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Verschiedene: Die Gartenlaube (1891)

Nach einer Skizze von E. M. Hiemann gezeichnet von E. Limmer.


In der Hutzenstube.>[1]

Das ist in eisiger Winterzeit.
Im Gebirge das Städtchen liegt tief verschneit,
Durch die nächtliche Gasse weht kalt der Wind,
Da huscht es auf eiligen Füßen geschwind
Mit dem Klöppelkissen unter dem Arm
Herein in den Raum so traulich und warm,
In die Hutzenstube.

Da sitzt der Mägdelein fröhlicher Kreis,
Sie regen die zierlichen Hände mit Fleiß,
Wie im Takte schlagen die Klöppel an –
Wer wohl am flinksten klöppeln kann?
Im alten Ofen die Flamme surrt,
Auf der Bank am Fenster das Kätzlein schnurrt
In der Hutzenstube.

Nun pocht es am Laden – herein, herein!
Das mögen die Burschen, die losen, sein;
Und bald zu der Klöppel emsigem Gang
Erschallt der Harmonika fröhlicher Klang,
Dann lacht es und singt es und scherzt in der Rund
Bis nah zur mitternächtlichen Stund’
In der Hutzenstube.

Im engen Stübchen in stiller Nacht
Wird machnes Kunstwerk fertig gebracht;
Das schmücket dereinst ein Prunkgewand,
Doch arm bleibt, die es geschaffen, die Hand:
Die trägt die zierlichen Spitzen nicht,
Die einst sie geklöppelt bei müdem Licht
In der Hutzenstube.

Doch froh ist das Herz und leicht ist der Sinn –
Du Reichthum der Welt, fahr’ immer dahin!
Was nützt die köstlichste Spitze am Kleid,
Wenn das Beste dir fehlt – Zufriedenheit.
O du emsige Hand, o du lachender Blick,
Es wohnt auch für dich ein bescheidenes Glück
In der Hutzenstube.
 Anton Ohorn.



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Kindererinnerungen an Weimar.

Von Lina Schneider.

Niemals höre ich die Nachtigall schlagen, niemals bringt mir der Frühlingshauch den Duft von Veilchen und Schlüsselblumen, niemals flammt mir der Weihnachtsbaum seinen seligen Lichterglanz, ohne daß ich deiner gedenke, du geliebte Heimathsstadt Weimar! Weit und breit, im Norden und im Süden, habe ich die Welt gesehen, so wie bei dir war es nirgends. Lange Jahre sind vergangen, seit ich mit den Gefährtinnen der Kindheit im Schatten deines Parkes spielte. Wenn ich jener Tage gedenke, dann fühle ich, wie anders wir damals waren als die Kinder der Jetztzeit. Man ließ uns Mädchen hinaus ins Freie, ließ uns träumen, die Natur genießen! Es bleibt in uns Weimaranerinnen durchs ganze Leben ein Zug von Schwärmerei, von oft mißverstandener Einfachheit und Naivetät, ein alles beherrschender Zug von Treue und Anhänglichkeit an die Heimath – fast wie bei den Schweizern. Die wahre, echte Liebe zu der schönen, weltabgeschiedenen und doch so geistestüchtigen Heimath, der heimliche Stolz, von jener berühmten Scholle Erde zu stammen, giebt dem Charakter sein bestimmtes Gepräge, der Seele ihren Flug, dem Herzen seine Stetigkeit! Sei gesegnet, du mein Weimar!

Kindererinnerungen an Weimar haben mich durch mein ganzes Leben begleitet bis heute. Als ich ein kleines Mädchen war, so am Ende der dreißiger, im Anfang der vierziger Jahre,


  1. So nennt man im Sächsischen Erzgebirge die Klöppelstuben, in welchen die jungen Leute sich an Winterabenden gesellig zusammenfinden.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1891).Leipzig: Ernst Keil, 1891, Seite 829. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1891)_829.jpg&oldid=- (Version vom 19.11.2023)