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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


Heimgekehrt. (Zu dem Bilde S. 20 u. 21.) So ist es also doch noch wahr geworden, er ist da, der lang Ersehnte, und nach langer schmerzlicher Trennung schaut die Mutter zum ersten Mal wieder so recht mit inniger Behaglichkeit in die hellen klaren munteren Augen ihres Jungen. Was hat sie aber auch für Aengste ausgestanden um ihren Buben, seit er vor mehr als zwei Jahren das Elternhaus verließ, um einem unwiderstehlichen inneren Drang zu folgen und Seemann zu werden! Wie hat sie gezählt und gerechnet, erst mit Jahren, dann mit Monaten, Tagen, Stunden - bis der große Augenblick da war, in dem sie den Heißgeliebten wieder in die Arme schließen durfte! Aber jetzt - jetzt ist alles vergessen, Sorge und Kümmerniß, Angst und Zagen, jetzt ist alles eitel Freude und Jubel und Seligkeit in der schlichten niederen Stube, auf deren Diele noch die Trophäen der weiten Seereise umherliegen. Mit kindlicher Neugier mustert der jüngste Bruder den Heimgekehrten - mit andächtiger Bewunderung staunt der ältere ihn an; das kleine Schwesterchen horcht mit Wonne dem tosenden Geräusch, das aus der „selbstgefundenen“ Riesenmuschel an ihr Ohr schlägt, während sie eine rothleuchtende Korallenkette um ihr Handgelenk gewunden hat; und fast läßt die älteste Schwester in ihrer Freude das Lieblingsgericht auf dem Herde verbrennen! Die Mutter aber hat ihren Sohn bei der Hand gefaßt, als wollte sie ihn nie wieder hergeben; sie weiß nicht, über was sie sich zuerst und am meisten freuen soll, über seine glückliche Errettung aus Noth und Gefahr, über seine frische unverdorbene Art, oder – über seinen unveränderten gesegneten Appetit.

Die Noth der Weber. Eine Kunde dringt an unser Ohr, welche uns zeigt, daß nicht in Schlesien, nicht im Glatzer Gebirg allein die mit Weberei sich beschäftigende Bevölkerung unter dem Druck einer schweren Nothlage leidet, sondern daß diese betrübenden Verhältnisse, wenn auch in bescheidenerem Umfang, noch an anderen Punkten unseres deutschen Vaterlandes zu finden sind. So leben im Herzogthum Gotha, in den Ortschaften Schwarzhausen, Schmerbach, Cabarz, Fischbach, Winterstein, Kälberfeld, Menteroda und Kleinkeula, mehr als 125 Familien, welche die Weberei (meist Gurtweberei) als Hausindustrie betreiben und unter den beständigen Nahrungssorgen körperlich und geistig verkümmern. Bei einer vierzehn- bis fünfzehnstündigen täglichen Arbeitszeit können sie nur fünf bis sieben Mark in der Woche verdienen, wobei die Frau oder die Kinder noch das Spulen besorgen müssen!

Es hat sich nun in Gotha ein Komitee gebildet, welches es sich zur Aufgabe gemacht hat, diesen Armen in ihrer Noth beizuspringen. Hier wie in Schlesien soll dies hauptsächlich dadurch geschehen, daß man den Webern zu einer lohnenderen Thätigkeit verhilft, indem man sie zur Kunstweberei überführt oder sie zur Seilerei anleitet. Für beide Zwecke aber bedarf das Komitee der Unterstützung theilnehmender Menschenfreunde, und so möchten auch wir seiner Bitte um milde Gaben Verbreitung geben. Herr Kaufmann Carl Grübel in Gotha ist bereit, Beiträge in Empfang zu nehmen.

Ein altes Lied. (Zu unserer Kunstbeilage) Wer hat nicht schon den Zauber jener alten Lieder verspürt mit ihrer dunklen Sehnsucht, ihrer geheimnißvollen Tiefe, mit ihren einfachen Worten, in denen sich doch die ganze Unendlichkeit der Seele zu spiegeln scheint! Dieser Zauber – er hat auch die anmuthige Frauengestalt umfangen, welche der Künstler uns vorfuhrt. Indeß sie, leicht in den geschnitzten Lehnstuhl geschmiegt, mit verhaltener Stimme die Töne erklingen läßt und lässig auf der Mandoline die Begleitung dazu greift, geht der Blick wie weltverloren in die Ferne, als wollte er im Unbekannten draußen den Ort suchen, wo Liebe und Glück zu finden sind, von denen das alte Lied so sehnsüchtig zu sagen weiß.


Allerlei Kurzweil.

Schachaufgabe Nr. 1.
Von H. v. Düben in Landskrona.
(Erster Preis im Aufgabenturnier des Britischen
Schachmagazins 1890.)


SCHWARZ

WEISS
Weiß zieht an und setzt mit dem zweiten Zuge matt.


Bilderräthsel. Von Al. Weixelbaum.



 Scherzräthsel.

Ein Ar, ringsum von Stein umgeben,
Giebt einer kleinen Flamme Leben.


 Räthsel.

O glücklich, wer, wie meine beiden Ersten,
Das Dritte ist! er kennt die Sorge nicht
Und heiter lächelt ihm das Leben zu.
Doch wehe dem, deß Dasein preisgegeben
Der rohen Willkür und der Habsucht ist
Durch jenes unglücksel’ge ganze Wort,
Das heimathlos ihn treibt – von Ort zu Ort.


 Buchstabenräthsel.

Sie war so lieblich, sang so süß
Wie dieses Räthsels Wort,
Und willst du wissen, wie sie hieß,
So nimm das Haupt noch fort!
 Oskar Leede.


 Logogriph.

Der Mensch empfängt mich immer froh
In seiner Kinderzeit mit O.

Doch deckt sein Haupt des Alters Schnee,
Begrüßt er glücklich mich mit E.


 Kapselräthsel.

Was ich meine, gestaltet ist’s rund;
Ohne Kopf ist’s als Speise gesund;
Wird noch einmal geköpft, ist es kalt;
Ohne Fuß dann oval von Gestalt.
 Eduard Schulte.


manicula 0 Hierzu Kunstbeilage I: „Ein altes Lied“ von Conrad Kiesel.


[ Die Werbung für den Gartenlaube-Kalender 1892 wurde nicht transscribiert]



Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 36. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_036.jpg&oldid=- (Version vom 30.6.2023)