglich, mit sorgenvollen Worten den Jubel zu verkümmern, den dieses junge Gemüth zum ersten Mal empfand über die Geliebte, die Braut, wie sie dem Jüngling in seinen Träumen vorgeschwebt hatte, über eine traute Häuslichkeit, die der Mann erhoffte. So erwiderte er die innige Bitte des jungen Schwagers, ihm ein Freund zu sein, nur mit festem biederem Händedruck.

Aber jetzt, wo der nüchterne Werkeltag heraufgraute, wo die frische Morgenluft ihn anblies, vergingen die leuchtenden Bilder des Himmelfahrtsfestes – wie Seifenblasen, dachte er unbehaglich; und die trennenden Klüfte, über welche die jungen Herzen Brücken, schimmernd gleich Regenbogen, geschlagen hatten, gähnten tief und kalt ihn an.

Und auch in der Familienstube des Amtshauses sah es am andern Morgen bedenklich aus, als auf den Frühstückstisch das feierlich große Schreiben niedergelegt wurde, das Heinrich vor seiner Abreise dem Inspektor zur Besorgung übergeben hatte. Nachdem es der Amtmann unter dem athemlosen Schweigen seiner Familie gelesen und alle von dem Inhalt benachrichtigt hatte, trat eine Stille ein, die den beiden Mädchen das Herz zuschnürte. Nur die Dose knarrte leise, als der Amtmann eine Prise nahm.

„Verzeihen Sie,“ flüsterte Lida bittend, „vergeben Sie mir; ich konnte nicht anders.“

„Ich bin auch verlobt gewesen und habe nichts gesagt,“ rief Lotte, um den Zorn auf sich abzulenken.

„Davon ist nicht die Rede,“ entgegnete der Vater, das Schreiben zusammenfaltend. „Verlöbnisse werden gemeiniglich zwischen den zwei betreffenden Personen abgeschlossen, ohne Zuziehung der natürlichen Vormünder.“

Die Mutter trocknete sich den Angstschweiß von der Stirn. „Das habe ich nicht gedacht. Meine Tochter einen Offizier heirathen! In diese Armuth hinein! Wenn ich denke, wie die alte Hauptmännin drüben in der Festung sich ihr Mäßchen Bier unter der alten zerschlissenen seidenen Saloppe selbst heimträgt, und mir sagen muß: so geht Deine Lida auch einmal herum!“

Lida sah sie mit den großen dunklen Augen an; trotz des Schmerzes, den sie über den Kummer der Mutter empfand, lag ein Lächeln auf ihren Lippen: ach, welches Glück, für ihn sorgen zu dürfen! Seligkeit wäre es, keine Erniedrigung! Lotte kam ihr zu Hilfe. „Du brauchst Dir das Bier nicht zu holen. Ich lege ein Fäßchen von unserem Haustrunk in Euren Keller.“

„Es ist nicht von Bier und alten Saloppen die Rede,“ lenkte der Amtmann die Verhandlung wieder auf den richtigen Weg, „sondern von einem Heirathsantrag, den Lieutenant von Altendorn unserer Lida macht. Er setzt mit anerkennenswerther Offenheit seine Verhältnisse auseinander. Die Dürftigkeit derselben wollen wir für jetzt dahingestellt sein lassen. Auch daß er, wie ich trotz seines Schweigens über diesen Punkt genau weiß, aus der Leibgarde ausscheiden muß, weil er dort nie ein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 665. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_665.jpg&oldid=- (Version vom 5.10.2023)